Von Ulrike Timm
Zum hundertsten Geburtstag des brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer gratulieren alle Feuilletons. "Frankfurter Allgemeine Zeitung" und "Frankfurter Rundschau" sehen sich die gefälschten Terrakotta-Krieger im Hamburger Völkerkundemuseum an. Wie die Digitaltechnik die Rezeption klassischer Musik verändert, beschreibt Reinhard J. Brembeck in der "Süddeutschen Zeitung".
Ob man in Hamburg chinesische Terrakotta-Krieger künftig für deutlich weniger Geld zu sehen kriegt? Darüber wird nachgedacht, meldet die FRANKFURTER RUNDSCHAU. Zwar kann kein Laie einen echten Terrakotta-Krieger von einem bloß echt gut gefälschten Terrakotta-Krieger unterscheiden, aber dass die im Hamburger Völkerkundemuseum ziemlich taufrisch sind statt altehrwürdig, hat sich mittlerweile herumgesprochen.
"Alle Welt ist empört über das Leipziger Event-Unternehmen CCAC, das den Kuratoren Kopien der zweitausendjährigen Figuren als Originale andrehte. Dabei sind beide Seiten doch nur übers Ziel hinausgeschossene Handlanger eines Trends: Ausstellungen müssen heute Events sein, müssen Besucherrekorde brechen und Umsatzexplosionen in den Museumsshops verzeichnen."
Für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ist der Hamburger Skandal Konsequenz einer Haltung, die nicht mehr betrachten und studieren, sondern nur noch erleben will. Heute, wo man alles verkaufen müsse und es nur noch aufs Event ankomme, seien Museen eben auch eine "Scherbengemeinschaft" - und so ein Reinfall einfach mal dran. Und der Sprecher der Leipziger Eventagentur, die den Schlamassel heraufbeschwor, sei nicht "nur ein Sprachgenie, sondern auch das Sprachrohr der neuen Ausstellungspraxis, wenn er sagt, man habe ’authentische Scherbenfiguren aus Originalmaterial’ geliefert"."
Ganz echt, ganz gut ist die Qualität von Tönen, die aus dem Internet kommen, nicht, aber wenigstens weiß das fast jeder. Reinhard J. Brembeck beschreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, wie die Digitaltechnik die Rezeption klassischer Musik von Grund auf verändert. Und höre da - die Klassikindustrie, die die Möglichkeit des Downloadens anfangs gefürchtet hat wie der Teufel das Weihwasser, macht jetzt auch ein Geschäft daraus. Weiteres Beispiel für die Popularisierung von klassischer Musik: die Fernseh- und Kinoübertragungen großer Opernereignisse. Plötzlich "gingen" 325.000 Menschen in die Met: via Großleinwand, auf der ganzen Welt.
""Das war eine Sensation. So konnte sich jeder freuen oder ärgern, dass er mit dabei sein musste oder durfte. Da leistete das Fernsehen an Information mehr, als alle Kritiker und Berichte bieten konnten."
Und: "Nicht als Anreiz für die Oper, sondern als Anreiz zur Oper."
Vor allem aber - das fügen wir hinzu mit Blick auf eventgezimmerte Pseudochinesenkrieger - irgendwo hat da auch jemand gesungen, ganz real, in echt.
"Man will so altern wie er"," schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Alle Feuilletons gratulieren dem brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer zum hundertsten Geburtstag.
""Seine Welt ist rund"," titelt der TAGESSPIEGEL. ""Er ist der einzige Architekt, von dem gleich ein ganzes Stadtensemble - Brasilia - zum Weltkulturerbe zählt. Und wenn man den bekennenden Kommunisten nach seinen architektonischen Einflüssen fragt, dann spricht Niemeyer über die wunderbaren Rundungen der Frauen von Rio de Janeiro, seiner Heimatstadt."
So viel Schwung, Zukunftssehnsucht und Aufbruch muss man in der aktuellen Architektur erst mal finden, meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE und bilanziert:
"Zum angestrengt strammstehenden Rationalismus des mitteldeutschen Bauhauses verhalten sich Niemeyers Schwungskulpturen wie sehr elegante Nierentische zu alten Umzugskartons."
Und listig fügt Niklas Maak hinzu, eigentlich sei Niemeyers Baukunst doch etwas für all diejenigen, die sich immerfort nach alten Zeiten sehnten:
"Schließlich ist er der einzige lebende Architekt, der schon zeichnen konnte, als Wilhelm II. noch Kaiser war."
