Von wegen ‚'trübe Aussichten'‘
Nach landläufiger Meinung schüttet es in Europa nirgendwo so häufig wie auf den britischen Inseln. Doch Irrtum! Eine Studie der Europäischen Union kommt jetzt zum Schluss: In Halle herrscht das größte Schmuddelwetter, regnet es an der Saale so viel wie in keiner anderen Stadt des Kontinents.
„19.04 MDR 1, Radio Sachsen-Anhalt. Nun zum Wetter.“
„In der Nacht ist es meist bewölkt, teils auch klar. Und es bleibt trocken ...“
„Wann hat’s das letzte Mal geregnet? Gott! Die Woche irgendwann.“
" Nieselregen.“
„Nachts wahrscheinlich. Am Tage hat’s die Woche nicht geregnet.“
Müller: „Stärkere Niederschläge?! Ja! Das hielt sich alles dieses Jahr in moderaten Verhältnissen, also in Grenzen.“
Reichenbach: „Es ist ja nicht alles eitel Sonnenschein. In Halle regnet’s auch. Aber eben leider keine Dukaten.“
Böttinger: „Also, dass Halle die regenreichste Stadt Europas sei (lacht), kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.“
Ist aber so. Zumindest, wenn man der EU in Brüssel Glauben schenken darf. Passenderweise im Herbst lief die Meldung über die Ticker: „Halle – das Regenloch Europas“. Hamburg, Glasgow, Bergen – die üblichen Verdächtigen – alle abgehängt.
Sind sie erst einmal aus allen Wolken gefallen – die Hallenser. War ihnen neu. Selbst den Experten.
Müller: „Ja, einen schönen, guten Tag. Ich bin der Doktor Jurik Müller. Und leite hier die Außenstelle der Abteilung Agrar-Meteorologie.“
In Halle nennen sie ihn nur den „Kachelmann von der Saale“. Hört er zwar nicht so gerne, weil: Der Schweizer ist ja von der Konkurrenz – der privaten. Doch in Punkto Bekanntheit kann es Jurik Müller locker mit dem omnipräsenten Wetter-Entertainer aufnehmen – zumindest in Halle.
Müller hat eine Wettersendung im Lokalfernsehen. Und Freitags eine Kolumne in der Mitteldeutschen Zeitung. Da hilf er den Hallensern wettertechnisch auf die Sprünge – am allerliebsten per Bauernregel.
Müller: „Wenn es im November regnet und frostet, dies der Saat das Leben kostet.“
Natürlich hat „Halles Kachelmann“ von der ominösen Wetterstudie der Brüsseler gehört. Im Urlaub, auf Madeira. Eine schöne Bescherung. Ausgerechnet sein Halle.
Müller: „Halle liegt in einer sehr, sehr niederschlagsarmen Region. Das ist ganz einfach durch die Regenschattenwirkung des Harzes bedingt. Insbesondere durch sein großes Bollwerk – den Brocken. Und wenn da vom Westen her Niederschlagsträchtige Luftmassen heranziehen – mit ihren Wolken und dort aufsteigen, gezwungen werden, regnen sie sich auf der Westabdachung, wenn man so will, der Harzes ab. Und so kann man davon ausgehen, dass Halle ja fast mit im Kernstück des mitteldeutschen Trockengebietes liegt. Und im Schnitt nur über eine Jahresniederschlagshöhe von etwa 460 Millimeter verfügt.“
Müller-Bahlke: „Ich lebe jetzt seit fast zwanzig Jahren in dieser Stadt. Und einer der großen Vorzüge dieser Stadt besteht darin, dass sie im Regenschatten des Harzes liegt. Wenn ich mit meiner Verwandtschaft in der Lüneburger Heide spreche, telefoniere, dann regnet’s oder nieselt’s da meistens und hier scheint die Sonne.“
In Halle. Von wegen immer nur Regen. Thomas Müller-Bahlke, der Vorsitzende des Vereins für Hallesche Stadtgeschichte, verzieht das Gesicht. Mehr als 1200 Jahre hat die Stadt an der Saale jetzt auf dem Buckel, aber dass es hier wie aus Kübeln schüttet – nein, das geben die historischen Quellen nicht her.
Müller-Bahlke: „Ich kann es mir nur so erklären, dass es nen Zahlerdreher ist. Oder irgendjemand was da verwechselt hat. Also, ich halte das für einen Fehler, der sich da irgendwie eingeschlichen hat. In der Statistik. Genauso wie man ja jahrelang behauptet hat, Spinat sei besonders eisenhaltig. Bis irgendjemand festgestellt hat, dass irgendein Statist die Kommazahl verwechselt hat. So ähnlich wird es hier wahrscheinlich auch sein.“
Wetterbericht: „Morgen beginnt der Tag an einigen Stellen mit Frühnebel. Danach wechseln sich Sonne und Wolken ab. Und es bleibt trocken.“
Kann doch nicht wahr sein! Mitte November, perfekte Voraussetzungen für Schmuddelwetter – und in Halle...will es partout nicht regnen. EU-Studie hin oder her. Von der hat Hartmut Wendel auch schon gehört. Und sich spontan gedacht: „Na, wenn das stimmt, müssten die Leute mir ja die Bude einlaufen!“
Schön wär’s. Der Endvierziger betreibt seit zwei Jahren in der Altstadt an einer dieser Kopfstein gepflasterten Gassen, wo sich die Straßenbahnen schnaufend entlang schlängeln, ein „Outdoor-Fashion“-Geschäft – wie das jetzt neudeutsch heißt.
