Von Wogau (EVP): An der NATO-Perspektive für Georgien festhalten
Der EU-Politiker Karl von Wogau hat sich dafür ausgesprochen, an der Perspektive einer NATO-Mitgliedschaft für Georgien festzuhalten. Zunächst aber müsse sich das Kaukasus-Land stabilisieren, sagte von Wogau. Das heutige Treffen des NATO-Rats mit dem georgischen Präsidenten Michail Saakaschwili sei "durchaus angemessen".
Jörg Degenhardt: Moskau hat Wort gehalten und nach dem Waffenstillstand im Südkaukasus-Konflikt seine letzten Soldaten aus West-Georgien abgezogen, wie mit der EU vereinbart. Ein Sprecher des georgischen Innenministeriums hat den Abzug bestätigt. Heute entscheiden die Außenminister der EU in Brüssel über die Entsendung von 200 Beobachtern in die Konfliktregion. Zugleich will der NATO-Rat mit einem Besuch in Tiflis seine Beziehungen zu Georgien festigen, obwohl genau das den Russen missfällt. NATO-Generalsekretär de Hoop Scheffer und der georgische Präsident Saakaschwili werden ein Dokument unterzeichnen über die NATO-Georgien-Kommission, die künftig regelmäßig zusammentreten soll. Eine gute Sache? – Dazu Fragen an Karl von Wogau. Der Christdemokrat gehört der Fraktion der Europäischen Volkspartei im Europaparlament an. Er ist Vorsitzender des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung und er ist vor kurzem von einem Besuch in Georgien zurückgekehrt. Guten Morgen, Herr von Wogau.
Karl von Wogau: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Ist es klug, dass Georgien und die NATO in der jetzigen Phase ihre Beziehungen und dann noch auf höchster Ebene forcieren?
von Wogau: Auf höchster Ebene? – Der NATO-Rat tagt auf Botschafterebene. Natürlich: Herr de Hoop Scheffer wird dabei sein. Aber ich halte es für durchaus angemessen, dass die NATO und die westlichen Demokratien jetzt auch ein Zeichen setzen, dass wir an dem territorialen Bestand von Georgien festhalten.
Degenhardt: Aber muss Moskau das nicht als Provokation empfinden, wenn der Westen ausgerechnet Saakaschwili derart demonstrativ den Rücken stärkt?
von Wogau: Er ist der georgische Präsident und wer der georgische Präsident ist, das entscheidet das georgische Volk. Wer dort Präsident wird, das ist nicht Russland, was dieses zu entscheiden hat.
Degenhardt: Sie halten also die Gesellschaft in Georgien für eine lupenreine Demokratie?
von Wogau: Das sicherlich nicht und die Frage, wer bei diesem Konflikt begonnen hat, ist durchaus eine Frage, die man stellen muss. Und ich bin auch der Auffassung, dass hier eine Untersuchung notwendig ist. Aber zunächst einmal gehen wir davon aus, dass Georgien ein Staat ist und dass hier Russland nicht zu bestimmen hat, wer der georgische Präsident ist.
Degenhardt: Sie sind selbst in Georgien gewesen. Ist bisher nach Ihrer Einschätzung von falschen Voraussetzungen ausgegangen worden, wenn die Schuldfrage gestellt wurde? War Moskau sozusagen schon von Vornherein der Schuldige?
von Wogau: Nein, das ohne jeden Zweifel nicht. Ich muss auch sagen, ich habe mich, bevor die großen Ferien begonnen haben, noch mal genau informiert über das, was in Georgien geschieht und damals wurde mir gesagt, dass die Anzahl der Provokationen größer wird. Da war durchaus nicht klar, von welcher Seite diese Provokationen ausgehen. Das ist also durchaus eine Angelegenheit, die geklärt werden muss.
