Von Ulrike Timm

Die Kulturpresseschau befasst sich unter anderem mit dem Portal lebensmittelklarheit.de, mit der Lage in Syrien und mit Hochglanzmagazine für Senioren.
"Gibt es nichts Wichtigeres, als zu wissen, wie viel Luft in einer Panna-cotta-Packung steckt?" fragt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG. Zweifellos, stimmen wir spontan zu. Zum einen, weil dieses Problem tatsächlich nicht mittig ins Menschheitsinnere zielt, und auch kulinarisch gesehen: Wenn ein Nachtisch richtig gut schmeckt, gibt es davon eh immer zu wenig. Egal, ob mit Luft in der Packung oder ohne. Darauf zielt die FAZ aber natürlich auch nicht ab. Lucia Schmidt untersucht das Portal lebensmittelklarheit.de, mit viel Trara von Verbraucherzentralen und Verbraucherministerium ins Leben gerufen, aber jetzt womöglich selbst eine Mogelpackung.

Wer nämlich hier erfahren will, ob drin ist, was draufsteht, stößt auf hochkomplexe Antworten a la Radio Eriwan: im Prinzip ja, aber eigentlich doch nicht. Reichlich gibt’s zu den philologischen Wurzeln der Namensgebung von fälschlich sogenannter Sylter Salatsoße. "Doch sind das wirklich die Fragen, welche die Verbraucher zu Lebensmitteln und Ernährung haben?" Die FAZ wüsste lieber, wie Medikamente und Abfall in Tiernahrung kommen und damit auf die Teller der Verbraucher, da ist lebensmittelklarheit.de aber offenbar nicht zuständig. Fazit: "Am Regal im Supermarkt sind die Verbraucher weiter mit ihrem gesunden Menschenverstand allein."

Harter Schnitt. Und zur Neuen Zürcher Zeitung. Hier befasst sich Mona Sarkis mit der ethnisch-religiösen Topographie Syriens: "Auf einer Fläche, die halb so groß ist wie Deutschland, leben mehr als ein Dutzend ethnische oder religiöse Gemeinschaften. Und das Regime spielt Schach mit ihnen" sagt uns die NZZ, zeigt auf, wie zwiespältig und geschichtlich ungenau die Konzentration aufs "Arabische" der Arabischen Republik Syrien ist, und wie viel Probleme daraus erwachsen. "Nicht zuletzt infolge der Politik des Assad-Regimes besteht das Land aus Parallelgesellschaften, die einander nicht töten, sich aber auch nicht mögen.’Zum Teil uralte religiöse Zwistigkeiten hier: eine noch immer nicht wirklich verinnerlichte Nationalstaatlichkeit dort, dazu 41 Jahre Assad-Diktatur voll religiös verbrämter Politspiele – man kann kaum behaupten, dass die Situation der Syrer einfach ist’"," sagt der Historiker Kamal Sido in der NZZ. Ein Artikel, der mehr Fragen aufwirft als Antworten gibt angesichts der Nachrichten brutaler Unterdrückung, die uns aus Syrien erreichen – und genau darin liegt seine Stärke. ""Viele Volksseelen, aber kein Volk"," so hat ihn die NZZ überschrieben.

Weniger existenziell geht es auf der Medienseite der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu. Warum zahlt niemand für Hochglanzmagazine, die sich doch den "Wunderbaren Jahren", den "Fifty+", den "Best Agern", kurz den Senioren widmen? - aber so darf es natürlich schon gar nicht heißen. Tatsache ist, dass die kaufkräftigste Zielgruppe von den Verlagen kostenlos bedient werde, so die SÜDDEUTSCHE, weil die sich schlicht nicht trauten, Geld für Seniorenmagazine zu verlangen. Denn um Reklame für Treppenlifte und Knoblauchpillen zu lesen, gibt der Bestager keinen Cent. Und so liegen stattdessen kostenlose Hochglanzmagazine in Arztpraxen oder auf Golfplätzen herum.

""Reklame für Seniorenprodukte gibt es im öffentlich-rechtlichen Nachmittags- TV; zwischen Telenovelas, in denen sich junge, schöne Menschen in andere junge, schöne Menschen verlieben. Oder in der Apotheken-Umschau, meist mit fröhlichen Mitt-30ern auf dem Titel und dem schönen Beinamen "Rentner Bravo"," lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN. "Rentner-Bravo"! Was für ein schönes Wort! Das sollte man demjenigen, dem es eingefallen ist, keinesfalls aus dem Text kürzen. Womit wir uns um die Kurve bemühen zur Glosse "Das Letzte" im Feuilleton der ZEIT. Da geht es nämlich ums Redigieren, um die unbeliebte Aufgabe des Kürzens von Texten in der ZEIT. ""Wer kürzt"," sagt uns Finis, ""muss sagen, was er nicht will. Was man nicht will, ist natürlich unendlich viel schwieriger zu benennen als das, was man will. Schon deshalb, weil man ja immerzu von allem zu viel will." Soweit die ZEIT. Und die Pressebeschauerin verrät ihnen jetzt nicht, was sie noch alles hätte zitieren können wollen müssen sollen ... Sondern kürzt beherzt und hört jetzt auf.