Da bekommt der Hallenser:
Wendel: „Alles, was mit Outdoor mehr oder weniger zu tun hat. Schuhe, Rucksäcke, Funktionsjacken. Wir haben ja vorwiegend Funktionsjacken. Doppeljacken, Einfachjacken. Die wasserdicht sind. Winddicht. Atmungsaktiv.“
Rund hundert Euro kostet die günstigste Funktionsjacke. Sozusagen das Basis-Modell. Wer wirklich trocken bleiben will, sollte besser mehr investieren. Meint Wendel. Muss ja nicht gleich die Luxus-Ausgabe für 600 Euro sein. Zweihundert tun’s auch. Ist man auf der sicheren Seite. Der Trockenen. Alles eine Frage des Portemonnaies. Und der „Wassersäulen“.
Wendel: „Gibt natürlich verschiedene Wassersäulen. Da wird der Wasserdruck gemessen, der auf ein Stückchen Stoff lastet. Und diesem Druck muss der Stoff standhalten. Es gibt Wassersäulen – die fängt bei 4000 Millimeter an und geht hoch bis 20, 30.000, zum Teil auch 40.000 Wassersäule. Je höher die Wassersäule, desto länger können sie natürlich im Regen spazieren gehen.“
In Halle – diesem „Regenloch“. Wann Hartmut Wendel das letzte Mal eine „garantiert wasserdichte, winddichte und atmungsaktive“ Jacke für 600 Euro verkauft hat – daran kann er sich nicht mehr erinnern. Muss eine halbe Ewigkeit her sein. Könnte so und so besser laufen – das Geschäft. Plätschert so vor sich hin. Selbst wenn es mal ein, zwei Tage am Stück regnet. So wie diesen Sommer einmal.
Wendel. „Das hat sich noch nicht in den Verkaufszahlen niedergeschlagen. Um es mal auf den Punkt zu bringen.“
Ihren vierzigsten haben sie dieses Jahr gefeiert – die „Kibietzensteiner“ – das Traditions-Kabarett hier.
Reichenbach: „Wir sind so nen bisschen das Stiefkind dieser Kulturhauptstadt.“
Wollte Halle ja mal werden – bevor ihr ausgerechnet die Malocherstadt Essen den Titel vor der Nase wegschnappte. Schon wieder die Wessis!
Wäre ja was gewesen. Hätten sich die „Kiebietzensteiner“ was von versprochen: Publicity. Und etwas mehr Geld. Wollten ja mächtig in Kultur investieren – die Hallenser Stadtväter. Wenn sie denn Kulturhauptstadt geworden wären.
Sind sie aber nicht. Gerade erst hat die neu gewählte Oberbürgermeisterin verkündet, sie wolle ja weiterhin schrecklich gerne die Kultur der Stadt fördern, aber Bitte schön nur, wenn sie „repräsentativ“ sei.
Klaus Reichenbach kann es immer noch nicht fassen. „Repräsentative Kunst“ – das gab’s zum letzten Mal zu DDR-Zeiten, als sie ihnen Delegationen aus Österreich und der Schweiz ins Haus schickten, damit die zu Hause kund tun konnten: „Na, sie mal einer an. Kabarett in der DDR?! So schlimm kann es bei denen doch gar nicht sein!“
Hat Reichenbach alles erlebt. War nicht immer einfach. Aber zumindest gab es damals noch Geld. Von Vater Staat. Das war einmal. „Die Kommune“, meint der 77-Jährige, „die Kommune lässt uns im Regen stehen – ohne Aussicht auf Wetterumschwung“.
Reichenbach: „Warmer Regen, meinen Sie?! Jetzt finanziell?! Näh. Da haben wir die Hoffnung nicht. Denn ich meine: Wir haben ja keine Lobby. Wer soll die bedrängen? Dass die uns was geben. Und von selbst geben die nüscht. Da geben wir uns auch gar keinen Illusionen hin. Es sei denn, es ist mal so was wie 40. Geburtstag. Da geben doch einige, die uns noch kennen von früher. Aber im Ganzen ist das natürlich ein sehr schweres Unternehmen.“
Bis zu acht Programme stellen Klaus Reichenbach und seine Mitstreiter im Jahr auf die Beine, gerade läuft das Loriot-Stück „Die Ente bleibt drin“. Alles in Eigenregie; alles auf Freiwilligenbasis.
Schauspieler, Regisseure, Bühnenbildern – bei den „Kiebitzensteinern“ – erklärt Schauspieler Klaus-Dieter Bange – sind alle gleich; werden alle aus dem selben Topf bezahlt.
Bange: „Je nach dem, was die Kasse bringt. In der Woche, im Monat. Und dann wird das geteilt.“
Mann: „Aha!“
Reichenbach: „Urkommunistisch!“
Geht es zu in Halle. Zumindest in einigen Ecken. Für Profanes haben sie da manchmal nur wenig Sinn – die Urkommunisten von den Kiebitzensteinern. Jetzt von wegen Wetter und so.
Reichenbach: „Wie das mit dem Wettergott ist, ist mir eigentlich wurscht. Ob das regnen tut oder nicht regnet. Ob’s die regenreichste Stadt ist?“
Interessiert ihn nicht. Den Reichenbach. Die Herren Kost und Albrecht sind da schon aufgeschlossener. Und kundiger. Denn: Dass mit dem Wetter– das ist eine ganz besondere Angelegenheit. In Halle.
