Von Tobias Wenzel
Die deutschen Feuilletons diskutieren über die Ausstellung "Kunst der Aufklärung" in China unter deutscher Beteiligung und die Verhaftung des Künstlers Ai Weiwei. Der Journalist André Müller wird mit mehreren Nachrufen bedacht.
"Wo ist Ai Weiwei?" fragt der Dichter Durs Grünbein in der FAZ nach dem vor einer Woche verhafteten chinesischen Künstler. "Leg dich nicht mit China an, warnen Freunde", schreibt Grünbein weiter. "Ich lege mich nicht mit China an, Gott bewahre. Ich will nur wissen: Wo ist Ai Weiwei?" Ganz unbedarft frage er das, beteuert Grünbein schlitzohrig und findet klare Worte: "Die Macht will nicht spielen, sie frisst Biografien. Das Mundtotmachen ist ihre bewährte Methode."
Einen chinesischen Künstler mundtot zu machen und gleichzeitig eine deutsche Ausstellung zur "Aufklärung" in Peking – das geht nicht zusammen für die Ausstellungsmacher Roger M. Buergel und Ruth Noack. In der FAZ schreiben sie:
"Die vollendete Blauäugigkeit der drei Museumsdirektoren, die immerhin die Chuzpe haben zu behaupten, dass 'die Verhaftung des prominenten Künstlers Ai Weiwei nicht Ausdruck einer grundsätzlichen Verschlimmerung der Verhältnisse in China' sei, [...] darf kein Fundament deutscher Kulturpolitik sein. Sie ist peinlich und zutiefst beschämend."
Die beiden Ausstellungsmacher haben 2007 die Dokumenta in Kassel geleitet, an der auch Ai Weiwei teilnahm. Ihr Fazit: Die Bilder in Peking müssten abgehängt werden. So weit möchte Harry Nutt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU nicht gehen:
"Die Ausstellung über die 'Kunst der Aufklärung' könnte, gerade weil sie Bilder aus einer anderen Zeit importiert, ein wichtiges Scharnier sein. Es kann jedenfalls nicht das Gebot der Stunde sein, der chinesischen Bevölkerung einen kulturellen Transfer vorzuenthalten."
"Nicht abhängen, sondern höher hängen", müsse nun die Devise lauten, schreibt Nutt weiter und plädiert für das richtige "Gespür der Zwischentöne".
So diplomatisch waren die Interviews des Journalisten André Müller nicht. "Sie sind für mich die große Wurstmaschine", warf ihm Alice Schwarzer vor, als er darauf insistierte, über ihren Vater zu sprechen. "Sie kennen doch diese am Tisch angeklemmten Wurstmaschinen, wo alles durchgedreht wird." Daran erinnert Christian Schröder im TAGESSPIEGEL in seinem Nachruf auf den am Sonntag im Alter von 65 Jahren verstorbenen Journalisten. Von Thomas Bernhard bis Günter Grass, große Literaten interviewte Müller, provozierte, ließ nicht locker.
Ihm sei es um "Entblößung" gegangen, schreibt Christian Schröder:
"Eine Entblößung, die immer auch eine Selbstentblößung war, denn nie war ganz auszumachen, wer da am Ende mehr von sich preisgab, der Fragesteller oder der Befragte."
Eine Befragte, nämlich die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, hat schon vor dem Tod Müllers einen Text über diesen Fragesteller geschrieben - nun zu lesen in der WELT. Müllers Interviews mit Literaten seien selbst Literatur, analysiert Elfriede Jelinek.
"André Müller geht gleich ganz in die Menschen hinein, und dann macht er sie zu Sprache, und dann werden sie erst sie selbst."
"Sind Sie ein guter Mensch?" fragte André Müller Michel Houellebecq vor einigen Jahren am Ende eines Interviews. Die lapidare Antwort: "Nein." Stefan Brändle bekam nun in seinem Interview mit dem französischen Skandalautor für die FRANKFURTER RUNDSCHAU ähnlich knappe Antworten. "Warum sind Sie gegen Sterbehilfe?" "Ganz einfach, weil das Mord ist." "Sie, der sicher viel Zeitung liest ... " "Ich lese fast nie Zeitung." "Hat die Prostitution [...] auch gute Seiten?" "Nur gute. Zum Glück gibt es sie."
