Von Ulrike Timm

Die „FAZ“ nennt den verstorbenen Komponisten Karlheinz Stockhausen „einen seltsamen Heiligen in Turnschuhen“, Claus Kleber hat sich immer noch nicht zu seinem zugedachten Posten geäußert und die Klimakatastrophe, so stellt es die „taz“ fest, wird immer mehr zur allgemein gültigen Sündenparabel.
„Ich hörte immer mehr in mich hinein, statt nach draußen. Nicht das Ordnen und Verändern von Gefundenem beschäftigte mich, sondern das Erfinden von Neuem. Erfinden und Erstaunen vor dem Unerhörten: vom einzelnen Ton bis zur Form. Wundern. Mitteilen.“

So zitiert der TAGESSPIEGEL den am Mittwoch im Alter von 79 Jahren verstorbenen Komponisten Karlheinz Stockhausen, und dieses Drei-Zeilen-Zitat ist zugleich die einfachste, genaueste und klarste Beschreibung seiner Kunst, die sich finden lässt. Stockhausen ist selbst denjenigen ein Begriff für Neue Musik, die nie einen Ton von ihm gehört haben und ihn bestenfalls als psychedelische Ikone auf dem „Sgt. Pepper“ Album der Beatles kennen. Auch die Techno-Jünger berufen sich auf Stockhausen – was diesen übrigens wunderte – „Papa Techno“, so titelt Eleonore Büning tatsächlich in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.

Stockhausen, der in den 50er Jahren gemeinsam mit Pierre Boulez und Luigi Nono das künstlerische Dreigestirn der Elektronischen Musik bildete, ist der FAZ dann glücklicherweise doch nicht nur Papa Techno, sondern der „eigensinnigste Einzelgänger und zugleich der größte Erfindergeist“ des 20. Jahrhunderts. Karlheinz Stockhausen, der sich seit den 1970ern immer mehr in seine intergalaktischen Sternenträume zurückzog, ja auch sich dahinein verbarrikadierte, war – so die FAZ:

„Ein seltsamer Heiliger in weißen Turnschuhen, der in all seiner Weltferne (Stockhausen las nie Zeitung und besaß keinen Fernseher) und in seiner naiven Gedankenschärfe dann doch gelegentlich ins Weltgeschehen eingriff und für schrille Überraschungen sorgte, etwa, als er den Anschlag auf die Twin Towers in New York das ‚größte Kunstwerk Luzifers’ nannte.“

Wundern. Mitteilen…Karlheinz Stockhausen war ein Mann zwischen den Welten, vor allem aber die tonangebende Gestalt der Neuen Musik.

Und damit – pardon, weil sich Medien ja so gerne selbst bespiegeln – zur deutlich kleineren Personalie. Mit dem Zweiten fährt man besser, scheint man sich beim „Spiegel“ nach turbulenten Wochen zu denken und setzt auf den Mann vom ZDF- ‚heute journal’, Claus Kleber. Wenn der will, kann er Chefredakteur des immer noch größten deutschen Nachrichtenmagazins werden und es dann, hoffentlich, wieder auf Vordermann bringen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE äußert ihr und unser aller Interesse „an einem starken „Spiegel“, an einem Magazin, das wirkungsvoll ist, das dem Diktum des Gründers Rudolf Augstein entspricht, ein ‚Sturmgeschütz der Demokratie’ darstellt und keine Gulaschkanone“, und wohl nicht nur Michael Hanfeld wünschte sich von Claus Kleber: „..für eines sollte er vor allem sorgen: dass es im „Spiegel“ wieder Leitartikel und Kommentare gibt, die als solche zu erkennen sind.“ DIE WELT schreibt vorwitzig: „Der ‚Spiegel‘-Chef ist gefunden. Gesucht wird ein Leiter und Moderator des ‚heute-journal’.“ Übrigens, Claus Kleber selbst hat noch gar nix gesagt…

Aber die Gesellschaft für deutsche Sprache hat gesprochen und ‚Klimakatastrophe’ zum Wort des Jahres erklärt, die taz hält das für einen „langweiligen Sieger“. Bei dieser „verbalen Leitfossilie“ starte jedenfalls nicht das große Kino im Kopf. Das braucht es aber wohl, wenn man, wie derzeit auf Bali, noch verhindern will, dass aus der Klimakatastrophe Wirklichkeit wird, oder wenigstens – da ist man ja bescheiden – nicht allzu sehr. In einem Essay der Süddeutschen Zeitung beleuchtet Jean-Michel Berg, wie der Treibhausgasausstoß mehr und mehr zur Sündenparabel taugt, kaum eine Lebensäußerung, die nicht CO2 relevant ist, und was man macht, macht man verkehrt.

„Die CO2isierung trifft den Menschen in seiner Existenz. Lebensbereiche wie Wohnen und Mobilität sind kritisch geworden…Auch eine Scheidung muss man fortan nicht nur vor Gott, sondern ebenso vor dem Klima verantworten, denn Ehehaushalte sind ökologischer als die von Singles….Überspitzt ließe sich sagen: Laufen ist schädlicher als Gehen, Sitzen besser als Stehen, oder mit den Worten des Dramatikers Tankred Dorst: ‚Wer lebt, stört’“

Wir unterstellen dem Kollegen der Süddeutschen trotzdem, dass er erleichtert wäre, sollte aus den Geschäftigkeiten von Bali doch noch etwas Brauchbares und Hoffnungsfrohes herauskommen…

45 Millionen Euro sind Peanuts für das Klima. Aber ein sehr voller Jackpot…Und die 1:140-Millionen-Chance sorgte in dieser Woche für Trubel bei den Lottostellen. The winner is…."BILD, Thüringen und Tipp 24“, und die Süddeutsche tröstet diejenigen, die leer ausgegangen sind: „Ist der Jackpot geknackt, beginnt die Mythologie des Unglücks.…Plötzlich erinnert sich jeder an irgendeine Studie, in der das Leben von Lotto-Millionären untersucht und herausgefunden wurde, dass sie unter der Wucht des glücklichen Schicksals zerbrachen.“

Zudem genieße der „Glückspilz“ laut Grimmschem Wörterbuch bis ins mittlere 19. Jahrhundert hinein den Ruf eines Emporkömmlings und Parvenüs. Ist das nun ein Trost?

Tröstlich aber ist, dass man im Erfurter Landtag, Klimakatastrophe hin, Klimakatastrophe her, noch an den Schnee glaubt und in einer Ausstellung die 1000-jährige Kulturgeschichte des Schlittens beleuchtet. Als sinniges Präludium zur 40. Rennrodel-Weltmeisterschaft, die im Januar in Oberhof glatt über die Bühne gehen soll…."Astschleife, Käsehitsche, Rennrodel“, alles Worte für Schlitten, meldet die WELT, und würdigt ihn als „Lastentransportmittel, Feldarbeitsgerät und winterliches Touristenvehikel, vor allem aber als Sportflitzer.“ Beim Schlittenfahren kommt man ins Gleiten und Träumen, eine Fortbewegungsart, „die nicht mehr ganz bodenverhaftet ist und noch nicht ganz dem Fliegen zugehört.“ Fehlt nur noch der Schnee. Aber wie hieß noch eisbärkalt Platz 10 in der Hitliste der Wörter des Jahres?: „Alles wird Knut"….