Von Ulrike Timm
Das Feuilleton beschäftigt sich mit der "Beichte der Woche", dem öffentlichen Doping-Geständnis des Ex-Radprofis Lance Armstrong. Außerdem ist die Tendenz, Kinderbücher auf politisch korrekt zu umzuschreiben, ein großes Thema in den Zeitungen.
Erinnern Sie sich noch an Bill Clintons legendäre Marihuanabeichte? Geraucht? Schon. Aber inhaliert? Niemals!
Lance Armstrong war noch einsilbiger. Gedopt? Yes? mit EPO? Yes. Bei allen Tour-Siegen? Yes. Man fragt sich, wie Oprah Winfrey 150 Minuten Interview zusammengekriegt hat, aber der Feuilletonsatz der Woche kommt trotzdem von Lance Armstrong:
"Ich habe die Kultur nicht erfunden, aber ich habe nicht versucht, die Kultur aufzuhalten", "
so zitiert die FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Radprofi. Gar nicht schlecht, oder? Stünde manchem Verantwortlichen gut an, wörtlich genommen ... Schuld und Bühne gingen Hand in Hand beim Geständnis der Woche,
""grundsätzlich aber überwiegt die Erleichterung, dass Armstrong endlich sein Schweigen gebrochen hat", "
lesen wir in der WELT, und weiter
""allerdings fällt ein Schatten auf den geständigen Radfahrer. Experten für Körpersprache und nervöses Herumzucken haben festgestellt, dass Armstrong auch bei seinem Fernsehgeständnis gedopt war. Zweieinhalb Stunden Dauerbeichten hält niemand ohne chemische Hilfsmittel durch."
Versöhnlich gibt sich der TAGESSPIEGEL und erkundet, was Menschen nach schlechten Taten zum Geständnis drängt - und warum Verzeihen gut tut. Die Autorin, Adelheid Müller-Lissner, ist Fachfrau fürs Vergeben und Verzeihen, sie hat ganze Bücher darüber geschrieben. Sehr viel handfester und gewitzter geht die FRANKFURTER RUNDSCHAU das an, Armstrong habe ein Standardgeständnis abgelegt,
"zugeben was nicht mehr zu leugnen ist, ansonsten: Klappe halten. Für die Top acht der Geständnis-Weltrangliste reicht das nicht". "
Und dann kommt die Geständnis-Weltrangliste der FRANKFURTER RUNDSCHAU, eine Labsal im doch recht moralinsauren Kommentartümpel zur Causa Armstrong. Angeführt wird diese spezielle Weltrangliste unangefochten von Judas, dessen reumütiges Geständnis, er habe Jesus verleumdet, keinen Hohepriester mehr interessierte, Jeannne d'Arc "repräsentiert das erzwungene respektive erfolterte Geständnis", Galileo Galilei auf Platz drei als
""Urvater des naturwissenschaftliche absurden, aber persönlich sinnvollen Geständnisses", "
gefolgt eben von der berühmten und schon zitierten Marihuanabeichte von Bill Clinton. "Die kleine Weltrangliste der signifikantesten Geständnisse ", zu finden in der geschundenen FRANKFURTER RUNDSCHAU, und für uns die Feuilleton-Tat der Woche.
Ins Spannungsfeld von Schuld und Bühne würde sich der Maler und Bildhauer Georg Baselitz schon deshalb nie begeben, weil er grundsätzlich nicht in Talkshows geht. Schriftsteller aber, so lernen wir von Baselitz, die müssten das tun, "Das Fernsehen ist deren Verkaufsbude". Dem SPIEGEL aber gibt der Künstler, der die Welt so gerne auf den Kopf stellt, ein langes und polterndes Interview, erklärt, warum
""man in seinem Beruf besser kein Talent haben sollte und dass Frauen die schlechteren Künstler seien."
