Von Ulrike Timm
Der "Tagesspiegel" beschreibt, wie sich Schuld, Kampf und Beschämung durch das Leben Kafkas gezogen haben. Der Soziologe Ralf Dahrendorf plädiert in der "NZZ" angesichts der Krise der Europäischen Union für eine "Rückkehr zu den Quellen und für einen Neubeginn". Und Armin Müller-Stahl freut sich in der "FAZ" darüber, dass er mit 77 Jahren noch vor der Kamera stehen kann.
"Wer Kafka nie gelesen hat, stirbt nicht unglücklicher. Aber lebt etwas ärmer". Dieses Fazit zieht Peter von Becker im TAGESSPIEGEL, der eine komplette Feuilletonseite gibt für den Schriftsteller, dessen 125. Geburtstag am 3. Juli auch andere Zeitungen schon vorab gefeiert haben. Aber dem TAGESSPIEGEL gelingt etwas Schönes: "Grazie und Grausamkeit", unter dieser Überschrift beschreibt Peter von Becker, wie sich Schuld, Kampf und Beschämung durch das Leben Kafkas zogen, und er wendet sich dabei sowohl an diejenigen, die in dessen Werken sehr zu Hause sind, als auch an die Neugierigen, die sich bislang Kafka vielleicht einfach noch nicht zugetraut haben. Das muss man erstmal hinkriegen als Feuilletonschreiber. Und: es klappt: "Ein Käfig ging einen Vogel suchen", Kafkas "kürzeste Erzählung", ein Satz, der sofort stutzen lässt, wird zum Ausgangspunkt der Überlegung, wie man in Kafkas unergründlichen Erzählungen vielleicht doch gründeln könnte. Beigefügt ist eine Liste aller Neuerscheinungen, die sich mit dem Dichter befassen, sortiert vom Biographischen bis Kafka "zum Nachschlagen" und "für Jugendliche". Klug, knapp und übersichtlich. Wobei die Übersichtlichkeit ja eigentlich gar nicht zu Kafka passt, aber das lassen wir jetzt mal außen vor. Aufs Anfangen mit Kafka macht der TAGESSPIEGEL jedenfalls Lust.
Wir springen in die politische Gegenwart und zum großen Traum eines geeinten Europas, der sich im quälenden Kleinklein verheddert. Die Iren sagten Nein zum Vertrag von Lissabon, und so richtig böse mag man ihnen nicht sein, dass sie die über einhundert Seiten Verwaltungschinesisch nicht lesen und verstehen mochten. Bundespräsident Köhler kann aus Verfassungsgründen noch nicht unterzeichnen und Polens Präsident Kaczynski – der das Dokument mit ausgehandelt hat – hält es für tot. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG plädiert Ralf Dahrendorf, Soziologe, Zeitdiagnostiker und in den 1970er Jahren selbst EG-Kommissar, für eine "Rückkehr zu den Quellen und für einen Neubeginn". Ob der Vertrag noch von allen 27 Staaten ratifiziert würde, sei eine Frage für die "Techniker und Taktiker von Brüssel", denen die Sympathie Dahrendorfs nicht gilt, eine "Kardinalfrage" für Europa sei das aber nicht. Leider begann der Traum von einem politisch geeinten Europa als pragmatische Wirtschaftsgemeinschft in den 1950er Jahren, die dann später in den europäischen Bundesstaat münden sollte, diese historische "Sachlogik" war für den überzeugten Europäer Dahrendorf "ein großer und folgenschwerer Irrtum".
"Es gibt einen offenbar unaufhebbaren Widerspruch zwischen dem Europa der feierlichen Reden und den tatsächlichen Erfahrungen mit der nach wie vor teuren Agrarpolitik, den schier endlosen Regelungen für Bananen, Gurken und Arbeitsbedingungen, den Anträgen für Subventionen in allen Lebenslagen."
