Von Tobias Wenzel
Die FAZ berichtet über die angeblichen Steuerschulden des chinesischen Künstlers Ai Weiwei. Die "Welt" macht sich Gedanken über das ehemalige KdF-Seebad Prora, worin eine Jugendherberge eingerichtet werden soll. Die NZZ liefert eine kurze Kulturgeschichte des Kusses.
"Wenn dich ein Räuber überfällt und du gibst ihm deine Brieftasche – heißt das dann, dass du schuldig bist?"
Diese rhetorische Frage stellte einem Bericht der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zufolge der Rechtsanwalt Liu Xiaoyuan. Der ist außerdem ein Freund von Ai Weiwei. Die chinesischen Steuerbehörden fordern von dem international renommierten, wochenlang ohne Gerichtsprozess festgehaltenen und mittlerweile unter strengen Auflagen freigelassenen Künstler umgerechnet 1,28 Millionen Euro Steuernachzahlungen. Unberechtigter Weise, aus reiner Schikane, vermuten viele.
Offensichtlich hat der Künstler gar nicht so viel Geld. Also hat Ais Freund Liu Xiaoyuan im Internet dazu aufgerufen, durch Spenden das Geld einzutreiben. Diesen Spendenaufruf verstanden wiederum einige als Schuldeingeständnis des Künstlers. Und da äußerte der genannte Anwalt und Freund Ais eben jenen Satz: "Wenn dich ein Räuber überfällt und du gibst ihm deine Brieftasche – heißt das dann, dass du schuldig bist?"
Macht man sich schuldig, ist es zumindest moralisch bedenklich, wenn man eine Jugendherberge in einen gigantischen alten Nazibau pflanzt? Diese Frage schwebt über Dankwart Guratzschs Artikel für die WELT. "Deutschlands größtes Haus kann nur aus der Luft in ganzer Länge fotografiert werden", schreibt er. Schließlich ist das unter Denkmalschutz stehende Gebäude auf Rügen, das sogenannte KdF-Seebad Prora, viereinhalb Kilometer lang. Die Jugendherberge mit gut 400 Betten nimmt allerdings nur 150 Meter des ohnehin überwiegend leer stehenden Gebäudes ein.
Stein des Anstoßes war ein Werbeflugblatt der Herberge, in dem unkritisch vom "weltberühmten KdF-Bad" die Rede gewesen sein soll. Dankwart Guratzsch weist darauf hin, dass die Nazis das Mammut-Gebäude zwar gebaut, aber wegen des Zweiten Weltkrieges nie fertig gestellt haben. Und erst in der DDR wurde es vollendet und von der Volksarmee und 15.000 Volkspolizisten genutzt.
Guratzsch sieht selbst in der Größe des Gebäudes keinen Stempel des megalomanen Nationalsozialismus. Vielmehr gehe die Vision eines solchen Bauwerks auf Le Corbusier zurück, der an den Küsten des Mittelmeeres und Brasiliens derartige Projekte plante, die allerdings nie umgesetzt wurden. Insofern sei das KdF-Seebad Prora auf Rügen indirekt die Verwirklichung jenes Traumes, den Le Corbusier einst so formulierte:
"Die ganze Landschaft begänne zu sprechen: Wasser, Erde, Luft: sie spräche die Sprache der Architektur. Es entstünde ein Gedicht aus menschlicher Geometrie und der Fantasie der Architektur."
Poetisch klingt das, so poetisch wie jene Worte des Helden in Christopher Marlowes Tragödie "Doctor Faustus":
"Ihr Mund saugt mir die Seel aus – sieh, da fliegt sie."
Joachim Güntner kreist in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG literatur- und kulturgeschichtlich um die menschlichen Münder und ihre gegenseitige Berührung. Denn der 6. Juli ist der Internationale Tag des Kusses. Die Institution an sich, ins Leben gerufen von einer britischen Versicherungsgesellschaft, die durch Mundhygiene Geld sparen möchte, diese Institution nervt den NZZ-Autor. Aber der Kuss selbst und die Äußerungen über ihn, die haben es ihm ganz offensichtlich angetan. So zitiert er Voltaire:
"Es gibt einen Nerv, der vom Mund bis zum Herzen und dann weiter nach unten führt."
Der Kuss als Gefahr! Im US-Bundesstaat Utah darf ein Kuss in der Öffentlichkeit nicht länger als fünf Minuten dauern, in Indien ist er ganz verpönt, in Dubai drohen gar "Peitschenhiebe". Ähnlich abschreckend wie die Peitsche wirken jene präzis nüchternen Worte, mit denen Güntner eine Anleitung zum Küssen gibt:
"Jochbeinmuskel und Oberlippenheber sind anzuspannen, zugleich hat man Unterlippensenker und Mundwinkelsenker nach unten zu ziehen. Der auf diese Weise kontrahierte Musculus orbicularis oris erzeugt den klassischen Kussmund, der nun noch ein Gegenüber finden muss, auf das er sich presst."