Kost: „Halle hat ja sieben verschiedene Wetterzonen. Also wenn es zum Beispiel bei uns am Kabarett nicht regnet, kann es sein, dass an der Grenze zu der nächsten Wetterzone, die 200 Meter weg ist, total viel Regen ist. Das ist wahr! Ja. Ja!“
Albrecht: „Ich wohne in Reichartsgarten. Hab nen großen Garten. Da regnet’s mir zu wenig, ja?! Und hier haben wir ne Freilichtbühne aufgebaut im Sommer – da hat’s mir zu viel geregnet. So ist das in Halle. Das sind die sieben Zonen, wie gesagt.“
Sieben Wetterzonen – Klaus Reichenbach kneift die Augen zusammen. Sollen sie ihn mit verschonen. Doch auch nur so ein Mythos. Genau wie die Geschichte von der regenreichsten Stadt Europas. Deckt sich nicht mit seinen „empirischen Beobachtungen“. Soll ihm keiner was vormachen.
Reichenbach: „Schirme hab ich. Aber nen Kleenen. Den hol ich selten raus. Also regnet’s gar nicht so. Wissen se, wer sich am meisten freut, wenn’s regnet? Die Taxifahrer. Da kommen nämlich die Leute und steigen ein.“
Schmitzer: „Das war mal. Das ist lange her. Vor nen paar Jahren noch: Regen an, Taxigeschäft an.“
Die Zeiten sind vorbei. In Halle. So und so nicht einfacher geworden – über die Runden zu kommen. Eine halbe Stunde wartet Max Schmitzer jetzt schon am Marktplatz auf Kundschaft – zusammen mit vier, fünf weiteren Kollegen. Ziemlich viel Lehrlauf. Behagt ihm nicht. Dieses Rumsitzen. Schaufelt er nur wieder irgendwelche Süßigkeiten in sich hinein. So und so nicht der Schlankste.
Als Schmitzer angefangen hat – mit dem Taxifahren – damals vor 13 Jahren – da wog er noch zwanzig Kilo weniger und hatte mehr zu tun. Viel mehr. An manchen Tagen hat er fünfundzwanzig, manchmal sogar dreißig Kunden herumkutschiert. Jetzt kann Schmitzer froh sein, wenn er nach einer 12-Stunden-Schicht auf 15 Kunden kommt. Egal, ob draußen die Sonne scheint oder es regnet.
Schmitzer: „Heute stellen sich die Leute unter, spannen nen Schirm auf. Steigen inne Straßenbahn. Da muss es schon mächtig schütten, dass das Taxigeschäft da anspringt. Und wenn’s wieder aufhört mit Regen, dann stehen wir auch wieder. Früher hatten die Leute Geld, heute haben sie nen Euro. Also der Euro hat nen mächtigen Einbruch getan. Ins Geschäft. Und dann: Es wird ja von Jahr zu Jahr weniger. Und nen Taxigeschäft ist ja sehr sensibel. Wenn’s nur in der Zeitung steht, dass die Renten gekürzt werden. Oder hier mit der Bankenkrise – dann merken sie das im Taxigeschäft sofort. Und als erstes. Es ist ja irgendwie Luxus. Und da wird als erstes gespart, ganz einfach.“
Wetterbericht: „Die Dreitagesaussicht für Sachsen-Anhalt. Am Freitag und auch am Samstag teils bewölkt, teils auch aufgelockert. Und nur selten kann es auch mal regnen.“
In Halle. Wär ja zu schön, um wahr zu sein. Zumindest ein paar Tropfen in der regenreichsten Stadt Europas. Aber keine Chance: Zwar türmen sich die Kumulus-Wolken am Horizont. Nur: Ziehen einfach vorbei.
So ist das halt in Halle. „Hat sich wohl noch nicht bis Brüssel herumgesprochen.“ Mutmaßt Peter Wycisk, Professor für Hydro- und Umweltgeologie an der Martin-Luther-Universität.
Wycisk: „Das ist einer der trockensten Standorte in Deutschland. Und dass ist das, was man im Hinterkopf behalten muss: Die Niederschläge regenerieren die Grundwasservorkommen.“
Sieht nicht gut aus – das mit dem Grundwasservorkommen. War schon im Mittelalter so, als vor den Toren der Stadt die Halloren aus den Salinen das kostbare Salz gewannen, das den Reichtum Halles begründete. Wollte einfach nicht so richtig sprudeln – das Wasser. Mussten sie halt den Mangel verwalten. Und innovativ sein. Ist heute noch so.
Wycisk: „Halle hat heute schon aufgrund der klimatischen Situation und zum Teil auch aufgrund der umgebenden Bergbau-Situation eine Fremdwasserversorgung. Die aus der Rabode-Talsperre im Harz kommt. Und auch aus Torgau kommt. Von der Elbe. Es wurde in den letzten Jahren, also nach der Wende, hier das große, sehr moderne Wasserwerk Besen an der Saale aufgebaut. Was mit Uferfiltrat arbeitet. Ne sehr hochmoderne Anlage ist. Aufgrund der jetzigen Konstellationen und auch der Bevölkerungssituation hat man Besen jetzt unmittelbar von der Leitung genommen. Wird aber diese Wassergewinnung, mit auch einer entsprechend technischen guten Aufbereitung, weiterhin vorhalten. Als Reserve-Wasserbereitstellung. Und das wäre eine solche Maßnahme.“
Haben sie so entschieden – die zuständigen „Stadtwerke Halle“. Man weiß ja nie. Vorausschauend und nachhaltig wolle man agieren – betont Pressesprecher Stephan Böttinger. Müllentsorgung, Energieversorgung, Wasserversorgung – in Halle ist das alles in einer Hand. Und hundert Prozent kommunal. Andere Städte mögen ihr Tafelsilber verscherbelt haben – an der Saale haben sie da nicht mitgemacht. Hat sich ausgezahlt: Die Stadtwerke expandieren, die Hälfte ihres Umsatzes erzielen sie inzwischen durch den Verkauf ihres Stromes im Bundesgebiet.
