Von Ulrike Timm

Die Feuilletons befassen sich mit dem neuen Einbürgerungstest. Die „Frankfurter Rundschau“ bemängelt „grobe Schnitzer in den Fragestellungen“ und die „FAZ“ meint, viele Deutsche könnten die Fragen auch nicht aus dem Stehgreif beantworten. Die FAZ plädiert ferner dafür, dass Barack Obama am Brandenburger Tor reden sollte, und die „Süddeutsche“ stellt das Opus magnum des Historikers Hans Ulrich Wehler vor.
„Der ausgeprägten Freude am Selbsttest hat sich schon sehr früh die Jahrmarktsbranche bemächtigt“, meint Harry Nutt und denkt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU sofort an frühere Erfolge beim „Hau den Lukas“. Zur nicht nachlassenden Begeisterung am Selbsttest haben in der vergangenen Woche jedoch eher die Entwürfe zum Einbürgerungstest beigetragen, „denen dabei umgehend grobe Schnitzer in der Fragestellung nachgewiesen werden konnten“, so die FR weiter. Das eher schlichte Kräftemessen beim „Hau den Lukas“ ist da in der Tat sehr viel eindeutiger. Die Skepsis an der Messbarkeit bei der Integrationsbereitschaft formulieren gleich mehrere Zeitungen, die FRANKFURTER ALLGEMEINE dagegen meint, es sei kein Problem, einem Ausländer Fragen zu stellen, die

„vierzig, sechzig oder achtzig Prozent der Deutschen auch nicht aus dem Stegreif beantworten könnten. Mindestens die Hälfte der Autofahrer würde heute auch einen theoretischen Führerscheintest nicht … ohne Vorbereitung bestehen. Das war aber nie ein Argument gegen den Führerscheintest.“

Der SPIEGEL der kommenden Woche gibt sich kreativ und entwirft einen eigenen Fragebogen für Einbürgerungswillige, Probanden können beim Stichwort Nationalhymne auch auf Xavier Naidoo und „Dieser Weg wird kein leichter sein“ setzen – vielleicht sollte man da schon um des Hintersinns willen sein Kreuzchen machen. Barack Obama kennt steinige Wege, wird sich mit solchen Fragen aber trotzdem nicht herumschlagen müssen. Schließlich möchte er Präsident der USA werden und nicht der von Deutschland oder Europa, auch wenn sich dort manche Artikel auf ihn wie Huldigungen lesen. Aber sehr wahrscheinlich wird Obama bei seinem Deutschlandbesuch nicht dort sprechen, wo – die FRANKFURTER ALLGEMEINE zählt es auf – Udo Lindenberg und Herbert Grönemeyer gesungen, wo Greenpeace „zehntausend tote Fische ausgestellt, deutsche Milchbauern, Taxifahrer und Kassenärzte gegen ihre Lebensbedingungen protestiert“ haben und sogar der umstrittene Rapper Bushido seine rassismusverdächtigen Texte vortragen durfte – vor dem Brandenburger Tor. Derzeit werden Alternativen gesucht, und das findet die FAZ in Ordnung, denn es gilt: gleiches Recht für alle! Also müsste umgehend eine Einladung auch an John McCain ergehen. Andreas Kilb denkt noch weiter voraus:

„Lasst ein, zwei, viele Obamareden blühen! Allerdings spürt man ein gewisses Befremden bei der Vorstellung, dass auch ein russischer Präsidentschaftskandidat irgendwann Gebrauch von dieser splendigen Location im Herzen Berlins machen könnte. Aber so weit sind wir ja zum Glück noch nicht!",“ schreibt die FAZ.

Die Deutsche Gesellschaftsgeschichte ist das Leib- und Magenthema des Historikers Hans Ulrich Wehler, ein Vierteljahrhundert Arbeit hat er in das gleichnamige fünfbändige Werk gesteckt, jetzt ist der letzte Band seines Opus magnum fertig und Anlass für ein ausführliches Gespräch mit der Wochenendausgabe der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG. Eigentlich sollte schon 1949 Schluss sein, jetzt geht die Deutsche Gesellschaftsgeschichte bis 1990.

