Von Tobias Wenzel

Die Filmkritiker der überregionalen Tagespresse lassen ihrer Enttäuschung über die diesjährige Berlinale freien Lauf. Der "Spiegel" macht die "Causa Guttenberg" zum Titelthema und plädiert für den Rücktritt des Verteidigungsministers.
Die Bildredakteure der FRANKFURTER RUNDSCHAU und der WELT hatten dieselbe Idee: Beide Zeitungen drucken ein Foto ab, auf dem sehr viel Stellwand zu sehen ist und, in der rechten unteren Ecke, sehr wenig von einem bärtigen Mann mit dem goldenen Bären. Soll heißen: Außer dem Siegerfilm "Nader und Simin" des iranischen Regisseurs Asghar Farhadi hatte die Berlinale fast nichts zu bieten.

"Diamant und Asche" titelt DIE WELT, "Not macht erfinderisch" die FR, "Verzweifeln am System" die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG. Und die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hat nur "Bären im Winterschlaf" gesehen und "das schwächste Programm seit langem". "Qualitativ spielt der Berlinale-Wettbewerb längst nicht mehr in derselben Liga wie Cannes und Venedig", bemerkt Hanns-Georg Rodek ernüchtert in der WELT. Und die Kollegin von der NZZ, Susanne Ostwald, erläutert das so:

"das Starkino fungiert, so wie auch der Berlinale-Abschlussfilm ‚Unknown’, einzig als Garnitur auf dem Knäckebrot des Wettbewerbs"."

Den Kleinen vom Knäckebrot erzählen, so dass sie meinen, es sei von einer Torte die Rede, das traut man diesem Herrn zu, der da auf dem SPIEGEL-Titelblatt abgebildet ist. Auf dem Boden kauernde Kinder lauschen ebenso gebannt wie unschuldig einem Mann mit nach hinten gegelten Haaren, der im Stuhl sitzend, den linken Fuß nach vorne gestreckt, aus einem großen Buch vorliest:

""Das Märchen vom ehrlichen Karl"

steht über dem Foto. Und: "Doktor der Reserve" über dem entsprechenden Artikel, an dem gleich zehn SPIEGEL-Autoren gearbeitet haben. Wie viele Autoren haben wohl an der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg mitgewirkt?

"Ist der Freiherr also ein Freibeuter des Wissens? Einer, der anderer Leute Gedanken gekapert und unter eigener Flagge verbreitet hat? Die Beweise sind erdrückend",

schreiben die SPIEGEL-Autoren und testen mal aus, wie sich die Vorstellung anfühlt, dass zu Guttenberg Minister bleibt, selbst wenn er keine überzeugende Erklärung für die kopierten Passagen in seiner Doktorarbeit findet: "Die Worte ‚Glaubwürdigkeit’, ‚Aufrichtigkeit’, ‚Authentizität’ würden seltsam wirken aus seinem Mund, ungehörig sogar." Und dann:

"Der Schaden für die Politik wäre immens, ein Rücktritt ist angemessen dafür."

Darüber kann das Publikum der aufgezeichneten Sendung "Wider den tierischen Ernst 2011", die das Erste am Montagabend ausstrahlt, nur lachen, wenn man Bernd Müllender von der TAZ glauben darf. Der designierte Träger des Preises wider den tierischen Ernst, Minister Guttenberg, habe die Veranstaltung absagen lassen und stattdessen seinen jüngeren Bruder Philipp geschickt. Zitat:

"In innerfamiliärer Mission den Bruder aus den Klauen des Bösen retten! Der Coup geriet richtig niedlich. Philipp, beruflich als Holz- und Waldlobbyist in Berlin tätig, wirkt wie eine Copy-&-Paste-Version seines Bruders – mehr Gel im Haar, vielleicht."

Dieser Bruder habe nun gesagt:

"Ich bin lediglich das Plagiat."

Und Lacher und tosenden Beifall geerntet. Gar nicht lustig findet Christian Schlüter den Guttenberg-Skandal. In der FR berichtet er, dass einige "Universität Buyreuth" nun mit "B-u-y" schrieben.

""Schlimmer kann es die Wissenschaft nicht treffen, ihre Unabhängigkeit und Unbestechlichkeit steht in Abrede"."

Auch für Thomas Steinfeld von der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG sind die Plagiate in der Doktorarbeit des Ministers

""keine Lapalie, sondern rühren an den Kern der Universität"."

Über seinem Artikel ist eine strichcodeartige Statistik der Internetseite GuttenPlag Wiki abgeduckt. Derzufolge finden sich auf 268 Seiten von Guttenbergs Doktorarbeit abgekupferte Passagen. Allerdings bei Redaktionsschluss der SZ. Bis zum späten Sonntagabend haben die Plagiatsjäger noch zwei weitere vermeintlich faule Seiten hinzugefügt.