Von Ulrike Timm
Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" berichtet von der Moskauer Millionärsmesse, die "Berliner Zeitung" klärt den Leser durch ein Interview mit einem so genannten Kulturstatistiker darüber auf, wie man scheinbar objektive finanzielle Eckwerte liest, und die "Welt" erläutert das Phänomen, dass sich immer mehr Sender durch Anrufe ihrer Zuschauer finanzieren.
Eine Prise Blattgold wird einem eher selten auf den Espresso gestäubt - bei Recherchen auf der Moskauer Millionärsmesse kann das jedoch durchaus passieren.
"Gold ist Vitamin B12 für die Nerven","
trompetet der Leiter eines Lifestyle-Management-Büros der Reporterin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entgegen. Kerstin Holm berichtet halb staunend, halb angewidert von ihrem skurrilen Besuch einer Welt, in der man seine Telefonnummern ins Massivgoldhandy mit Diamantentasten tippt. Und Prunk und Protz fern der Moskauer Wirklichkeit feiert:
""Das Millionärsmessegelände, gelegen inmitten der Betongebirge der Moskau umgürtenden Schlafstädte, wirbt für sein Luxuskonsumpanorama wohlweislich nur in englischer, nicht in russischer Sprache, obwohl das Gesetz dies eigentlich verlangte. Der Kontrast zwischen Arm und Reich ist provozierend krass, und die Überzeugung, die großen Vermögen seien nicht ehrlich erworben worden, gehört im Land zu den Allgemeinplätzen ... 25 Milliardäre hat das Wirtschaftsmagazin "Forbes" in Russland gezählt, außerdem besitzt das Land offiziell 88.000 Dollarmillionäre. Einer davon ist der tschetschenische Premierminister mit Präsidentenambitionen, Ramsan Kadyrow, den die jüngst ermordete Journalistin Anna Politkowskaja als kriminellen Sadisten angeprangert hat und der am Wochenende mit großem Gefolge über die Millionärsmesse zieht."
So die FAZ. Wir bleiben beim Geld, wechseln aber entschieden das Sujet. Die Berliner Zeitung führt ein Gespräch mit einem Kulturstatistiker. So was gibt’s. Und wer sich vom anfänglichen Zahlenwust als Leser nicht entmutigen lässt, kann vom Kulturstatistiker Michael Söndermann Aufschlussreiches darüber erfahren, wie man scheinbar objektive finanzielle Eckwerte liest – und je nach Lage der Dinge mit ihnen Politik machen kann.
Man muss die Statistiken, etwa zu den Pro-Kopf-Ausgaben Berlins und Hamburgs für Kultur, nämlich gar nicht sprichwörtlich selber fälschen, um ihnen nicht zu trauen. Die vermeintlich vergleichbaren Zahlen basieren oft auf ganz unterschiedlichen Erhebungen, die eine rechnet Musikschulen, Zoo, Sternwarte und Botanischen Garten hinein, die andere nicht. Und so kommt man – je nach Statistik – für Berlin zu Kulturausgaben zwischen 107 und 159 Euro pro Kopf.
"Haben diese Pro-Kopf-Kulturstatistiken denn überhaupt einen Wert für Politiker?",
fragt die Kollegin der Berliner Zeitung. Antwort:
"Nein, keinen. Das sage ich rundheraus, obwohl ich als Kulturstatistiker das Gegenteil behaupten sollte." Und weiter: "Die Infrastruktur der Kultur lässt sich niemals mit der von Lebensmitteldiscountern vergleichen. Das Einkaufscenter ist ein klar verbraucherbezogenes Angebot. Je mehr Köpfe in einer Stadt, desto mehr, glaubt der Markt, kann er umsetzen. Doch es wäre der Tod der Kultur, würden ihre Einrichtungen nach Pro-Kopf-Auslastung bewertet werden."
Fazit: Es gibt Interviews mit Kulturstatistikern, die möchte man verantwortlichen Politiker aufs Kopfkissen legen. Innerhalb wie außerhalb Berlins … Das Gespräch mit dem Kulturstatistiker Michael Söndermann finden Sie in der Berliner Zeitung. Noch mal Geld, keine Kultur, und ganz harter Schnitt:
"Wer weitergehende Sterndeutung wünscht, bei dem rast der Gebührenzähler wie bei einer Sexhotline."
Hintergrund: Immer mehr Sender finanzieren sich durch Anrufe ihrer Zuschauer, weiß die WELT. Morgen etwa gehen bei HELP-TV Börsenexperten, Fitnesstrainer und Astrologen auf Sendung, wer anruft, sollte starke Nerven bewahren, wenn der Gebührenzähler rast.
"Man setzt", so die WELT lakonisch, "auf das Bedürfnis vieler Zuschauer, ihren Berater zumindest mal im Fernsehen zu sehen."
