Von Ulrike Timm
Der Oscar für "Das Leben der Anderen" beschäftigte die Feuilletons die Woche über in vielfältiger Weise. Außerdem: Die Debatte um die Begnadigung des Ex-Terroristen Christian Klar sowie der Tod des Kunstsammlers Heinz Berggruen.
"Die Pläne der Anderen – diese Verballhornung des Filmtitels hat einen Grund: Sydney Pollack plant angeblich ein Remake von ‚Das Leben der Anderen’" meldet die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG, der Stoff solle noch einmal auf Englisch gedreht werden, damit er ein viel größeres Publikum erreichen könne. Die Pläne von Florian Henckel von Donnersmarck gehen eher Richtung Erotikthriller. Aber vielleicht war das auch dem ersten Oscarschwips geschuldet. So redete der Regisseur auch von der schönen goldenen Statue als Phallus und von Bayern als einem sehr besonderen Land:
"Ohne Bayern hätte ich diesen Film nicht machen können. Die Bayern haben irgendwie ein besseres Verständnis für Größenwahnsinnige als Leute in anderen Bundesländern"."
Nun, da müssen wir ja auch nicht widersprechen. Der Oscar für "Das Leben der Anderen" – das beschäftigte die Feuilletons die Woche über in vielfältiger Weise. Bei aller Anerkennung war da manchmal auch ein Schuss Ironie im Spiel.
""Ein grandioser Filmstoff: Schlesischer Junkerspross beamt die Stasi auf die Leinwand und feiert Triumphe in Hollywood. Eine Blitzkarriere: Noch vor einem Jahr war er ein Nobody, jetzt ist er everybody’s darling… Der Kulturstaatsminister feiert ‚Das Leben der Anderen’ als Meisterwerk, und Guido Westerwelle ruft: ‚Wir sind Oscar!’, "
so der Berliner TAGESSPIEGEL, und weiter:
""Wahnsinn! Wir sind Papst, Handball-Weltmeister und Oscar-Gewinner – nur bei der Fußball-WM ging was daneben."
Kurzum: "Die Götter müssen beglückt sein." Bevor sich nun Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck endgültig zum Götterliebling kürt oder von anderen dazu gekürt wird, noch kurz ein Blick ins Filmland USA, wo der Regisseur künftig gerne einmal drehen möchte und wohin Jan Schulz Ojala in der Sonntagsausgabe des TAGESSPIEGELs "Das Prinzip Heilung" ausgemacht hat. Wir lernen dabei gleich ein neues Wort: "Cinema Therapy" – Kino-Therapie. Laut Tagesspiegel, der in den neuesten Hollywood Filmen eine Sehnsucht nach dem guten, integren, heilen Amerika ausgemacht haben will, geht das so:
"Mit filmischen Mitteln wollen sie – die Regisseure - zur Heilung einer tief verwundeten Nation beitragen – gerade so, als ließe sich die ‚cinema therapy’, ein in Amerika sprießender Nebenzweig der Psychotherapie, auch auf die Linderung kollektiver Traumata anwenden."
Von Hollywood zu den Auseinandersetzungen um die eventuelle Begnadigung Christian Klars und die Kapitalismuskritik des im Gefängnis sitzenden RAF Terroristen finden wir keine wirkliche Brücke, also wollen wir auch keine konstruieren. "Nach 30 Jahren produziert man wieder ohne Not Terror-Sympathisanten" meint Harald Jähner in der BERLINER ZEITUNG, weil nun anstehende Hafterleichterungen aufgehoben werden und von einigen CDU-Politikern auch gleich der Abgang Claus Peymanns als Intendant des Berliner Ensembles gefordert wird. Peymann hatte schon längere Zeit einen Praktikantenplatz für Klar an seinem Theater angeboten, wenn er frei käme, und auch Klars antikapitalistisches Statement verteidigt, unter anderem mit dem Satz, "das kapitalistische System von Korruption und Verantwortungslosigkeit sei nicht der Weisheit letzter Schluss." Nun ist Kritik am Kapitalismus kein Straftatbestand, und insofern wundert sich wohl nicht nur die FRANKFURTER RUNDSCHAU:
"Warum sollen Peymann solche Sätze nicht erlaubt sein? Dass sowohl die Berliner als auch die Bundes-CDU auf Peymanns Äußerungen anspringen, als sei wieder einmal die FDGO bedroht, macht das ganze vollkommen zu dem Spiel, das die Debatte um die Begnadigung Klars schon länger ist: die Wiederholung der Wiederholung der Auseinandersetzung von einst. Klärendes, Heilendes, Zukunftsweisendes ist da jedenfalls nicht zu erkennen. Jetzt werden die Opfer des Terrorismus schon deswegen beleidigt, weil man einem vielleicht Begnadigten einen Praktikumsplatz anbietet."
Soweit die Frankfurter Rundschau.