Ist er schon ein bisschen stolz drauf – Stephan Böttinger. Genau wie auf einen weiteren Exportschlager.
Böttinger: „Wir exportieren mittlerweile hier Wasseraufbereitungs-Know-how nach Afrika. Wir helfen bei der Errichtung von Kläranlagen, von Trinkwasseraufbereitungs-Anlagen in Namibia. Zum einen war die Trinkwasserversorgungsqualität hier in Halle ursprünglich etwas schwierig, weil einfach die natürlichen Gegebenheiten, was für Wasser ist verfügbar, sehr schwierig war. Und aus der Saale-Aue eben das Wasser genommen werden musste. Und dann sehr aufwendig aufbereitet werden musste. Und dieses Know-how, was dabei entstanden ist, ist natürlich auch für andere Länder und für andere Regionen wichtig. Und um das Rad nicht zwei Mal zu erfinden, hat man das halt exportiert.“
Halle als Exportschlager – das ist ganz nach dem Geschmack von Stephan Voß, dem Geschäftsführer vom Stadtmarketing Halle. Städte vermarkten – das kann er. Voß war vorher Marketingleiter und Pressesprecher der Stadt Wolfsburg – und hat dafür gesorgt, dass die Autostadt selbst im tiefsten VW-Filzskandal nicht mit im Morast versunken ist – und ein ums andere Mal aus „einem Makel ein Spektakel“ gemacht.
Kann ihn die Geschichte jetzt mit der regenreichsten Stadt Europas auch nicht mehr schocken.
Voß: „Ich hab das nur gleich genutzt, um den Ball aufzunehmen und gesagt: Also, im Grunde: Es kann einem in Halle gar nichts Besseres passieren, als dass es mal heftig regnet. Weil auf die Art und Weise wird man in weniger als hundert Meter Entfernung in ein Baudenkmal, in eine Kirche gedrängt, die man so noch nicht gesehen hat. Und die einen faszinieren wird. Es ist eine Stadt, die nicht nur die größte Denkmalsdichte in Deutschland hat, sondern wo es noch unendlich viele Schätze zu heben gilt, die noch im Verborgenen schlummern.“
Das Skurrilitäten-Kabinett des Geisseltalmuseums beispielsweise. Oder die Luther-Maske in der Marktkirche. Hat Halle alles zu bieten.
Wetterbericht: „Und nun das Wetter: Es bleibt trocken.“
In Halle. Seinen Regenschirm hat Jurik Müller denn auch gleich zu Hause gelassen. Hat schließlich ein Gespür dafür, wann es denn regnet. Und wann nicht – Halles „Kachelmann“. Lag in den 34 Jahren, die er in Halle jetzt schon das Wetter beobachtet, selten falsch. Hätten sie mal besser bei ihm angerufen – die Eurostat-Leute da aus Brüssel.
Müller: „Nun ist es immer eine Frage, wenn man von Niederschlagstagen spricht. Ich pflege da gewöhnlich nur die Tage zu zählen, wo wenigstens 0.1 Millimeter Niederschlag gefallen ist. Es gibt natürlich auch Niederschlagstage, wo nur 0.0 Millimeter gefallen sind – das heißt, nicht messbar geringer Mengen. Also nur nen paar Tropfen. Wenn man die natürlich mitbewertet – dann kommt man möglicherweise auf eine sehr, sehr hohe Zahl an Niederschlagstagen. Vielleicht haben sich diejenigen, die die Studie angefertigt haben, nicht von der Menge des Niederschlags leiten lassen, sondern letztendlich von der Anzahl der Tage mit Niederschlag.“
In Halle. Von wegen trübe Aussichten. Alles eitel Sonnenschein hier. Zumindest bei Stephan Voß. Hat da nämlich noch eine wichtige Information, die er einem nicht vorenthalten will. Was zum Wetter. Sozusagen unter der Rubrik: Vom „Makel zum Spektakel“.
Voß: „Wir werden hier in Bälde tatsächlich das nördlichste Weinanbaugebiet Deutschlands sein – was ja im Moment in Höhenstett liegt. Nördlich noch von Aarweiler, auf das die Rheinländer so stolz sind. Tatsächlich ist dort auch schon ein kleiner Weinberg zu bestaunen. Man wird dort sicherlich in ein paar Jahren auch die ersten Weine in Halle verkosten können.“
Dass sie hier bald ihren eigenen Wein trinken können – davon hat Peter Wycisk auch schon gehört. Wird sich so und so einiges ändern – in der Stadt, beim Wetter.
Wycisk: „Wir werden, soweit ich die Prognosen kenne, davon ausgehen müssen, dass wir in den Sommerhalbjahren künftig so auch ab 2050 circa 30 Prozent weniger Niederschlag haben. Und wir werden im Winter mehr Niederschlag haben, bei circa 30 Prozent.“
Sind ja Aussichten!
