Von Ulrike Timm

Die Schauspielerin Judi Dench gibt ein schlagfertiges Interview in der "Zeit". Marcel Reich-Ranicki freut sich in der "Welt" über die Verleihung der Ehrendoktorwürde der Berliner Humboldt-Universität. Über die "Frankfurter Poetikvorlesung" des Schweizer Schriftstellers Urs Widmer berichten "FAZ" und "SZ".
"Mrs. Dench, laut einer Umfrage sind Sie beliebter als die Queen. Manche halten Sie sogar für Englands wahre Königin", so beginnt das Interview in der ZEIT, und Judi Dench kontert:

"Für diese Bemerkung würden Ihnen manche Briten den Kopf abschlagen."

Das fängt ja gut an. Und bleibt so – das Gespräch mit Judi Dench ist das uneitelste, schlagfertigste und gewitzteste Schauspieler-Interview seit langem. Katja Nicodemus hat Judi Dench gesprochen, deren neuester Film "Tagebuch eines Skandals" auf der Berlinale läuft – aber viel lieber erzählt die Oscar-Preisträgerin über den Reiz, die Geheimdienstchefin M in den James Bond-Filmen zu spielen. Die Macht zu haben, den größten Macho der Filmgeschichte herumzukommandieren - da muss sich selbst Shakespeare anstrengen, um mitzuhalten. Aber vielleicht, hofft Dench, findet der eine oder andere der Jungs zwischen neun und vierzehn, die zu ihren größten Fans zählen, seit sie bei James Bond mitspielt, auch mal in eine Shakespeare-Aufführung.

In der WELT freut sich Marcel Reich-Ranicki über die Genugtuung, die Ehrendoktorwürde der Berliner Humboldt-Universität zu erhalten – 1938 hatte man ihn dort abgewiesen, weil er Jude ist. Die Humboldt-Uni ist mit dieser Ehrung spät dran, acht Ehrendoktorwürden hat er schon, darunter sechs deutsche; MRR wäre nicht MRR, wenn er das bei Autor Uwe Wittstock in der WELT nicht auch schnurstracks anbringen würde. Und doch bringt man für die Eitelkeit des Literaturkritikers Reich-Ranicki wie für seine kindliche Freude über jede Art von offizieller Dekoration Verständnis auf, wenn man sich klar macht, dass dieser Kenner und Liebhaber der deutschen Literatur sich letztlich alles im Selbststudium angeeignet hat. Wenn er an der Humboldt-Uni ein Seminar zu halten hätte, würde Marcel Reich-Ranicki über "die Rolle der Juden in der deutschen Literatur" reden, "und über Glanz und Elend der Kritik in der Geschichte der deutschen Literatur seit Lessing".

Der Schweizer Schriftsteller Urs Widmer hielt gerade Vorlesungen, die "Frankfurter Poetikvorlesungen" nämlich. Das berichten SÜDDEUTSCHE und FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.

"’Vom Leben, vom Tod und vom Übrigen auch dies und das’ hatte er seine Reihe überschrieben, eine widmertypische Mischung aus charmantem Hochstaplertum und helvetischem Understatement!"

Gleich zwei Hörsäle platzten aus allen Nähten, der größte der Uni wie ein zweiter, in den Urs Widmers sehr spezieller Unterricht übertragen wurde.

Weder Judi Dench noch Marcel Reich-Ranicki noch Urs Widmer werden unserer Kenntnis nach morgen Abend den Wiener Opernball besuchen, die bedeutendste Inszenierung der Wiener Staatsoper alle Jahre wieder. Dafür kommt Paris Hilton, jenes steinreiche Partyluder, das immer besonders ausgezogen aussieht, wenn sie sich mal ein bisschen anzieht. Macht nichts.

"Das gutbürgerliche Wien teilt sich zur Ballsaison in zwei Fraktionen", " meldet die ZEIT, in " "Opernballgeher und Nichtopernballgeher … Und wenn die Nichtopernballgeher dann in der Regierung sitzen, wie jetzt der aus dem linken Lager kommende Bundeskanzler, können sie dem Staatsereignis nicht mehr ausweichen. Dann müssen sie sich einen Frack anschaffen, für 700 bis 1300 Euro, aber bei Peppino Teuschler gibt es auch Leihfracks (für 220 Euro) …. Der einstige Kanzler Bruno Kreisky kommentierte die ganze Sache ironisch: ‚Die Rache der Geschichte an den jungen Revolutionären ist, dass sie später mit Frack und Orden zum Opernball gehen müssen.’"

Denn der Wiener Opernball ist eine Institution. Judi Dench ist auch eine Institution. Sagt die ZEIT. Und was sagt Judi Dench dazu:

"Das hört sich nach einer gigantischen Staubwolke an."