Schnell weg. Und weiter, zur "Angst der Großen vor dem Kinderbuch". DIE PRESSE aus Wien sieht in der Tendenz, Kinderbücher auf politisch korrekt zu bügeln und Negerlein wie Zigeuner sprachlich zu eliminieren, einen
"Trend zur Struwwelpeterei. Ohne schwarze Pädagogik, aber nicht weniger erziehungswütig werden heute viele Kinderbücher zurechtgestutzt", "
klagt Anne-Catherine Simon und blickt wehmütig zurück in Zeiten, da "in Kinderbüchern Menschenfresser vorkommen" durften. Ja, was machen wir nun mit Tomi Ungerers Klassiker "Zeraldas Riese", wo Pippi Langstrumpf doch schon ihren "Negerkönig"-Papa eingebüßt hat? Otfried Preußler, Autor der "Kleinen Hexe", in der böse Kinder nun nicht mehr "durchgewichst", sondern "verhauen" werden, weil eben doch viele Kinder das Wort "wichsen" kennen, wenn auch anders - Otfried Preußler nennt Kinder "das beste und klügste Publikum, das man sich als Geschichtenerzähler nur wünschen kann",
daran erinnert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Vielleicht sollte man ihnen zutrauen, dass sie zu unterscheiden lernen zwischen einem Ausdruck in einem vor langer Zeit geschriebenen Buch und einem heute ausgesprochenen Wort. Wenn man es ihnen sagt. Und mit ihnen liest. "Kinder, das sind keine Neger!" - titelte die ZEIT und lässt den fröhlichen kleinen kohlschwarzen Jim Knopf auf zehn kleine ... . farbige Kinder mit Migrationshintergrund lugen? Im mehrseitigen Dossier der ZEIT erklärt ein Psychologe, warum er es für fatal hält, Geschichten zu glätten - "Das Konfektionieren zerstört die Fantasie" - und ZEIT Autor Axel Hacke beschreibt, wie er für sein berühmtes Buch "Der weiße Neger Wumbaba" plötzlich als Rassist beschimpft wurde.
Dann antworte er,
""dass ich es nicht für richtig hielte, Wörter zu verbieten, dass es auf den Zusammenhang ankomme, in dem sie verwendet würden, und dass ich den Kampf gegen den Rassismus für zu ernst hielte, als dass man seine Zeit mit solchen Auseinandersetzungen vergeuden sollte."
Claudius Seidl in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG dagegen argumentiert bedächtig:
"Unsere schönen alten deutschen Wörter für Leute, die anders als wir selber sind, stammen aus einer Zeit, da diese anderen eher Fiktion als Realität waren, sagenhafte Gestalten, deren Existenz so unüberprüfbar war wie die der Einhörner und Amazonen. Wenn man einander doch in der Wirklichkeit begegnete, dann meistens, weil die einen bei den anderen einmarschierten, was gegenseitige Beschimpfungen ja verständlich machte."
Heute aber, in einer globalen Welt, da müsse man wirklich nicht mehr Krüppel, Neger und Zigeuner sagen. Das ist ganz sicher wahr. Ebenso wie der Satz der früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, den die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zitiert:
"Wir fangen ja auch nicht an, Goethe oder Schiller umzuschreiben."
Eltern sollten mit ihren Kindern "pädagogisch motivierte Gespräche" führen, wenn sie über unbekannte Worte stolperten, empfiehlt ein weiterer Fachmann und hat auch ganz sicher recht. Vielleicht sollte man den Ball aufnehmen, den die SÜDDEUTSCHE augenzwinkernd wirft:
""Lest mit Fußnote". "
Lance Armstrong war noch einsilbiger. Gedopt? Yes? mit EPO? Yes. Bei allen Tour-Siegen? Yes. Man fragt sich, wie Oprah Winfrey 150 Minuten Interview zusammengekriegt hat, aber der Feuilletonsatz der Woche kommt trotzdem von Lance Armstrong:
"Ich habe die Kultur nicht erfunden, aber ich habe nicht versucht, die Kultur aufzuhalten", "
so zitiert die FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG den Radprofi. Gar nicht schlecht, oder? Stünde manchem Verantwortlichen gut an, wörtlich genommen ... Schuld und Bühne gingen Hand in Hand beim Geständnis der Woche,
""grundsätzlich aber überwiegt die Erleichterung, dass Armstrong endlich sein Schweigen gebrochen hat", "
lesen wir in der WELT, und weiter
""allerdings fällt ein Schatten auf den geständigen Radfahrer. Experten für Körpersprache und nervöses Herumzucken haben festgestellt, dass Armstrong auch bei seinem Fernsehgeständnis gedopt war. Zweieinhalb Stunden Dauerbeichten hält niemand ohne chemische Hilfsmittel durch."
Versöhnlich gibt sich der TAGESSPIEGEL und erkundet, was Menschen nach schlechten Taten zum Geständnis drängt - und warum Verzeihen gut tut. Die Autorin, Adelheid Müller-Lissner, ist Fachfrau fürs Vergeben und Verzeihen, sie hat ganze Bücher darüber geschrieben. Sehr viel handfester und gewitzter geht die FRANKFURTER RUNDSCHAU das an, Armstrong habe ein Standardgeständnis abgelegt,
"zugeben was nicht mehr zu leugnen ist, ansonsten: Klappe halten. Für die Top acht der Geständnis-Weltrangliste reicht das nicht". "
Und dann kommt die Geständnis-Weltrangliste der FRANKFURTER RUNDSCHAU, eine Labsal im doch recht moralinsauren Kommentartümpel zur Causa Armstrong. Angeführt wird diese spezielle Weltrangliste unangefochten von Judas, dessen reumütiges Geständnis, er habe Jesus verleumdet, keinen Hohepriester mehr interessierte, Jeannne d'Arc "repräsentiert das erzwungene respektive erfolterte Geständnis", Galileo Galilei auf Platz drei als
""Urvater des naturwissenschaftliche absurden, aber persönlich sinnvollen Geständnisses", "
gefolgt eben von der berühmten und schon zitierten Marihuanabeichte von Bill Clinton. "Die kleine Weltrangliste der signifikantesten Geständnisse ", zu finden in der geschundenen FRANKFURTER RUNDSCHAU, und für uns die Feuilleton-Tat der Woche.