Reichenbach: „Da haben se Pech gehabt.“
Aber wirklich.
„In der Nacht ist es meist bewölkt, teils auch klar. Und es bleibt trocken ...“
„Wann hat’s das letzte Mal geregnet? Gott! Die Woche irgendwann.“
" Nieselregen.“
„Nachts wahrscheinlich. Am Tage hat’s die Woche nicht geregnet.“
Müller: „Stärkere Niederschläge?! Ja! Das hielt sich alles dieses Jahr in moderaten Verhältnissen, also in Grenzen.“
Reichenbach: „Es ist ja nicht alles eitel Sonnenschein. In Halle regnet’s auch. Aber eben leider keine Dukaten.“
Böttinger: „Also, dass Halle die regenreichste Stadt Europas sei (lacht), kann ich überhaupt nicht nachvollziehen.“
Ist aber so. Zumindest, wenn man der EU in Brüssel Glauben schenken darf. Passenderweise im Herbst lief die Meldung über die Ticker: „Halle – das Regenloch Europas“. Hamburg, Glasgow, Bergen – die üblichen Verdächtigen – alle abgehängt.
Sind sie erst einmal aus allen Wolken gefallen – die Hallenser. War ihnen neu. Selbst den Experten.
Müller: „Ja, einen schönen, guten Tag. Ich bin der Doktor Jurik Müller. Und leite hier die Außenstelle der Abteilung Agrar-Meteorologie.“
In Halle nennen sie ihn nur den „Kachelmann von der Saale“. Hört er zwar nicht so gerne, weil: Der Schweizer ist ja von der Konkurrenz – der privaten. Doch in Punkto Bekanntheit kann es Jurik Müller locker mit dem omnipräsenten Wetter-Entertainer aufnehmen – zumindest in Halle.
Müller hat eine Wettersendung im Lokalfernsehen. Und Freitags eine Kolumne in der Mitteldeutschen Zeitung. Da hilf er den Hallensern wettertechnisch auf die Sprünge – am allerliebsten per Bauernregel.
Müller: „Wenn es im November regnet und frostet, dies der Saat das Leben kostet.“
Natürlich hat „Halles Kachelmann“ von der ominösen Wetterstudie der Brüsseler gehört. Im Urlaub, auf Madeira. Eine schöne Bescherung. Ausgerechnet sein Halle.
Müller: „Halle liegt in einer sehr, sehr niederschlagsarmen Region. Das ist ganz einfach durch die Regenschattenwirkung des Harzes bedingt. Insbesondere durch sein großes Bollwerk – den Brocken. Und wenn da vom Westen her Niederschlagsträchtige Luftmassen heranziehen – mit ihren Wolken und dort aufsteigen, gezwungen werden, regnen sie sich auf der Westabdachung, wenn man so will, der Harzes ab. Und so kann man davon ausgehen, dass Halle ja fast mit im Kernstück des mitteldeutschen Trockengebietes liegt. Und im Schnitt nur über eine Jahresniederschlagshöhe von etwa 460 Millimeter verfügt.“
Müller-Bahlke: „Ich lebe jetzt seit fast zwanzig Jahren in dieser Stadt. Und einer der großen Vorzüge dieser Stadt besteht darin, dass sie im Regenschatten des Harzes liegt. Wenn ich mit meiner Verwandtschaft in der Lüneburger Heide spreche, telefoniere, dann regnet’s oder nieselt’s da meistens und hier scheint die Sonne.“
In Halle. Von wegen immer nur Regen. Thomas Müller-Bahlke, der Vorsitzende des Vereins für Hallesche Stadtgeschichte, verzieht das Gesicht. Mehr als 1200 Jahre hat die Stadt an der Saale jetzt auf dem Buckel, aber dass es hier wie aus Kübeln schüttet – nein, das geben die historischen Quellen nicht her.
Müller-Bahlke: „Ich kann es mir nur so erklären, dass es nen Zahlerdreher ist. Oder irgendjemand was da verwechselt hat. Also, ich halte das für einen Fehler, der sich da irgendwie eingeschlichen hat. In der Statistik. Genauso wie man ja jahrelang behauptet hat, Spinat sei besonders eisenhaltig. Bis irgendjemand festgestellt hat, dass irgendein Statist die Kommazahl verwechselt hat. So ähnlich wird es hier wahrscheinlich auch sein.“
Wetterbericht: „Morgen beginnt der Tag an einigen Stellen mit Frühnebel. Danach wechseln sich Sonne und Wolken ab. Und es bleibt trocken.“
Kann doch nicht wahr sein! Mitte November, perfekte Voraussetzungen für Schmuddelwetter – und in Halle...will es partout nicht regnen. EU-Studie hin oder her. Von der hat Hartmut Wendel auch schon gehört. Und sich spontan gedacht: „Na, wenn das stimmt, müssten die Leute mir ja die Bude einlaufen!“
Schön wär’s. Der Endvierziger betreibt seit zwei Jahren in der Altstadt an einer dieser Kopfstein gepflasterten Gassen, wo sich die Straßenbahnen schnaufend entlang schlängeln, ein „Outdoor-Fashion“-Geschäft – wie das jetzt neudeutsch heißt.
