Von Ulrike Timm

In mehreren Feuilletons finden sich Nachrufe auf Otmar Suitner, den langjährigen Leiter der Staatskapelle Berlin. Außerdem wird über das Wetter und Dieter Wedels TV-Film "Gier" berichtet.
"Alarm, Alarm" ruft uns die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aus dem vergleichsweise schneearmen München zu und fragt, ob es nicht auch eine Nummer kleiner ginge, ohne "Schneechaos" und "Katastrophe". Das mag der Mecklenburger im Einzelfall mit gutem Grund anders sehen – trotzdem nannte man die herrschende Wetterlage früher schlicht Winter. Aber Daisy gibt Thomas Steinfeld immerhin Gelegenheit, auch etwas Bildung über uns auszuschütten.

"Unter 'Chaos', (griechisch: 'gähnender Schlund') und 'Katastrophe' (griechisch: 'Wende zum Untergang') geht offensichtlich nichts mehr. Die Natur muss nur mehr eine falsche Bewegung machen – und schon hagelt es Schlagzeilen. Sollte tatsächlich einmal etwas sehr Schlimmes passieren, gäbe es gar keine Warntöne mehr","

lesen wir in der SÜDDEUTSCHEN und stimmen unbedingt zu. Selbst wenn wir Autor Thomas Steinfeld ein paar Absätze später, wenn er seine These mit ferneren oder näheren Philosophien ziemlich unterschwurbelt – "Ein guter Schock ist wie eine Injektion für den Süchtigen" – selbst wenn wir den geschätzten Feuilletonisten da gerne zum Abkühlen eine Runde Rodeln schicken würden...

Aber erstmal kommt jetzt sowieso Bob, und dieses blockierende Hoch ist wie ein Rammbock – sagen nicht die Feuilletons, sondern sagt der Deutsche Wetterdienst. Bob sorgt noch die nächsten Tage für Frost. Womit wir schon die Überschrift für schöne Feuilletons von morgen und übermorgen hätten, wie wäre es zum Beispiel mit: "Bob macht Daisy kalt"?

Weder Bob noch Daisy können Filmregisseur Dieter Wedel schrecken, denn seine nächste große Fernsehproduktion, "Gier", ist längst im Kasten. Im Gespräch mit der WELT geißelt Wedel das deutsche Fernsehen: "Flachsinn hat Hochkonjunktur". Dem ist wenig hinzuzufügen, schade auch, dass die Wedelsche Technik des Wutausbruchs da auch nicht weiterhilft, dazu heißt es in der WELT:

""Wenn mal was nicht funktioniert, stampfe ich schon mal gern mit dem Fuß. Bis ich das mal bei einer Filmaufnahme gesehen habe und eine nicht zu übersehende Ähnlichkeit mit Rumpelstilzchen entdeckte. Seither versuche ich, mir das abzugewöhnen."

Derartige Rumpelstilzchen-Attitüden sind vom Dirigenten Otmar Suitner nicht überliefert, er überzeugte im Gegenteil durch einen ganz minimalistischen Stil mit klarer, feiner und überhaupt nicht raumgreifender Zeichengebung. Mit 87 Jahren ist Otmar Suitner nun verstorben, seit vielen Jahren konnte er aufgrund einer Schüttellähmung nicht mehr dirigieren, und seine Leistungen gerieten zu Unrecht in Vergessenheit.

Um so schöner, dass ihn einige Feuilletons jetzt ausführlich würdigen. 26 Jahre lang leitete Otmar Suitner die Staatskapelle Berlin –"länger als der junge Richard Strauss, Erich Kleiber, Wilhelm Furtwängler und Herbert von Karajan" ihren Orchestern vorstanden, das rechnet uns die SÜDDEUTSCHE vor. Suitner, als Künstler und als Mensch ein Wunder an Beständigkeit, traf zu Beginn seiner Staatsopernzeit 1964 in Ostberlin auf eine chaotische Situation.

""Von den einhundertfünfzig Musikern der Berliner Staatskapelle fand er nur mehr siebenunddreißig vor; die anderen waren nach dem Mauerbau in den Westen geflüchtet. Irgendwie muss sich Otmar Suitner von dieser musikalischen Trümmerlandschaft herausgefordert gefühlt haben, anders ist es nicht zu begreifen, dass er unverzagt mit einer imponierenden Aufbauarbeit begann, die alsbald auch wieder bemerkenswerte künstlerische Erfolge zeigte","

lesen wir in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.

""Mit seiner Vorliebe für die 'dekadente' zweite Wiener Schule dürfte er sich im sozialistischen Realismus ebenso wenig Freunde gemacht haben wie mit der Idee, die Preisgelder für seine DDR-Nationalpreise der Kirche und dem Wiederaufbau der Dresdner Silbermannorgel zu stiften","

schreibt der TAGESSPIEGEL. Als österreichischer Künstler und Dirigent in beiden deutschen Staaten wanderte Suitner scheinbar mühelos zwischen den Welten, pikanterweise auch privat, er führte gleich zwei Ehen, "eine in Ost- und eine in West-Berlin, natürlich nur eine legalisiert", lesen wir in der FAZ. Er könne halt niemanden verlassen, meinte Suitner mal halb ernst, halb verschmitzt, dazu, und die FAZ endigt ihren Nachruf auf den Musiker so: "Streng genommen war Suitner ohnehin nur und vor allem mit der Musik verheiratet."