Ob der Interviewer dem Interviewten glaubte? Vielleicht nicht. Denn die FR gibt in einer Kurzbiografie das Geburtsjahr von Houellebecq mit 1956 an. Der Autor selbst behauptet jedoch, das beruhe auf einer Lüge seiner Mutter. In Wirklichkeit sei er 1958 geboren. Das hat wiederum seine Mutter in der französischen Presse wie folgt kommentiert:
"Mir vorzuwerfen, ich hätte seine Geburtsurkunde gefälscht, während er sich in Wirklichkeit um zwei Jahre jünger gemacht hat, wer weiß warum ... Dieses kleine kokette Arschloch."
Einen chinesischen Künstler mundtot zu machen und gleichzeitig eine deutsche Ausstellung zur "Aufklärung" in Peking – das geht nicht zusammen für die Ausstellungsmacher Roger M. Buergel und Ruth Noack. In der FAZ schreiben sie:
"Die vollendete Blauäugigkeit der drei Museumsdirektoren, die immerhin die Chuzpe haben zu behaupten, dass 'die Verhaftung des prominenten Künstlers Ai Weiwei nicht Ausdruck einer grundsätzlichen Verschlimmerung der Verhältnisse in China' sei, [...] darf kein Fundament deutscher Kulturpolitik sein. Sie ist peinlich und zutiefst beschämend."
Die beiden Ausstellungsmacher haben 2007 die Dokumenta in Kassel geleitet, an der auch Ai Weiwei teilnahm. Ihr Fazit: Die Bilder in Peking müssten abgehängt werden. So weit möchte Harry Nutt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU nicht gehen:
"Die Ausstellung über die 'Kunst der Aufklärung' könnte, gerade weil sie Bilder aus einer anderen Zeit importiert, ein wichtiges Scharnier sein. Es kann jedenfalls nicht das Gebot der Stunde sein, der chinesischen Bevölkerung einen kulturellen Transfer vorzuenthalten."
"Nicht abhängen, sondern höher hängen", müsse nun die Devise lauten, schreibt Nutt weiter und plädiert für das richtige "Gespür der Zwischentöne".
So diplomatisch waren die Interviews des Journalisten André Müller nicht. "Sie sind für mich die große Wurstmaschine", warf ihm Alice Schwarzer vor, als er darauf insistierte, über ihren Vater zu sprechen. "Sie kennen doch diese am Tisch angeklemmten Wurstmaschinen, wo alles durchgedreht wird." Daran erinnert Christian Schröder im TAGESSPIEGEL in seinem Nachruf auf den am Sonntag im Alter von 65 Jahren verstorbenen Journalisten. Von Thomas Bernhard bis Günter Grass, große Literaten interviewte Müller, provozierte, ließ nicht locker.
Ihm sei es um "Entblößung" gegangen, schreibt Christian Schröder:
"Eine Entblößung, die immer auch eine Selbstentblößung war, denn nie war ganz auszumachen, wer da am Ende mehr von sich preisgab, der Fragesteller oder der Befragte."
Eine Befragte, nämlich die Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek, hat schon vor dem Tod Müllers einen Text über diesen Fragesteller geschrieben - nun zu lesen in der WELT. Müllers Interviews mit Literaten seien selbst Literatur, analysiert Elfriede Jelinek.
"André Müller geht gleich ganz in die Menschen hinein, und dann macht er sie zu Sprache, und dann werden sie erst sie selbst."
"Sind Sie ein guter Mensch?" fragte André Müller Michel Houellebecq vor einigen Jahren am Ende eines Interviews. Die lapidare Antwort: "Nein." Stefan Brändle bekam nun in seinem Interview mit dem französischen Skandalautor für die FRANKFURTER RUNDSCHAU ähnlich knappe Antworten. "Warum sind Sie gegen Sterbehilfe?" "Ganz einfach, weil das Mord ist." "Sie, der sicher viel Zeitung liest ... " "Ich lese fast nie Zeitung." "Hat die Prostitution [...] auch gute Seiten?" "Nur gute. Zum Glück gibt es sie."
Ob der Interviewer dem Interviewten glaubte? Vielleicht nicht. Denn die FR gibt in einer Kurzbiografie das Geburtsjahr von Houellebecq mit 1956 an. Der Autor selbst behauptet jedoch, das beruhe auf einer Lüge seiner Mutter. In Wirklichkeit sei er 1958 geboren. Das hat wiederum seine Mutter in der französischen Presse wie folgt kommentiert:
"Mir vorzuwerfen, ich hätte seine Geburtsurkunde gefälscht, während er sich in Wirklichkeit um zwei Jahre jünger gemacht hat, wer weiß warum ... Dieses kleine kokette Arschloch."