Eine Patentlösung hat auch Dahrendorf in der NZZ natürlich nicht, er plädiert für einen "Demokratie-Bund", der sich den wirklich großen Fragen widmet: Frieden, Freiheit, Außen- und Entwicklungspolitik. "Die EU kann bleiben, wo sie ist." Und der Vertrag von Lissabon dann sein oder eben auch nicht sein. Meint Ralf Dahrendorf in der NZZ.
Weniger schwergewichtig liest sich das Interview, dass der Schauspieler Armin Müller-Stahl der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gegeben hat. Die ARD feiert ihn als den bekanntesten deutschen Künstler, und Müller-Stahl nimmt das sportlich:
Es ginge ""ja nicht um einen Hundertmeterlauf mit Zielankunft und Sekundenabständen. Man wird aber honorieren müssen, dass ich mit meinen 77 Jahren noch immer am Laufen bin – und das ist ja schon mal was. Ich bin in einem Alter, das man als Endspurt bezeichnet, aber immer noch beschäftigt", " so Armin Müller-Stahl in der FAZ. Danke für diesen souveränen Konter aufs nervige Berühmt – noch Berühmter – am Berühmtesten.
Wir springen in die politische Gegenwart und zum großen Traum eines geeinten Europas, der sich im quälenden Kleinklein verheddert. Die Iren sagten Nein zum Vertrag von Lissabon, und so richtig böse mag man ihnen nicht sein, dass sie die über einhundert Seiten Verwaltungschinesisch nicht lesen und verstehen mochten. Bundespräsident Köhler kann aus Verfassungsgründen noch nicht unterzeichnen und Polens Präsident Kaczynski – der das Dokument mit ausgehandelt hat – hält es für tot. In der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG plädiert Ralf Dahrendorf, Soziologe, Zeitdiagnostiker und in den 1970er Jahren selbst EG-Kommissar, für eine "Rückkehr zu den Quellen und für einen Neubeginn". Ob der Vertrag noch von allen 27 Staaten ratifiziert würde, sei eine Frage für die "Techniker und Taktiker von Brüssel", denen die Sympathie Dahrendorfs nicht gilt, eine "Kardinalfrage" für Europa sei das aber nicht. Leider begann der Traum von einem politisch geeinten Europa als pragmatische Wirtschaftsgemeinschft in den 1950er Jahren, die dann später in den europäischen Bundesstaat münden sollte, diese historische "Sachlogik" war für den überzeugten Europäer Dahrendorf "ein großer und folgenschwerer Irrtum".
"Es gibt einen offenbar unaufhebbaren Widerspruch zwischen dem Europa der feierlichen Reden und den tatsächlichen Erfahrungen mit der nach wie vor teuren Agrarpolitik, den schier endlosen Regelungen für Bananen, Gurken und Arbeitsbedingungen, den Anträgen für Subventionen in allen Lebenslagen."
Eine Patentlösung hat auch Dahrendorf in der NZZ natürlich nicht, er plädiert für einen "Demokratie-Bund", der sich den wirklich großen Fragen widmet: Frieden, Freiheit, Außen- und Entwicklungspolitik. "Die EU kann bleiben, wo sie ist." Und der Vertrag von Lissabon dann sein oder eben auch nicht sein. Meint Ralf Dahrendorf in der NZZ.
Weniger schwergewichtig liest sich das Interview, dass der Schauspieler Armin Müller-Stahl der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG gegeben hat. Die ARD feiert ihn als den bekanntesten deutschen Künstler, und Müller-Stahl nimmt das sportlich:
Es ginge ""ja nicht um einen Hundertmeterlauf mit Zielankunft und Sekundenabständen. Man wird aber honorieren müssen, dass ich mit meinen 77 Jahren noch immer am Laufen bin – und das ist ja schon mal was. Ich bin in einem Alter, das man als Endspurt bezeichnet, aber immer noch beschäftigt", " so Armin Müller-Stahl in der FAZ. Danke für diesen souveränen Konter aufs nervige Berühmt – noch Berühmter – am Berühmtesten.