Degenhardt: Wie wichtig ist dann aus Ihrer Sicht, dass Georgien demnächst einmal, ohne jetzt einen konkreten Zeitpunkt festzulegen, Mitglied der NATO ist? Muss das sein?
von Wogau: Das wurde damals in Bukarest festgelegt, dass Georgien eine Perspektive in dieser Richtung hat, und daran werden wir auch festhalten.
Degenhardt: Aber wie groß ist eigentlich die Gefahr, dass die Beistandsverpflichtung, das Kernstück also der Allianz, dann zu einer unkontrollierbaren Konfrontation mit Moskau führt? Das heißt ja, wenn Georgien angegriffen werden würde, müssten dann – vorausgesetzt Georgien ist in der NATO – die anderen NATO-Staaten zur Unterstützung, zur Hilfe eilen.
von Wogau: Das ist richtig und deswegen müssen auch noch viele Voraussetzungen geschaffen werden, bevor Georgien dann der NATO beitreten wird. Es geht ja nur darum, dass Georgien diese Perspektive für die Zukunft hat.
Degenhardt: Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden?
von Wogau: Auf der einen Seite muss sich Georgien konsolidieren und auf der anderen Seite müssen die ganzen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch intern in Georgien, dass Georgien Mitglied, Vollmitglied der NATO werden kann.
Degenhardt: Was heißt denn, Georgien muss sich konsolidieren? Können Sie uns das ein bisschen konkreter erläutern?
von Wogau: Wir haben in Georgien ja derzeit eine Situation, die außerordentlich schwierig ist. Wir haben einen Teil von Georgien, der von Russland besetzt ist, und die georgische Regierung befindet sich durchaus in Schwierigkeiten. Das heißt, in Bukarest wurde nicht beschlossen, dass Georgien jetzt Mitglied der NATO wird, sondern dass es in Zukunft Mitglied der NATO sein wird.
Degenhardt: In Zukunft, das klingt aber auch so ein bisschen wie auf die ganz lange Bank geschoben und dann vergessen.
von Wogau: Vergessen nicht, aber eine längere Zeitperspektive ist sicher richtig.
Degenhardt: Gibt es denn innerhalb der Europäischen Union, auch innerhalb der NATO dazu eine einheitliche Meinung? Ich habe das Gefühl, da gibt es doch sehr widerstrebende Meinungen.
von Wogau: Aber diese Unterschiede sind sehr viel geringer geworden. Wenn ich die Debatten im Europäischen Parlament in den letzten Monaten und Jahren beobachtet habe, dann gab es immer auf der einen Seite die Balten und die Polen, die hier gegenüber Russland eine sehr viel kritischere Linie hatten, und dann Deutschland und Frankreich, die deutschen und französischen Abgeordneten, bei denen das weniger der Fall war, die eher auf Russland als strategischen Partner gesetzt haben. Das hat sich geändert. Die Haltung gegenüber Russland auch in der Europäischen Union ist generell sehr viel kritischer geworden, als das vorher der Fall gewesen ist.
Degenhardt: Sie haben die Haltung gegenüber Russland angesprochen. Heute treffen sich also Saakaschwili und de Hoop Scheffer. Die NATO und Georgien rücken einerseits zusammen, während zwischen der Allianz und Moskau Eiszeit herrscht. Wie kann man daraus wieder ein Tauwetter machen?
von Wogau: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass einerseits jetzt die Europäische Union tätig wird, weil die Europäische Union war ja gefragt. Die Europäische Union hat rasch gehandelt in diesem Konflikt und hat gezeigt, dass sie dazu in der Lage ist. Jetzt muss als nächstes erreicht werden, dass diese Beobachter nach Georgien entsendet werden - darüber wird heute entschieden – und dass diese Beobachter dann auch den entsprechenden Zugang zu ganz Georgien erhalten.
Degenhardt: Haben Sie denn das Gefühl, dass Moskau vorsichtige Signale der Annäherung aussendet, um aus der selbst gewählten Isolation herauszukommen?
von Wogau: Zunächst einmal ist ja erfreulich, dass sich die russischen Truppen jetzt tatsächlich zurückziehen auch aus diesen sogenannten Pufferzonen. Aber die andere Tatsache bleibt ja bestehen, dass Russland mit seiner Handlungsweise sehr weit über das hinaus gegangen ist, was irgendwie durch internationales Recht gedeckt sein könnte.
