Von Ulrike Timm

Die technischen Neuerungen der CeBIT werden in der "Berliner Zeitung" präsentiert. Der "Tagesspiegel" beschäftigt sich mit dem Fernsehverhalten der Deutschen, die nach einer Studie heute doppelt so viel Zeit vor dem Fernseher verbringen als noch vor 30 Jahren. Und in der "Welt" spricht Herbert Lachmayer über die Ausstellung "Mozart – Experiment Aufklärung".
"Noch sind die Probleme des Hosentaschenfernsehens größer als die Bildschirme", lesen wir in der BERLINER ZEITUNG und sind darüber eigentlich nicht besonders traurig. Zwar soll, wenn man denn den euphorischen Berichten von der CeBIT in Hannover glauben mag, das Handyfernsehen so eine Art Konjunkturmotor für ganz Deutschland werden - oder bescheidener: wenigstens zu einem Konjunkturmotor zu Zeiten der Fußball WM - aber ist das wirklich so lustig?

Sitzt man in der Bahn, schaut auf einem streichholzgroßen Bildschirm Fußball, Foul, Elfmeter, und dann ist der Akku aus. Frust statt Euphorie.
Und die Berliner Zeitung nimmt sich akribisch all die Probleme vor, die Hosentaschenfernsehmacher mit einkalkulieren müssen, wenn der Akku noch an ist…

"Die größte Herausforderung waren die Einschusslöcher" – meldete der Regisseur Eric Young, als er die Handyverfilmung der denkwürdigen TV-Serie "24: Conspiracy" begann – "Es zeigte sich, dass man gewöhnliche Einschusslöcher im Körper eines Mordopfers auf den kleinen Displays der Mobiltelefone nicht mehr erkennen konnte. Damit Zuschauer überhaupt etwas sehen, ließ Young die Schusswunden extragroß machen und verwendete doppelt so viel Blut wie bei einer herkömmlichen TV-Visualisierung."

Tja. Ob man den WM-Torschuss fürs Handyfernsehen dann auch noch mal nacharbeiten muss? Erfahren wir leider nicht. Der TAGESSPIEGEL widmet sich dem konventionellen Fernsehen und hat die Sehgewohnheiten der Menschen aufgedröselt, 1974, 1995, 2005. Die Unterzeile freut jeden Hörfunkmenschen erst einmal diebisch:

"Warum die Deutschen immer mehr Fernseher haben, aber immer weniger hinschauen."

Die Statistik dann ernüchtert. Reine Radiohörer sind die Dinosaurier unter den Medienkonsumenten, 95 – 98 von 100 Deutschen haben einen Fernseher im Haus, 1974, 1995 und 2005. Und was sagt uns das? Der Zukunftsforscher Horst Opaschowski erklärt dem TAGESSPIEGEL:

"Die TV Konsumenten wollen passiv unterhalten und berieselt werden, während sie ihren Gedanken oder anderen Beschäftigungen nachgehen." Und weiter:
"Der Fernsehkonsum hat sich in den vergangenen 30 Jahren verdoppelt. 1974 saß der Deutsche durchschnittlich 125 Minuten vor dem Fernseher, im vergangenen Jahr waren es 220 Minuten, mehr als dreieinhalb Stunden."

Und was lernen wir daraus? Vielleicht, dass der reine Radiohörer, besonders wenn er sich zur Spezies der Radiozuhörer zählt, die eigentliche mediale Avantgarde ist. Nicht der Medien-Dino. Das müsste dringend untersucht werden! 1974, 1995…2006.

Kommen wir vom Sehen zum Hören und vom Bildschirm zur WELT. Zur Tageszeitung DIE WELT. Die interviewt den Wiener Philosophen und Soziologen Herbert Lachmayer, Kurator der Ausstellung "Mozart – Experiment Aufklärung", die vom 17. März an in Wien zu sehen ist. Und weil Herbert Lachmayer nicht nur ein großer Kenner der Opernlibretti des 18. Jahrhunderts ist, sondern auch ein Don-Juan-Forscher aller Facetten, fallen seine Thesen klug, ungewöhnlich und manchmal ungewöhnlich saftig aus.

In Mozart sieht Lachmayer nicht zuletzt einen "Pornosophen", der wie Casanova zur Spezies der "Verwegenheitstypen" gehört. Das klingt ein wenig marktschreierisch und wird doch gut begründet. Mozart, so Lachmayer, hat glücklicherweise im Zeitalter der Aufklärung gelebt, und diese Epoche war eben alles andere als prüde. In der Romantik wäre sein Genie möglicherweise vollends in den Wahnsinn gedriftet. Zitat:

"Dem romantischen Künstler wurde das Realitätsprinzip weggenommen, er sollte eben mit und in der Kunst Gegenwelten erfinden, ordentlich leiden – die Ideen kommen dann schon, aus dem Leidensdruck. Mozart hingegen bekam Ideen, weil er Aufträge hatte. Auch das individuelle Freiheitsgefühl Mozarts ist eines, das man selbst erzeugt – nicht die Geiselhaft der "Wir-Befreiung" von Beethoven/Schillers "Freude schöner Götterfunken"… in bürgerlichen Verhältnissen wäre Mozart 100 Jahre später womöglich schizophren geworden, wie so manches romantische Künstlergenie. Aber Mozart lebte noch nicht in dieser schuld-produzierenden Über-Ich-Gesellschaft des 19. Jahrhunderts…"

Auch dem adligen Publikum der Aufklärung kann Lachmayer etwas abgewinnen, allen bösen Behauptungen- auch Mozarts – zum Trotz. Zitat:

"Das adlige Publikum kommt zu spät, geht früher, doch wenn es da ist, ist es leidenschaftlich dabei. Die Bürgerlichen kommen rechtzeitig und sitzen artig. Wenn freilich der Hanswurst die Hose runterlässt, sagen sie: So was haben wir nicht einmal zu Hause! Und gehen empört weg."

Die Ausstellung "Mozart-Experiment Aufklärung" ist ab 17. März in Wien zu sehen. Live. Nicht auf Handy. Aber Sie hören sicher bei uns davon….