Und damit zu einem ganz Großen, der am vergangenen Wochenende in Paris starb und am Freitag in Berlin beerdigt wurde. Alle Feuilletons würdigen ausführlich und teilweise mehrfach das Leben und Wirken des Kunstsammlers Heinz Berggruen. Einen besonders anrührenden Nachruf hat ihm Florian Illies in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG gewidmet:
"An jenem Morgen, an dem Heinz Berggruen … starb, wurden in seiner Wohnung in Paris gerade frisch gedruckte Visitenkarten angeliefert. … In der ‚Paris Bar’ in Berlin war für nächste Woche auf seinen Namen noch zweimal ein Tisch reserviert. Auch ein Testament hat der 93-Jährige nicht gemacht. Er wollte, so scheint es, dieses wunderbare Leben immer weiter leben."
Der Kunstsammler Heinz Berggruen war 1936 vor den Nazis aus Berlin in die USA geflohen, lebte lange in Paris, kehrte 1996 nach Berlin zurück und überließ der Stadt seine einzigartige Sammlung von Werken der klassischen Moderne für einen symbolischen Preis. Heinz Berggruen, ein leiser, freundlicher, in seine Bilder verliebter Mensch, der, so die FAZ,
"auf so seltene Weise französische Eleganz und Nonchalance mit amerikanischem Optimismus und Berliner Witz zu paaren verstand, stirbt also tatsächlich im Amerikanischen Krankenhaus in Paris und wird dann in Berlin beerdigt. In dieser Biographie saßen bis zum Schluss die Pointen so präzise wie in seinen Texten."
Heinz Berggruen vermochte Begeisterung für Kunst zu wecken, weil er selbst von Begeisterung getragen war, und hat "die Stadt und das Land beschenkt – allein mit der Entscheidung, seine Sammlung nach Berlin zu geben… das ist tatsächlich eine der großen Versöhnungsgesten des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen". Berggruen hatte seine Berliner Wohnung im Stühler-Bau, direkt über seinen Bildern, damit er, wie er einmal erzählte, den Werken immer Guten Morgen wünschen konnte und eine Gute Nacht. Und manchmal stellte sich Heinz Berggruen leise und unerkannt neben einen Besucher und sprach mit ihm über ein Picasso-Bild. Wenn der Besucher etwa sagte, er fände das Gemälde wunderschön, sagte Berggruen still: "Ich auch." Zum Berliner Stüler-Bau hat Berggruen übrigens nie einen Schlüssel besessen. Er klingelte, und ein Wärter ließ ihn ein…
Michael Naumann hat in seiner Trauerrede aus dem Leben und der Sammlung Heinz Berggruens noch einen weiteren Erziehungsauftrag herausgelesen. Nämlich: "Die stille Aufforderung, das in der Kunst zu suchen, was wir heute ganz dringend benötigen: Trost."
Der Kunstsammler und Mäzen Heinz Berggrün wurde 93 Jahre alt.
Danke. Und Adieu…
"Ohne Bayern hätte ich diesen Film nicht machen können. Die Bayern haben irgendwie ein besseres Verständnis für Größenwahnsinnige als Leute in anderen Bundesländern"."
Nun, da müssen wir ja auch nicht widersprechen. Der Oscar für "Das Leben der Anderen" – das beschäftigte die Feuilletons die Woche über in vielfältiger Weise. Bei aller Anerkennung war da manchmal auch ein Schuss Ironie im Spiel.
""Ein grandioser Filmstoff: Schlesischer Junkerspross beamt die Stasi auf die Leinwand und feiert Triumphe in Hollywood. Eine Blitzkarriere: Noch vor einem Jahr war er ein Nobody, jetzt ist er everybody’s darling… Der Kulturstaatsminister feiert ‚Das Leben der Anderen’ als Meisterwerk, und Guido Westerwelle ruft: ‚Wir sind Oscar!’, "
so der Berliner TAGESSPIEGEL, und weiter:
""Wahnsinn! Wir sind Papst, Handball-Weltmeister und Oscar-Gewinner – nur bei der Fußball-WM ging was daneben."
Kurzum: "Die Götter müssen beglückt sein." Bevor sich nun Regisseur Florian Henckel von Donnersmarck endgültig zum Götterliebling kürt oder von anderen dazu gekürt wird, noch kurz ein Blick ins Filmland USA, wo der Regisseur künftig gerne einmal drehen möchte und wohin Jan Schulz Ojala in der Sonntagsausgabe des TAGESSPIEGELs "Das Prinzip Heilung" ausgemacht hat. Wir lernen dabei gleich ein neues Wort: "Cinema Therapy" – Kino-Therapie. Laut Tagesspiegel, der in den neuesten Hollywood Filmen eine Sehnsucht nach dem guten, integren, heilen Amerika ausgemacht haben will, geht das so:
"Mit filmischen Mitteln wollen sie – die Regisseure - zur Heilung einer tief verwundeten Nation beitragen – gerade so, als ließe sich die ‚cinema therapy’, ein in Amerika sprießender Nebenzweig der Psychotherapie, auch auf die Linderung kollektiver Traumata anwenden."