„Zuerst dachte ich: jetzt ist wirklich Schluss mit diesen Wälzern! Aber dann fand ich: Eigentlich kannst Du die Prämissen erst überprüfen, wenn dieser neue Staat den Härtetest überstehen muss – ob es gelingt, nach diesen barbarischen Zäsuren auch eine andere Gesellschaft aufzubauen…In mir sitzt immer drin, dass der historische Prozess weitergeht, auch wenn alles positiv angelegt ist.“

Dann wird wohl auch noch Band 6 folgen müssen, denn heute würde die soziale Gerechtigkeit „neu verhandelt“, so Hans Ulrich Wehler gegenüber der SÜDDEUTSCHEN. Nicht zuletzt um den Gedanken der sozialen Gerechtigkeit ging es einer Architektengeneration um 1920, die die sechs Berliner Wohnsiedlungen schufen, die die UNESCO jetzt zum Weltkulturerbe zählt. „Es war erklärtes Staatsziel der Weimarer Republik“, so schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE, „jedem eine gesunde Wohnung, Kinderreiche hatten Vorrang“. Für die WELT sind die Wohnsiedlungen, die ein Leben mit Licht, Luft und Grün auch Ärmeren ermöglichen sollten, die „Geburtsstunde der architektonischen Moderne“. Und noch eine Nachricht der UNESCO ließ diese Woche aufhorchen: man kann sich einen Brückenschlag im Welterbegebiet des Mittelrheintals grundsätzlich vorstellen. „Ist denn das die kulturdiplomatische Möglichkeit?“, staunt die FAZ mit Blick auf das Endlosthema der Dresdner Waldschlösschenbrücke und gibt gleich die Antwort: anders als die Dresdner hätten die Rheinländer die UNESCO frühzeitig und geschickt mit ins Gespräch einbezogen. Offen, höflich und flexibel kommt eben gut an…Die SÜDDEUTSCHE meldet „Gipfelsturm in einem flachen Land“ und schaut auf die gewagte und gewitzte Architektur, mit der die Dänen derzeit von sich reden machen. Zum einen wirkt auf dem platten Land jedes Hochhaus alpin, vor allem aber drücke sich „in geschwungenen Tälern und Bergen mit spitzen Gipfeln und bizarren Felsnadeln“ „architektonisches Fernweh“ aus. Und als Clou kann man demnächst in einem dänischen Wolkenkratzerchen auf durchgängiger Serpentine „mit dem Fahrrad bis in den zehnten Stock radeln. Dänische Radprofis können hier Anschauungsunterricht nehmen, wie man ohne Doping die Berge rauf kommt“, meldet die SÜDDEUTSCHE. Die Radprofis aller Nationen tummeln sich derzeit bei der Tour de France, gedopte und ungedopte, Ertappte und Nichtertappte, aber Frankreich hat Augen – und Ohren! derzeit vor allem für die Premiere Dame. Carla Bruni-Sarkozys neue CD wird natürlich nicht rezipiert comme si de rien n’etait, als ob nix gewesen wäre. „Wacklig“ sei sie „in der Höhenlage“, so versucht Niels Minkmar in der FAZ tapfer eine musikalische Analyse, aber natürlich jiepert bei Brunis Liedern niemand nach dem Ton, sondern nach dem Text. Oder besser: nach dem Subtext. Von 30 Liebhabern singt die 40jährige, und ist wohl nun beim französischen Präsidenten glücklich gelandet. Das für die FAZ schönste Lied erzählt vom Rausch des Verliebtseins und entstand – so Carla Bruni-Sarkozy – bevor sie ihren Mann kennenlernte. „Hinterher hätte es natürlich besser gepasst. Carlas Leben ist eben komplexer als ihre Musik“, meint die FAZ. Das Album erscheint übrigens beim Label Naive …