Da bekommt der Hallenser:
Wendel: „Alles, was mit Outdoor mehr oder weniger zu tun hat. Schuhe, Rucksäcke, Funktionsjacken. Wir haben ja vorwiegend Funktionsjacken. Doppeljacken, Einfachjacken. Die wasserdicht sind. Winddicht. Atmungsaktiv.“
Rund hundert Euro kostet die günstigste Funktionsjacke. Sozusagen das Basis-Modell. Wer wirklich trocken bleiben will, sollte besser mehr investieren. Meint Wendel. Muss ja nicht gleich die Luxus-Ausgabe für 600 Euro sein. Zweihundert tun’s auch. Ist man auf der sicheren Seite. Der Trockenen. Alles eine Frage des Portemonnaies. Und der „Wassersäulen“.
Wendel: „Gibt natürlich verschiedene Wassersäulen. Da wird der Wasserdruck gemessen, der auf ein Stückchen Stoff lastet. Und diesem Druck muss der Stoff standhalten. Es gibt Wassersäulen – die fängt bei 4000 Millimeter an und geht hoch bis 20, 30.000, zum Teil auch 40.000 Wassersäule. Je höher die Wassersäule, desto länger können sie natürlich im Regen spazieren gehen.“
In Halle – diesem „Regenloch“. Wann Hartmut Wendel das letzte Mal eine „garantiert wasserdichte, winddichte und atmungsaktive“ Jacke für 600 Euro verkauft hat – daran kann er sich nicht mehr erinnern. Muss eine halbe Ewigkeit her sein. Könnte so und so besser laufen – das Geschäft. Plätschert so vor sich hin. Selbst wenn es mal ein, zwei Tage am Stück regnet. So wie diesen Sommer einmal.
Wendel. „Das hat sich noch nicht in den Verkaufszahlen niedergeschlagen. Um es mal auf den Punkt zu bringen.“
Ihren vierzigsten haben sie dieses Jahr gefeiert – die „Kibietzensteiner“ – das Traditions-Kabarett hier.
Reichenbach: „Wir sind so nen bisschen das Stiefkind dieser Kulturhauptstadt.“
Wollte Halle ja mal werden – bevor ihr ausgerechnet die Malocherstadt Essen den Titel vor der Nase wegschnappte. Schon wieder die Wessis!
Wäre ja was gewesen. Hätten sich die „Kiebietzensteiner“ was von versprochen: Publicity. Und etwas mehr Geld. Wollten ja mächtig in Kultur investieren – die Hallenser Stadtväter. Wenn sie denn Kulturhauptstadt geworden wären.
Sind sie aber nicht. Gerade erst hat die neu gewählte Oberbürgermeisterin verkündet, sie wolle ja weiterhin schrecklich gerne die Kultur der Stadt fördern, aber Bitte schön nur, wenn sie „repräsentativ“ sei.
Klaus Reichenbach kann es immer noch nicht fassen. „Repräsentative Kunst“ – das gab’s zum letzten Mal zu DDR-Zeiten, als sie ihnen Delegationen aus Österreich und der Schweiz ins Haus schickten, damit die zu Hause kund tun konnten: „Na, sie mal einer an. Kabarett in der DDR?! So schlimm kann es bei denen doch gar nicht sein!“
Hat Reichenbach alles erlebt. War nicht immer einfach. Aber zumindest gab es damals noch Geld. Von Vater Staat. Das war einmal. „Die Kommune“, meint der 77-Jährige, „die Kommune lässt uns im Regen stehen – ohne Aussicht auf Wetterumschwung“.
Reichenbach: „Warmer Regen, meinen Sie?! Jetzt finanziell?! Näh. Da haben wir die Hoffnung nicht. Denn ich meine: Wir haben ja keine Lobby. Wer soll die bedrängen? Dass die uns was geben. Und von selbst geben die nüscht. Da geben wir uns auch gar keinen Illusionen hin. Es sei denn, es ist mal so was wie 40. Geburtstag. Da geben doch einige, die uns noch kennen von früher. Aber im Ganzen ist das natürlich ein sehr schweres Unternehmen.“
Bis zu acht Programme stellen Klaus Reichenbach und seine Mitstreiter im Jahr auf die Beine, gerade läuft das Loriot-Stück „Die Ente bleibt drin“. Alles in Eigenregie; alles auf Freiwilligenbasis.
Schauspieler, Regisseure, Bühnenbildern – bei den „Kiebitzensteinern“ – erklärt Schauspieler Klaus-Dieter Bange – sind alle gleich; werden alle aus dem selben Topf bezahlt.
Bange: „Je nach dem, was die Kasse bringt. In der Woche, im Monat. Und dann wird das geteilt.“
Mann: „Aha!“
Reichenbach: „Urkommunistisch!“
Geht es zu in Halle. Zumindest in einigen Ecken. Für Profanes haben sie da manchmal nur wenig Sinn – die Urkommunisten von den Kiebitzensteinern. Jetzt von wegen Wetter und so.
Reichenbach: „Wie das mit dem Wettergott ist, ist mir eigentlich wurscht. Ob das regnen tut oder nicht regnet. Ob’s die regenreichste Stadt ist?“
Interessiert ihn nicht. Den Reichenbach. Die Herren Kost und Albrecht sind da schon aufgeschlossener. Und kundiger. Denn: Dass mit dem Wetter– das ist eine ganz besondere Angelegenheit. In Halle.