"Was wirklich zählt, sind das Leben und die Freunde und diese ungerechte Welt, die wir ändern müssen", lautet die Maxime an der Wand von Niemeyers Büro, in dem er auch an seinem hundertsten Geburtstag ein paar Stunden zeichnen wird. Brasiliens Präsident Lula wollte Oscar Niemeyer eigentlich einen Verdienstorden überreichen, mit Ehrengästen und Festreden und allem drum und dran. Kein Interesse, ließ Niemeyer verlauten, il presidente solle die Trophäe doch bitte in seinem Büro abgeben. Und? Hat il presidente brav gemacht.
"Alle Welt ist empört über das Leipziger Event-Unternehmen CCAC, das den Kuratoren Kopien der zweitausendjährigen Figuren als Originale andrehte. Dabei sind beide Seiten doch nur übers Ziel hinausgeschossene Handlanger eines Trends: Ausstellungen müssen heute Events sein, müssen Besucherrekorde brechen und Umsatzexplosionen in den Museumsshops verzeichnen."
Für die FRANKFURTER ALLGEMEINE ist der Hamburger Skandal Konsequenz einer Haltung, die nicht mehr betrachten und studieren, sondern nur noch erleben will. Heute, wo man alles verkaufen müsse und es nur noch aufs Event ankomme, seien Museen eben auch eine "Scherbengemeinschaft" - und so ein Reinfall einfach mal dran. Und der Sprecher der Leipziger Eventagentur, die den Schlamassel heraufbeschwor, sei nicht "nur ein Sprachgenie, sondern auch das Sprachrohr der neuen Ausstellungspraxis, wenn er sagt, man habe ’authentische Scherbenfiguren aus Originalmaterial’ geliefert"."
Ganz echt, ganz gut ist die Qualität von Tönen, die aus dem Internet kommen, nicht, aber wenigstens weiß das fast jeder. Reinhard J. Brembeck beschreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, wie die Digitaltechnik die Rezeption klassischer Musik von Grund auf verändert. Und höre da - die Klassikindustrie, die die Möglichkeit des Downloadens anfangs gefürchtet hat wie der Teufel das Weihwasser, macht jetzt auch ein Geschäft daraus. Weiteres Beispiel für die Popularisierung von klassischer Musik: die Fernseh- und Kinoübertragungen großer Opernereignisse. Plötzlich "gingen" 325.000 Menschen in die Met: via Großleinwand, auf der ganzen Welt.
""Das war eine Sensation. So konnte sich jeder freuen oder ärgern, dass er mit dabei sein musste oder durfte. Da leistete das Fernsehen an Information mehr, als alle Kritiker und Berichte bieten konnten."
Und: "Nicht als Anreiz für die Oper, sondern als Anreiz zur Oper."
Vor allem aber - das fügen wir hinzu mit Blick auf eventgezimmerte Pseudochinesenkrieger - irgendwo hat da auch jemand gesungen, ganz real, in echt.
"Man will so altern wie er"," schreibt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Alle Feuilletons gratulieren dem brasilianischen Architekten Oscar Niemeyer zum hundertsten Geburtstag.
""Seine Welt ist rund"," titelt der TAGESSPIEGEL. ""Er ist der einzige Architekt, von dem gleich ein ganzes Stadtensemble - Brasilia - zum Weltkulturerbe zählt. Und wenn man den bekennenden Kommunisten nach seinen architektonischen Einflüssen fragt, dann spricht Niemeyer über die wunderbaren Rundungen der Frauen von Rio de Janeiro, seiner Heimatstadt."
So viel Schwung, Zukunftssehnsucht und Aufbruch muss man in der aktuellen Architektur erst mal finden, meint die FRANKFURTER ALLGEMEINE und bilanziert:
"Zum angestrengt strammstehenden Rationalismus des mitteldeutschen Bauhauses verhalten sich Niemeyers Schwungskulpturen wie sehr elegante Nierentische zu alten Umzugskartons."
Und listig fügt Niklas Maak hinzu, eigentlich sei Niemeyers Baukunst doch etwas für all diejenigen, die sich immerfort nach alten Zeiten sehnten:
"Schließlich ist er der einzige lebende Architekt, der schon zeichnen konnte, als Wilhelm II. noch Kaiser war."
"Was wirklich zählt, sind das Leben und die Freunde und diese ungerechte Welt, die wir ändern müssen", lautet die Maxime an der Wand von Niemeyers Büro, in dem er auch an seinem hundertsten Geburtstag ein paar Stunden zeichnen wird. Brasiliens Präsident Lula wollte Oscar Niemeyer eigentlich einen Verdienstorden überreichen, mit Ehrengästen und Festreden und allem drum und dran. Kein Interesse, ließ Niemeyer verlauten, il presidente solle die Trophäe doch bitte in seinem Büro abgeben. Und? Hat il presidente brav gemacht.