Diese rhetorische Frage stellte einem Bericht der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG zufolge der Rechtsanwalt Liu Xiaoyuan. Der ist außerdem ein Freund von Ai Weiwei. Die chinesischen Steuerbehörden fordern von dem international renommierten, wochenlang ohne Gerichtsprozess festgehaltenen und mittlerweile unter strengen Auflagen freigelassenen Künstler umgerechnet 1,28 Millionen Euro Steuernachzahlungen. Unberechtigter Weise, aus reiner Schikane, vermuten viele.
Offensichtlich hat der Künstler gar nicht so viel Geld. Also hat Ais Freund Liu Xiaoyuan im Internet dazu aufgerufen, durch Spenden das Geld einzutreiben. Diesen Spendenaufruf verstanden wiederum einige als Schuldeingeständnis des Künstlers. Und da äußerte der genannte Anwalt und Freund Ais eben jenen Satz: "Wenn dich ein Räuber überfällt und du gibst ihm deine Brieftasche – heißt das dann, dass du schuldig bist?"
Macht man sich schuldig, ist es zumindest moralisch bedenklich, wenn man eine Jugendherberge in einen gigantischen alten Nazibau pflanzt? Diese Frage schwebt über Dankwart Guratzschs Artikel für die WELT. "Deutschlands größtes Haus kann nur aus der Luft in ganzer Länge fotografiert werden", schreibt er. Schließlich ist das unter Denkmalschutz stehende Gebäude auf Rügen, das sogenannte KdF-Seebad Prora, viereinhalb Kilometer lang. Die Jugendherberge mit gut 400 Betten nimmt allerdings nur 150 Meter des ohnehin überwiegend leer stehenden Gebäudes ein.
Stein des Anstoßes war ein Werbeflugblatt der Herberge, in dem unkritisch vom "weltberühmten KdF-Bad" die Rede gewesen sein soll. Dankwart Guratzsch weist darauf hin, dass die Nazis das Mammut-Gebäude zwar gebaut, aber wegen des Zweiten Weltkrieges nie fertig gestellt haben. Und erst in der DDR wurde es vollendet und von der Volksarmee und 15.000 Volkspolizisten genutzt.
Guratzsch sieht selbst in der Größe des Gebäudes keinen Stempel des megalomanen Nationalsozialismus. Vielmehr gehe die Vision eines solchen Bauwerks auf Le Corbusier zurück, der an den Küsten des Mittelmeeres und Brasiliens derartige Projekte plante, die allerdings nie umgesetzt wurden. Insofern sei das KdF-Seebad Prora auf Rügen indirekt die Verwirklichung jenes Traumes, den Le Corbusier einst so formulierte:
"Die ganze Landschaft begänne zu sprechen: Wasser, Erde, Luft: sie spräche die Sprache der Architektur. Es entstünde ein Gedicht aus menschlicher Geometrie und der Fantasie der Architektur."
Poetisch klingt das, so poetisch wie jene Worte des Helden in Christopher Marlowes Tragödie "Doctor Faustus":
"Ihr Mund saugt mir die Seel aus – sieh, da fliegt sie."
Joachim Güntner kreist in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG literatur- und kulturgeschichtlich um die menschlichen Münder und ihre gegenseitige Berührung. Denn der 6. Juli ist der Internationale Tag des Kusses. Die Institution an sich, ins Leben gerufen von einer britischen Versicherungsgesellschaft, die durch Mundhygiene Geld sparen möchte, diese Institution nervt den NZZ-Autor. Aber der Kuss selbst und die Äußerungen über ihn, die haben es ihm ganz offensichtlich angetan. So zitiert er Voltaire:
"Es gibt einen Nerv, der vom Mund bis zum Herzen und dann weiter nach unten führt."
Der Kuss als Gefahr! Im US-Bundesstaat Utah darf ein Kuss in der Öffentlichkeit nicht länger als fünf Minuten dauern, in Indien ist er ganz verpönt, in Dubai drohen gar "Peitschenhiebe". Ähnlich abschreckend wie die Peitsche wirken jene präzis nüchternen Worte, mit denen Güntner eine Anleitung zum Küssen gibt:
"Jochbeinmuskel und Oberlippenheber sind anzuspannen, zugleich hat man Unterlippensenker und Mundwinkelsenker nach unten zu ziehen. Der auf diese Weise kontrahierte Musculus orbicularis oris erzeugt den klassischen Kussmund, der nun noch ein Gegenüber finden muss, auf das er sich presst."