Von Hollywood zu den Auseinandersetzungen um die eventuelle Begnadigung Christian Klars und die Kapitalismuskritik des im Gefängnis sitzenden RAF Terroristen finden wir keine wirkliche Brücke, also wollen wir auch keine konstruieren. "Nach 30 Jahren produziert man wieder ohne Not Terror-Sympathisanten" meint Harald Jähner in der BERLINER ZEITUNG, weil nun anstehende Hafterleichterungen aufgehoben werden und von einigen CDU-Politikern auch gleich der Abgang Claus Peymanns als Intendant des Berliner Ensembles gefordert wird. Peymann hatte schon längere Zeit einen Praktikantenplatz für Klar an seinem Theater angeboten, wenn er frei käme, und auch Klars antikapitalistisches Statement verteidigt, unter anderem mit dem Satz, "das kapitalistische System von Korruption und Verantwortungslosigkeit sei nicht der Weisheit letzter Schluss." Nun ist Kritik am Kapitalismus kein Straftatbestand, und insofern wundert sich wohl nicht nur die FRANKFURTER RUNDSCHAU:
"Warum sollen Peymann solche Sätze nicht erlaubt sein? Dass sowohl die Berliner als auch die Bundes-CDU auf Peymanns Äußerungen anspringen, als sei wieder einmal die FDGO bedroht, macht das ganze vollkommen zu dem Spiel, das die Debatte um die Begnadigung Klars schon länger ist: die Wiederholung der Wiederholung der Auseinandersetzung von einst. Klärendes, Heilendes, Zukunftsweisendes ist da jedenfalls nicht zu erkennen. Jetzt werden die Opfer des Terrorismus schon deswegen beleidigt, weil man einem vielleicht Begnadigten einen Praktikumsplatz anbietet."
Soweit die Frankfurter Rundschau.
Und damit zu einem ganz Großen, der am vergangenen Wochenende in Paris starb und am Freitag in Berlin beerdigt wurde. Alle Feuilletons würdigen ausführlich und teilweise mehrfach das Leben und Wirken des Kunstsammlers Heinz Berggruen. Einen besonders anrührenden Nachruf hat ihm Florian Illies in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG gewidmet:
"An jenem Morgen, an dem Heinz Berggruen … starb, wurden in seiner Wohnung in Paris gerade frisch gedruckte Visitenkarten angeliefert. … In der ‚Paris Bar’ in Berlin war für nächste Woche auf seinen Namen noch zweimal ein Tisch reserviert. Auch ein Testament hat der 93-Jährige nicht gemacht. Er wollte, so scheint es, dieses wunderbare Leben immer weiter leben."
Der Kunstsammler Heinz Berggruen war 1936 vor den Nazis aus Berlin in die USA geflohen, lebte lange in Paris, kehrte 1996 nach Berlin zurück und überließ der Stadt seine einzigartige Sammlung von Werken der klassischen Moderne für einen symbolischen Preis. Heinz Berggruen, ein leiser, freundlicher, in seine Bilder verliebter Mensch, der, so die FAZ,
"auf so seltene Weise französische Eleganz und Nonchalance mit amerikanischem Optimismus und Berliner Witz zu paaren verstand, stirbt also tatsächlich im Amerikanischen Krankenhaus in Paris und wird dann in Berlin beerdigt. In dieser Biographie saßen bis zum Schluss die Pointen so präzise wie in seinen Texten."
Heinz Berggruen vermochte Begeisterung für Kunst zu wecken, weil er selbst von Begeisterung getragen war, und hat "die Stadt und das Land beschenkt – allein mit der Entscheidung, seine Sammlung nach Berlin zu geben… das ist tatsächlich eine der großen Versöhnungsgesten des zwanzigsten Jahrhunderts gewesen". Berggruen hatte seine Berliner Wohnung im Stühler-Bau, direkt über seinen Bildern, damit er, wie er einmal erzählte, den Werken immer Guten Morgen wünschen konnte und eine Gute Nacht. Und manchmal stellte sich Heinz Berggruen leise und unerkannt neben einen Besucher und sprach mit ihm über ein Picasso-Bild. Wenn der Besucher etwa sagte, er fände das Gemälde wunderschön, sagte Berggruen still: "Ich auch." Zum Berliner Stüler-Bau hat Berggruen übrigens nie einen Schlüssel besessen. Er klingelte, und ein Wärter ließ ihn ein…
Michael Naumann hat in seiner Trauerrede aus dem Leben und der Sammlung Heinz Berggruens noch einen weiteren Erziehungsauftrag herausgelesen. Nämlich: "Die stille Aufforderung, das in der Kunst zu suchen, was wir heute ganz dringend benötigen: Trost."
Der Kunstsammler und Mäzen Heinz Berggrün wurde 93 Jahre alt.
Danke. Und Adieu…