Kost: „Halle hat ja sieben verschiedene Wetterzonen. Also wenn es zum Beispiel bei uns am Kabarett nicht regnet, kann es sein, dass an der Grenze zu der nächsten Wetterzone, die 200 Meter weg ist, total viel Regen ist. Das ist wahr! Ja. Ja!“
Albrecht: „Ich wohne in Reichartsgarten. Hab nen großen Garten. Da regnet’s mir zu wenig, ja?! Und hier haben wir ne Freilichtbühne aufgebaut im Sommer – da hat’s mir zu viel geregnet. So ist das in Halle. Das sind die sieben Zonen, wie gesagt.“
Sieben Wetterzonen – Klaus Reichenbach kneift die Augen zusammen. Sollen sie ihn mit verschonen. Doch auch nur so ein Mythos. Genau wie die Geschichte von der regenreichsten Stadt Europas. Deckt sich nicht mit seinen „empirischen Beobachtungen“. Soll ihm keiner was vormachen.
Reichenbach: „Schirme hab ich. Aber nen Kleenen. Den hol ich selten raus. Also regnet’s gar nicht so. Wissen se, wer sich am meisten freut, wenn’s regnet? Die Taxifahrer. Da kommen nämlich die Leute und steigen ein.“
Schmitzer: „Das war mal. Das ist lange her. Vor nen paar Jahren noch: Regen an, Taxigeschäft an.“
Die Zeiten sind vorbei. In Halle. So und so nicht einfacher geworden – über die Runden zu kommen. Eine halbe Stunde wartet Max Schmitzer jetzt schon am Marktplatz auf Kundschaft – zusammen mit vier, fünf weiteren Kollegen. Ziemlich viel Lehrlauf. Behagt ihm nicht. Dieses Rumsitzen. Schaufelt er nur wieder irgendwelche Süßigkeiten in sich hinein. So und so nicht der Schlankste.
Als Schmitzer angefangen hat – mit dem Taxifahren – damals vor 13 Jahren – da wog er noch zwanzig Kilo weniger und hatte mehr zu tun. Viel mehr. An manchen Tagen hat er fünfundzwanzig, manchmal sogar dreißig Kunden herumkutschiert. Jetzt kann Schmitzer froh sein, wenn er nach einer 12-Stunden-Schicht auf 15 Kunden kommt. Egal, ob draußen die Sonne scheint oder es regnet.
Schmitzer: „Heute stellen sich die Leute unter, spannen nen Schirm auf. Steigen inne Straßenbahn. Da muss es schon mächtig schütten, dass das Taxigeschäft da anspringt. Und wenn’s wieder aufhört mit Regen, dann stehen wir auch wieder. Früher hatten die Leute Geld, heute haben sie nen Euro. Also der Euro hat nen mächtigen Einbruch getan. Ins Geschäft. Und dann: Es wird ja von Jahr zu Jahr weniger. Und nen Taxigeschäft ist ja sehr sensibel. Wenn’s nur in der Zeitung steht, dass die Renten gekürzt werden. Oder hier mit der Bankenkrise – dann merken sie das im Taxigeschäft sofort. Und als erstes. Es ist ja irgendwie Luxus. Und da wird als erstes gespart, ganz einfach.“
Wetterbericht: „Die Dreitagesaussicht für Sachsen-Anhalt. Am Freitag und auch am Samstag teils bewölkt, teils auch aufgelockert. Und nur selten kann es auch mal regnen.“
In Halle. Wär ja zu schön, um wahr zu sein. Zumindest ein paar Tropfen in der regenreichsten Stadt Europas. Aber keine Chance: Zwar türmen sich die Kumulus-Wolken am Horizont. Nur: Ziehen einfach vorbei.
So ist das halt in Halle. „Hat sich wohl noch nicht bis Brüssel herumgesprochen.“ Mutmaßt Peter Wycisk, Professor für Hydro- und Umweltgeologie an der Martin-Luther-Universität.
Wycisk: „Das ist einer der trockensten Standorte in Deutschland. Und dass ist das, was man im Hinterkopf behalten muss: Die Niederschläge regenerieren die Grundwasservorkommen.“
Sieht nicht gut aus – das mit dem Grundwasservorkommen. War schon im Mittelalter so, als vor den Toren der Stadt die Halloren aus den Salinen das kostbare Salz gewannen, das den Reichtum Halles begründete. Wollte einfach nicht so richtig sprudeln – das Wasser. Mussten sie halt den Mangel verwalten. Und innovativ sein. Ist heute noch so.
Wycisk: „Halle hat heute schon aufgrund der klimatischen Situation und zum Teil auch aufgrund der umgebenden Bergbau-Situation eine Fremdwasserversorgung. Die aus der Rabode-Talsperre im Harz kommt. Und auch aus Torgau kommt. Von der Elbe. Es wurde in den letzten Jahren, also nach der Wende, hier das große, sehr moderne Wasserwerk Besen an der Saale aufgebaut. Was mit Uferfiltrat arbeitet. Ne sehr hochmoderne Anlage ist. Aufgrund der jetzigen Konstellationen und auch der Bevölkerungssituation hat man Besen jetzt unmittelbar von der Leitung genommen. Wird aber diese Wassergewinnung, mit auch einer entsprechend technischen guten Aufbereitung, weiterhin vorhalten. Als Reserve-Wasserbereitstellung. Und das wäre eine solche Maßnahme.“
Haben sie so entschieden – die zuständigen „Stadtwerke Halle“. Man weiß ja nie. Vorausschauend und nachhaltig wolle man agieren – betont Pressesprecher Stephan Böttinger. Müllentsorgung, Energieversorgung, Wasserversorgung – in Halle ist das alles in einer Hand. Und hundert Prozent kommunal. Andere Städte mögen ihr Tafelsilber verscherbelt haben – an der Saale haben sie da nicht mitgemacht. Hat sich ausgezahlt: Die Stadtwerke expandieren, die Hälfte ihres Umsatzes erzielen sie inzwischen durch den Verkauf ihres Stromes im Bundesgebiet.
