Von Ulrike Timm

Zwei Themen beherrschen die Feuilletons: Das drohende Ende beziehungsweise der Weiterbetrieb des Berliner Aufbau-Verlages und der Tod des Modeschöpfers Yves Saint Laurent.
"Der Aufbau-Verlag ist nicht tot" beginnt die BERLINER ZEITUNG ihren entsprechenden Artikel, "Das alles darf nicht sterben", so endet Tilman Krause den seinen in der WELT, nachdem er die Verdienste von Aufbau gewürdigt hat. So schreibt man, wenn man sich große Sorgen macht. Und die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG macht ihre Einschätzung der Lage beim renommiertesten Verlag, der aus DDR-Zeiten noch übrig geblieben ist, an einem Bild fest. Bei der Pressekonferenz zur verfahrenen Situation bei Aufbau "fällt polternd ein Buch vom obersten Regal der Bücherwand ... Es ist, wie sich später herausstellt, ein Band mit klassischen Balladen."

Wobei alle Untergangsszenarien erst einmal den Zweck haben, mitzuteilen: Aufbau macht doch weiter. Also erstmal durchatmen. Kern des Konflikts, der den Verlag Brechts, Feuchtwangers, Arnold Zweigs und Anna Seghers in die Pleite führte: Verleger Bernd Lunkewitz, seit 17 Jahren die vielleicht schillerndste Figur in Deutschlands Buchhändler- und Verlegerszene, mag kein Geld mehr in den bisher von ihm großzügig unterstützten Verlag stecken. Vielmehr fordert er Geld zurück, nach Angaben von Geschäftsführer René Strien sind es 48 Millionen.

Dahinter steckt ein verzwickter juristischer Streit, der unendlich schwierig aufzudröseln ist, aber jetzt auf dem Rücken der Mitarbeiter ausgetragen zu werden scheint. Darüber empört sich die WELT. Lunkewitz ließe seine Mitarbeiter von jetzt auf gleich schnöde im Stich, der Überschrift "Der Verleger ein Verräter?" folgt ein Artikel, dem das Fragezeichen eigentlich schon wieder fehlt.

"Neuer reicher Verleger gesucht", schallt es aus BERLNER und SÜDDEUTSCHER ZEITUNG, die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG sieht auf das Verlagsdilemma bei Aufbau mit schweizerischem Abstand. Am Wochenende habe man ja schon Nachrufe lesen können, aber vorerst sei es glücklicherweise eben doch noch lange nicht so weit.

"Vielleicht werden wir statt mit einer Leiche demnächst sogar mit Zwillingen konfrontiert werden, die, mit dem halbierten Erbgut ihres Vorgängers ausgerüstet, nun darum streiten, wer von ihnen 'Aufbau' heißen darf. Vorerst scheint nur klar: Bernd F. Lunkewitz, einst Maoist, dann Selfmademan im Immobilienhandel, Gesellschafter und Sponsor des Aufbau-Verlages aus Passion, liegt mit der Geschäftsführung und den Mitarbeitern des Verlags im Clinch."

Und damit zum Wahren, Guten und Schönen? Und Traurigem, möchte man ergänzen. "Er war der kleine Prinz der Mode" titelte "La Parisien" zum Tod des Coutiers Yves Saint Laurent, die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG nimmt diesen Tonfall auf und überschreibt ihren Nachruf mit:

"Der Mann, der die Frauen liebte". "

"Weil er keine begehrte", fügt Gerd Kroencke hinzu, sei Yves Saint Laurent einer der größten Modeschöpfer des vergangenen Jahrhunderts. "Nichts kleide die Frauen besser als die Arme des Mannes, der sie liebt, 'für die, die nicht dieses Glück haben, bin ich da'", so liest sich das Credo des Meisters, und man denkt sich: sehr französisch und sehr weit weg. Die Modelle, die die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG genussvoll ins Bild rückt, möchte Frau jedoch sofort haben - wenn sie sie auch meist nicht bezahlen kann.

"Mit der Mode gegangen ist Saint Laurent nie", bemerkt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG, und entwirft das Bild eines zeitlosen Klassikers, der sich bei seinen Kreationen gern von Künstlern inspirieren ließ, "von Delacroix, Goya, Matisse, Picasso ... .und natürlich von Proust." Was für eine Liste! "A la recherche du temps perdu" - auf der Suche nach der verlorenen Zeit - "könnte sogar das Motto der späteren Lebensjahre lauten", meint die NZZ. Und mit Blick auf die bekannte Schwermut des Modeschöpfers, der berühmt für die Farbgebung seiner Kreationen war, heißt es:

""Am Ende siegte Schwarz über Rosa."

Das eigene Leben scheint Yves Saint Laurent, der jetzt mit 71 Jahren in Paris verstarb, in den letzten Jahren so leblos vorgekommen zu sein, dass der Tod kaum mehr etwas nehmen konnte. Und doch zitiert die NZZ ihn mit einem Satz, der nicht nur Schwermut, sondern auch einen Schuss Ironie enthält. So sagte Yves Saint Laurent:

"Ich fürchte den Tod nicht, ich weiß, dass er jeden Moment kommen kann, ... aber ... ich habe nicht das Gefühl, dass er mein Leben durcheinanderbringen würde."