Von Ulrike Timm

Die Feuilletons würdigen den verstorbenen Lyriker Peter Rühmkorf und loben das Werk des amerikanischen Kinderbuchautoren und Grafikers Maurice Sendak, der heute 80 Jahre alt wird.
"Peter Rühmkorf war eine Spottdrossel, auch sich selbst gegenüber. Den Reichtum und die Spannungen dieses Menschen bilden vor allem seine Gedichte ab. Er konnte richtig schöne politische Gassenhauer schreiben, so den schon klassischen Vers 'Bleib erschütterbar und widersteh!'. Aber er konnte auch ganz weltvergessen von einem 'Individuum aus nichts als Worten' träumen."

So würdigt der Lyriker Dirk von Petersdorff in der WELT den großen und stets wider den trostlosen Ernst andichtenden Peter Rühmkorf, der im Alter von 78 Jahren gestorben ist. Jede Art von Aufregung, politische wie private, regte Peter Rühmkorf an. Den Studentenunruhen, der RAF und der Wiedervereinigung begegnete er mit zeitkritischen Essays, vor allem aber mit lyrischem Zu- oder Widerspruch.

"Wir werden es noch merken, dass wir mit diesem Verfassungspoeten unseren Nationaldichter verloren haben", schreibt Patrick Bahners in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG - sorry, aber jeder, der einmal eines der so kritisch zugespitzten wie gewitzten "Vortragskonzerte" von Rühmkorf erlebt hat, sieht ihn ob so pathetischer Worte grinsen.

Sein Talent, alten dichterischen Formen, vor allem dem Reim, einen höchst gegenwärtigen Drive zu geben und den hohen Ton ganz selbstverständlich mit alltäglichem Vokabular zu verbinden, stellt die WELT heraus. Als junger Schriftsteller habe Rühmkorf viel "gebennt und gebrechtet", so die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, und das war notwendig, meint Franziska Augstein, "weil das Deutsch, das er als Kind in der Nazizeit zu hören bekam, und das Deutsch der schwülstigen Nachkriegsbesinnlichkeit erst einmal überwunden werden mussten. Er knüpfte in den fünfziger Jahren bei dem an, was die Nazis abrasiert und eliminiert hatten". "

Peter Rühmkorf selbst hat sein streitbares Dichterleben einmal so beschrieben: Er sei entschlossen, sein "Ich zum Selbstkostenpreis in Kunst aufgehen zu lassen und dennoch Haus und Garten nicht aus den Augen zu verlieren." Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG druckt verdienstvollerweise eines seiner letzten Gedichte vollständig ab. "Rückblickend mein eigenes Leben" - es sei "fast noch die günstigste Lösung."

Sonntag ist Peter Rühmkorf gestorben, einen Tag später erreicht uns die Meldung, dass die Stadt Kassel ihm ihren Literaturpreis für grotesken Humor zuerkannt hat. Das hätte ihm gefallen. Wohl ebenso, dass in WELT, SÜDDEUTSCHER und FAZ einem Kinderbuchautor zum Geburtstag gratuliert wird, dem Amerikaner Maurice Sendak nämlich. Und wenn Rühmkorf mit seinen Liedern Warum ist die Banane krumm? die Pädagogen der 70er in Fans und Gegner teilte, die Kinder aber gewann, so fiel schon 1963 Maurice Sendaks Wo die wilden Kerle wohnen wunderbar anarchistisch und gänzlich unpädagogisch in die scheinbar heile Welt.

Vom "Zaubertrick", mit dem der kleine Max sein Abenteuer besteht, um "schließlich ins Kinderzimmer zurückzukehren, wo nach einer halben Weltumsegelung das Essen 'noch warm' ist", schwärmt Tilman Spreckelsen in der FAZ. Ein Buch, nicht darauf angelegt, "es jedem recht zu machen - nur Kindern", so zitiert die WELT Maurice Sendak, der mehr als 100 Bücher gezeichnet und getextet hat, die amerikanische Sesame Street mitgestaltete, lange, bevor sie als Sesamstraße nach Deutschland fand, und der so leidenschaftlich gerne am Papier von druckfrischen Büchern riecht.

Genauso wie der Autor der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, Andrian Kreye, der Sendak in Amerika besucht hat. Und während sich der Journalist ertappt fühlte, weil er in einem unbeobachteten Moment in der Bibliothek des Autors buchstäblich herumschnupperte, meinte Sendak fröhlich:

""Das freut mich ja!... Ich dachte immer, ich sei der einzige, der so was macht."

Maurice Sendak wird 80. Glückwunsch!