Ist er schon ein bisschen stolz drauf – Stephan Böttinger. Genau wie auf einen weiteren Exportschlager.
Böttinger: „Wir exportieren mittlerweile hier Wasseraufbereitungs-Know-how nach Afrika. Wir helfen bei der Errichtung von Kläranlagen, von Trinkwasseraufbereitungs-Anlagen in Namibia. Zum einen war die Trinkwasserversorgungsqualität hier in Halle ursprünglich etwas schwierig, weil einfach die natürlichen Gegebenheiten, was für Wasser ist verfügbar, sehr schwierig war. Und aus der Saale-Aue eben das Wasser genommen werden musste. Und dann sehr aufwendig aufbereitet werden musste. Und dieses Know-how, was dabei entstanden ist, ist natürlich auch für andere Länder und für andere Regionen wichtig. Und um das Rad nicht zwei Mal zu erfinden, hat man das halt exportiert.“
Halle als Exportschlager – das ist ganz nach dem Geschmack von Stephan Voß, dem Geschäftsführer vom Stadtmarketing Halle. Städte vermarkten – das kann er. Voß war vorher Marketingleiter und Pressesprecher der Stadt Wolfsburg – und hat dafür gesorgt, dass die Autostadt selbst im tiefsten VW-Filzskandal nicht mit im Morast versunken ist – und ein ums andere Mal aus „einem Makel ein Spektakel“ gemacht.
Kann ihn die Geschichte jetzt mit der regenreichsten Stadt Europas auch nicht mehr schocken.
Voß: „Ich hab das nur gleich genutzt, um den Ball aufzunehmen und gesagt: Also, im Grunde: Es kann einem in Halle gar nichts Besseres passieren, als dass es mal heftig regnet. Weil auf die Art und Weise wird man in weniger als hundert Meter Entfernung in ein Baudenkmal, in eine Kirche gedrängt, die man so noch nicht gesehen hat. Und die einen faszinieren wird. Es ist eine Stadt, die nicht nur die größte Denkmalsdichte in Deutschland hat, sondern wo es noch unendlich viele Schätze zu heben gilt, die noch im Verborgenen schlummern.“
Das Skurrilitäten-Kabinett des Geisseltalmuseums beispielsweise. Oder die Luther-Maske in der Marktkirche. Hat Halle alles zu bieten.
Wetterbericht: „Und nun das Wetter: Es bleibt trocken.“
In Halle. Seinen Regenschirm hat Jurik Müller denn auch gleich zu Hause gelassen. Hat schließlich ein Gespür dafür, wann es denn regnet. Und wann nicht – Halles „Kachelmann“. Lag in den 34 Jahren, die er in Halle jetzt schon das Wetter beobachtet, selten falsch. Hätten sie mal besser bei ihm angerufen – die Eurostat-Leute da aus Brüssel.
Müller: „Nun ist es immer eine Frage, wenn man von Niederschlagstagen spricht. Ich pflege da gewöhnlich nur die Tage zu zählen, wo wenigstens 0.1 Millimeter Niederschlag gefallen ist. Es gibt natürlich auch Niederschlagstage, wo nur 0.0 Millimeter gefallen sind – das heißt, nicht messbar geringer Mengen. Also nur nen paar Tropfen. Wenn man die natürlich mitbewertet – dann kommt man möglicherweise auf eine sehr, sehr hohe Zahl an Niederschlagstagen. Vielleicht haben sich diejenigen, die die Studie angefertigt haben, nicht von der Menge des Niederschlags leiten lassen, sondern letztendlich von der Anzahl der Tage mit Niederschlag.“
In Halle. Von wegen trübe Aussichten. Alles eitel Sonnenschein hier. Zumindest bei Stephan Voß. Hat da nämlich noch eine wichtige Information, die er einem nicht vorenthalten will. Was zum Wetter. Sozusagen unter der Rubrik: Vom „Makel zum Spektakel“.
Voß: „Wir werden hier in Bälde tatsächlich das nördlichste Weinanbaugebiet Deutschlands sein – was ja im Moment in Höhenstett liegt. Nördlich noch von Aarweiler, auf das die Rheinländer so stolz sind. Tatsächlich ist dort auch schon ein kleiner Weinberg zu bestaunen. Man wird dort sicherlich in ein paar Jahren auch die ersten Weine in Halle verkosten können.“
Dass sie hier bald ihren eigenen Wein trinken können – davon hat Peter Wycisk auch schon gehört. Wird sich so und so einiges ändern – in der Stadt, beim Wetter.
Wycisk: „Wir werden, soweit ich die Prognosen kenne, davon ausgehen müssen, dass wir in den Sommerhalbjahren künftig so auch ab 2050 circa 30 Prozent weniger Niederschlag haben. Und wir werden im Winter mehr Niederschlag haben, bei circa 30 Prozent.“
Sind ja Aussichten!
Reichenbach: „Da haben se Pech gehabt.“
Aber wirklich.