Degenhardt: Am Telefon war das Fraktionsmitglied der Europäischen Volkspartei im Europaparlament Karl von Wogau. Er ist Vorsitzender des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung und er war unlängst in Georgien. Herr von Wogau, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
von Wogau: Vielen Dank, Herr Degenhardt.
Das gesamte Gespräch mit Karl von Wogau können Sie bis zum 15. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio
Karl von Wogau: Guten Morgen, Herr Degenhardt.
Degenhardt: Ist es klug, dass Georgien und die NATO in der jetzigen Phase ihre Beziehungen und dann noch auf höchster Ebene forcieren?
von Wogau: Auf höchster Ebene? – Der NATO-Rat tagt auf Botschafterebene. Natürlich: Herr de Hoop Scheffer wird dabei sein. Aber ich halte es für durchaus angemessen, dass die NATO und die westlichen Demokratien jetzt auch ein Zeichen setzen, dass wir an dem territorialen Bestand von Georgien festhalten.
Degenhardt: Aber muss Moskau das nicht als Provokation empfinden, wenn der Westen ausgerechnet Saakaschwili derart demonstrativ den Rücken stärkt?
von Wogau: Er ist der georgische Präsident und wer der georgische Präsident ist, das entscheidet das georgische Volk. Wer dort Präsident wird, das ist nicht Russland, was dieses zu entscheiden hat.
Degenhardt: Sie halten also die Gesellschaft in Georgien für eine lupenreine Demokratie?
von Wogau: Das sicherlich nicht und die Frage, wer bei diesem Konflikt begonnen hat, ist durchaus eine Frage, die man stellen muss. Und ich bin auch der Auffassung, dass hier eine Untersuchung notwendig ist. Aber zunächst einmal gehen wir davon aus, dass Georgien ein Staat ist und dass hier Russland nicht zu bestimmen hat, wer der georgische Präsident ist.
Degenhardt: Sie sind selbst in Georgien gewesen. Ist bisher nach Ihrer Einschätzung von falschen Voraussetzungen ausgegangen worden, wenn die Schuldfrage gestellt wurde? War Moskau sozusagen schon von Vornherein der Schuldige?
von Wogau: Nein, das ohne jeden Zweifel nicht. Ich muss auch sagen, ich habe mich, bevor die großen Ferien begonnen haben, noch mal genau informiert über das, was in Georgien geschieht und damals wurde mir gesagt, dass die Anzahl der Provokationen größer wird. Da war durchaus nicht klar, von welcher Seite diese Provokationen ausgehen. Das ist also durchaus eine Angelegenheit, die geklärt werden muss.
Degenhardt: Wie wichtig ist dann aus Ihrer Sicht, dass Georgien demnächst einmal, ohne jetzt einen konkreten Zeitpunkt festzulegen, Mitglied der NATO ist? Muss das sein?
von Wogau: Das wurde damals in Bukarest festgelegt, dass Georgien eine Perspektive in dieser Richtung hat, und daran werden wir auch festhalten.
Degenhardt: Aber wie groß ist eigentlich die Gefahr, dass die Beistandsverpflichtung, das Kernstück also der Allianz, dann zu einer unkontrollierbaren Konfrontation mit Moskau führt? Das heißt ja, wenn Georgien angegriffen werden würde, müssten dann – vorausgesetzt Georgien ist in der NATO – die anderen NATO-Staaten zur Unterstützung, zur Hilfe eilen.
von Wogau: Das ist richtig und deswegen müssen auch noch viele Voraussetzungen geschaffen werden, bevor Georgien dann der NATO beitreten wird. Es geht ja nur darum, dass Georgien diese Perspektive für die Zukunft hat.