PS: Die Pressebeschauerin ist einmal mehr froh, dass sie Radio macht, und unseren Sender erreichen Sie, wenn wir dazu aufrufen, weiterhin für lau …
"Letztes Update" - so ist ein Artikel ebenfalls in der WELT überschrieben. dtv und Brockhaus legen allen Internet-Lexika zum Trotz noch einmal gedruckte Enzyklopädien vor. Hendrik Werner schreibt den "verdienstvollen Sauriern der Wissensvermittlung" einen Nachruf. Im dtv-Lexikon fehlt übrigens zwischen "Wikingerzeit" und "Wil" ein neuzeitliches Stichwort: "Wikipedia" - das leicht anarchische Internetlexikon. Ihm einen gedruckten Artikel zu widmen, das haben die verdienstvollen Saurier wohl einfach nicht übers Herz gebracht …
"Gold ist Vitamin B12 für die Nerven","
trompetet der Leiter eines Lifestyle-Management-Büros der Reporterin der Frankfurter Allgemeinen Zeitung entgegen. Kerstin Holm berichtet halb staunend, halb angewidert von ihrem skurrilen Besuch einer Welt, in der man seine Telefonnummern ins Massivgoldhandy mit Diamantentasten tippt. Und Prunk und Protz fern der Moskauer Wirklichkeit feiert:
""Das Millionärsmessegelände, gelegen inmitten der Betongebirge der Moskau umgürtenden Schlafstädte, wirbt für sein Luxuskonsumpanorama wohlweislich nur in englischer, nicht in russischer Sprache, obwohl das Gesetz dies eigentlich verlangte. Der Kontrast zwischen Arm und Reich ist provozierend krass, und die Überzeugung, die großen Vermögen seien nicht ehrlich erworben worden, gehört im Land zu den Allgemeinplätzen ... 25 Milliardäre hat das Wirtschaftsmagazin "Forbes" in Russland gezählt, außerdem besitzt das Land offiziell 88.000 Dollarmillionäre. Einer davon ist der tschetschenische Premierminister mit Präsidentenambitionen, Ramsan Kadyrow, den die jüngst ermordete Journalistin Anna Politkowskaja als kriminellen Sadisten angeprangert hat und der am Wochenende mit großem Gefolge über die Millionärsmesse zieht."
So die FAZ. Wir bleiben beim Geld, wechseln aber entschieden das Sujet. Die Berliner Zeitung führt ein Gespräch mit einem Kulturstatistiker. So was gibt’s. Und wer sich vom anfänglichen Zahlenwust als Leser nicht entmutigen lässt, kann vom Kulturstatistiker Michael Söndermann Aufschlussreiches darüber erfahren, wie man scheinbar objektive finanzielle Eckwerte liest – und je nach Lage der Dinge mit ihnen Politik machen kann.
Man muss die Statistiken, etwa zu den Pro-Kopf-Ausgaben Berlins und Hamburgs für Kultur, nämlich gar nicht sprichwörtlich selber fälschen, um ihnen nicht zu trauen. Die vermeintlich vergleichbaren Zahlen basieren oft auf ganz unterschiedlichen Erhebungen, die eine rechnet Musikschulen, Zoo, Sternwarte und Botanischen Garten hinein, die andere nicht. Und so kommt man – je nach Statistik – für Berlin zu Kulturausgaben zwischen 107 und 159 Euro pro Kopf.
"Haben diese Pro-Kopf-Kulturstatistiken denn überhaupt einen Wert für Politiker?",
fragt die Kollegin der Berliner Zeitung. Antwort:
"Nein, keinen. Das sage ich rundheraus, obwohl ich als Kulturstatistiker das Gegenteil behaupten sollte." Und weiter: "Die Infrastruktur der Kultur lässt sich niemals mit der von Lebensmitteldiscountern vergleichen. Das Einkaufscenter ist ein klar verbraucherbezogenes Angebot. Je mehr Köpfe in einer Stadt, desto mehr, glaubt der Markt, kann er umsetzen. Doch es wäre der Tod der Kultur, würden ihre Einrichtungen nach Pro-Kopf-Auslastung bewertet werden."
Fazit: Es gibt Interviews mit Kulturstatistikern, die möchte man verantwortlichen Politiker aufs Kopfkissen legen. Innerhalb wie außerhalb Berlins … Das Gespräch mit dem Kulturstatistiker Michael Söndermann finden Sie in der Berliner Zeitung. Noch mal Geld, keine Kultur, und ganz harter Schnitt:
"Wer weitergehende Sterndeutung wünscht, bei dem rast der Gebührenzähler wie bei einer Sexhotline."
Hintergrund: Immer mehr Sender finanzieren sich durch Anrufe ihrer Zuschauer, weiß die WELT. Morgen etwa gehen bei HELP-TV Börsenexperten, Fitnesstrainer und Astrologen auf Sendung, wer anruft, sollte starke Nerven bewahren, wenn der Gebührenzähler rast.
"Man setzt", so die WELT lakonisch, "auf das Bedürfnis vieler Zuschauer, ihren Berater zumindest mal im Fernsehen zu sehen."
PS: Die Pressebeschauerin ist einmal mehr froh, dass sie Radio macht, und unseren Sender erreichen Sie, wenn wir dazu aufrufen, weiterhin für lau …
"Letztes Update" - so ist ein Artikel ebenfalls in der WELT überschrieben. dtv und Brockhaus legen allen Internet-Lexika zum Trotz noch einmal gedruckte Enzyklopädien vor. Hendrik Werner schreibt den "verdienstvollen Sauriern der Wissensvermittlung" einen Nachruf. Im dtv-Lexikon fehlt übrigens zwischen "Wikingerzeit" und "Wil" ein neuzeitliches Stichwort: "Wikipedia" - das leicht anarchische Internetlexikon. Ihm einen gedruckten Artikel zu widmen, das haben die verdienstvollen Saurier wohl einfach nicht übers Herz gebracht …