Ins Spannungsfeld von Schuld und Bühne würde sich der Maler und Bildhauer Georg Baselitz schon deshalb nie begeben, weil er grundsätzlich nicht in Talkshows geht. Schriftsteller aber, so lernen wir von Baselitz, die müssten das tun, "Das Fernsehen ist deren Verkaufsbude". Dem SPIEGEL aber gibt der Künstler, der die Welt so gerne auf den Kopf stellt, ein langes und polterndes Interview, erklärt, warum
""man in seinem Beruf besser kein Talent haben sollte und dass Frauen die schlechteren Künstler seien."
Schnell weg. Und weiter, zur "Angst der Großen vor dem Kinderbuch". DIE PRESSE aus Wien sieht in der Tendenz, Kinderbücher auf politisch korrekt zu bügeln und Negerlein wie Zigeuner sprachlich zu eliminieren, einen
"Trend zur Struwwelpeterei. Ohne schwarze Pädagogik, aber nicht weniger erziehungswütig werden heute viele Kinderbücher zurechtgestutzt", "
klagt Anne-Catherine Simon und blickt wehmütig zurück in Zeiten, da "in Kinderbüchern Menschenfresser vorkommen" durften. Ja, was machen wir nun mit Tomi Ungerers Klassiker "Zeraldas Riese", wo Pippi Langstrumpf doch schon ihren "Negerkönig"-Papa eingebüßt hat? Otfried Preußler, Autor der "Kleinen Hexe", in der böse Kinder nun nicht mehr "durchgewichst", sondern "verhauen" werden, weil eben doch viele Kinder das Wort "wichsen" kennen, wenn auch anders - Otfried Preußler nennt Kinder "das beste und klügste Publikum, das man sich als Geschichtenerzähler nur wünschen kann",
daran erinnert die FRANKFURTER RUNDSCHAU.
Vielleicht sollte man ihnen zutrauen, dass sie zu unterscheiden lernen zwischen einem Ausdruck in einem vor langer Zeit geschriebenen Buch und einem heute ausgesprochenen Wort. Wenn man es ihnen sagt. Und mit ihnen liest. "Kinder, das sind keine Neger!" - titelte die ZEIT und lässt den fröhlichen kleinen kohlschwarzen Jim Knopf auf zehn kleine ... . farbige Kinder mit Migrationshintergrund lugen? Im mehrseitigen Dossier der ZEIT erklärt ein Psychologe, warum er es für fatal hält, Geschichten zu glätten - "Das Konfektionieren zerstört die Fantasie" - und ZEIT Autor Axel Hacke beschreibt, wie er für sein berühmtes Buch "Der weiße Neger Wumbaba" plötzlich als Rassist beschimpft wurde.
Dann antworte er,
""dass ich es nicht für richtig hielte, Wörter zu verbieten, dass es auf den Zusammenhang ankomme, in dem sie verwendet würden, und dass ich den Kampf gegen den Rassismus für zu ernst hielte, als dass man seine Zeit mit solchen Auseinandersetzungen vergeuden sollte."
Claudius Seidl in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN SONNTAGSZEITUNG dagegen argumentiert bedächtig:
"Unsere schönen alten deutschen Wörter für Leute, die anders als wir selber sind, stammen aus einer Zeit, da diese anderen eher Fiktion als Realität waren, sagenhafte Gestalten, deren Existenz so unüberprüfbar war wie die der Einhörner und Amazonen. Wenn man einander doch in der Wirklichkeit begegnete, dann meistens, weil die einen bei den anderen einmarschierten, was gegenseitige Beschimpfungen ja verständlich machte."
Heute aber, in einer globalen Welt, da müsse man wirklich nicht mehr Krüppel, Neger und Zigeuner sagen. Das ist ganz sicher wahr. Ebenso wie der Satz der früheren Bundesjustizministerin Brigitte Zypries, den die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zitiert:
"Wir fangen ja auch nicht an, Goethe oder Schiller umzuschreiben."
Eltern sollten mit ihren Kindern "pädagogisch motivierte Gespräche" führen, wenn sie über unbekannte Worte stolperten, empfiehlt ein weiterer Fachmann und hat auch ganz sicher recht. Vielleicht sollte man den Ball aufnehmen, den die SÜDDEUTSCHE augenzwinkernd wirft:
""Lest mit Fußnote". "