Degenhardt: Welche Voraussetzungen müssen geschaffen werden?
von Wogau: Auf der einen Seite muss sich Georgien konsolidieren und auf der anderen Seite müssen die ganzen Voraussetzungen dafür geschaffen werden, auch intern in Georgien, dass Georgien Mitglied, Vollmitglied der NATO werden kann.
Degenhardt: Was heißt denn, Georgien muss sich konsolidieren? Können Sie uns das ein bisschen konkreter erläutern?
von Wogau: Wir haben in Georgien ja derzeit eine Situation, die außerordentlich schwierig ist. Wir haben einen Teil von Georgien, der von Russland besetzt ist, und die georgische Regierung befindet sich durchaus in Schwierigkeiten. Das heißt, in Bukarest wurde nicht beschlossen, dass Georgien jetzt Mitglied der NATO wird, sondern dass es in Zukunft Mitglied der NATO sein wird.
Degenhardt: In Zukunft, das klingt aber auch so ein bisschen wie auf die ganz lange Bank geschoben und dann vergessen.
von Wogau: Vergessen nicht, aber eine längere Zeitperspektive ist sicher richtig.
Degenhardt: Gibt es denn innerhalb der Europäischen Union, auch innerhalb der NATO dazu eine einheitliche Meinung? Ich habe das Gefühl, da gibt es doch sehr widerstrebende Meinungen.
von Wogau: Aber diese Unterschiede sind sehr viel geringer geworden. Wenn ich die Debatten im Europäischen Parlament in den letzten Monaten und Jahren beobachtet habe, dann gab es immer auf der einen Seite die Balten und die Polen, die hier gegenüber Russland eine sehr viel kritischere Linie hatten, und dann Deutschland und Frankreich, die deutschen und französischen Abgeordneten, bei denen das weniger der Fall war, die eher auf Russland als strategischen Partner gesetzt haben. Das hat sich geändert. Die Haltung gegenüber Russland auch in der Europäischen Union ist generell sehr viel kritischer geworden, als das vorher der Fall gewesen ist.
Degenhardt: Sie haben die Haltung gegenüber Russland angesprochen. Heute treffen sich also Saakaschwili und de Hoop Scheffer. Die NATO und Georgien rücken einerseits zusammen, während zwischen der Allianz und Moskau Eiszeit herrscht. Wie kann man daraus wieder ein Tauwetter machen?
von Wogau: Ich glaube, dass es wichtig ist, dass einerseits jetzt die Europäische Union tätig wird, weil die Europäische Union war ja gefragt. Die Europäische Union hat rasch gehandelt in diesem Konflikt und hat gezeigt, dass sie dazu in der Lage ist. Jetzt muss als nächstes erreicht werden, dass diese Beobachter nach Georgien entsendet werden - darüber wird heute entschieden – und dass diese Beobachter dann auch den entsprechenden Zugang zu ganz Georgien erhalten.
Degenhardt: Haben Sie denn das Gefühl, dass Moskau vorsichtige Signale der Annäherung aussendet, um aus der selbst gewählten Isolation herauszukommen?
von Wogau: Zunächst einmal ist ja erfreulich, dass sich die russischen Truppen jetzt tatsächlich zurückziehen auch aus diesen sogenannten Pufferzonen. Aber die andere Tatsache bleibt ja bestehen, dass Russland mit seiner Handlungsweise sehr weit über das hinaus gegangen ist, was irgendwie durch internationales Recht gedeckt sein könnte.
Degenhardt: Am Telefon war das Fraktionsmitglied der Europäischen Volkspartei im Europaparlament Karl von Wogau. Er ist Vorsitzender des Unterausschusses für Sicherheit und Verteidigung und er war unlängst in Georgien. Herr von Wogau, haben Sie vielen Dank für das Gespräch.
von Wogau: Vielen Dank, Herr Degenhardt.
Das gesamte Gespräch mit Karl von Wogau können Sie bis zum 15. Februar 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio