Von Tobias Wenzel
Michael Kleeberg entzaubert im "Spiegel" den Mythos der Dichterin Luise Rinser, die die Grünen 1984 als Bundespräsidenten-Kandidatin ins Rennen schickten: Ihre Biografie hat die Hitler-Verehrerin nachweislich schöngelogen.
"Wir, des großen Führers gezeichnet Verschworene,
Ungeborgen in scharfen Morgenstürmen,
Halten auf Türmen und Gipfeln klirrende Wacht …
Wir jungen Deutschen, wir wachen, siegen oder sterben, denn wir sind treu!"
Jene Verse stammen aus dem Gedicht "Herdfeuer", das in der Blut-und-Boden-Postille veröffentlicht wurde. Die Autorin der Hitler verehrenden Poesie: Luise Rinser und damit jene Frau, die die Grünen 1984 gegen Richard von Weizsäcker ins Rennen um das Bundespräsidentenamt schickten.
"Luise Rinsers Vergesslichkeit. Wie sich die prominente Nachkriegsautorin zur Widerständlerin stilisierte", hat der Schriftsteller Michael Kleeberg seinen SPIEGEL-Artikel genannt. Rinser wäre am 30. April 100 Jahre alt geworden. Und Kleeberg, der Rinser noch persönlich kennengelernt hat, hat ausgiebig recherchiert, weil ihm Widersprüche aufgefallen waren. Je mehr er denen auf den Grund geht, desto mehr zerbröselt das Bild, das wir von Luise Rinser haben, das sie uns vermittelt hat.
Das linke Gewissen der Nation? Kleeberg legt plausibel dar, dass Rinser einst "eine begeisterte Jungnationalsozialistin" war. Und dass sie sich ihre Vergangenheit im Rückblick schöngelogen hat. Sie beschrieb sich selbst als Witwe eines im Krieg gefallenen Widerständlers. Obwohl ihr Mann vom "Regime gefördert" worden war, wie Kleeberg schreibt, und obwohl sie damals mit dem Mann gar nicht mehr verheiratet war und der eine ganz andere Frau als Witwe hinterließ.
Auch in ihrem berühmten "Gefängnistagebuch" hat sie es offensichtlich mit der Wahrheit nicht so genau genommen. So schreibt sie, sie sei wegen Hochverrats angeklagt worden, außerdem bis kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner in Haft gewesen, habe Weihnachten 1944 im Gefängnis verbringen müssen.
Michael Kleeberg widerspricht dem. Anhand eines Dokuments aus dem Nachlass Rinsers belegt er, dass sie bereits am 21. Dezember 1944 aus der Haft entlassen wurde. Außerdem sei sie nie wegen Hochverrats angeklagt worden. Eines sei sie aber sehr wohl immer gewesen, schließt Michael Kleeberg seinen langen Artikel für den SPIEGEL: eine "Mythomanin".
Auch Anna Sauerbrey räumt mit einem Mythos auf, mit der Annahme, das Internet könne Menschen zum politischen Engagement bewegen. Im TAGESSPIEGEL zitiert die Autorin den Politikwissenschaftler Dieter Rucht mit den Worten:
"Das Internet gewinnt an Bedeutung als Mittel der Organisation von Protesten. Als Mittel zur Mobilisierung und Überzeugung taugt es nicht."
Nur warum ist das so? Offensichtlich hat das mehrere Gründe, meint zumindest der ebenfalls im Artikel zitierte Politikwissenschaftler Martin Emmer. Man muss sich wirklich betroffen fühlen, um tatsächlich auf die Straße zu gehen. Und:
"Wer sich einmal an einer Unterschriftenaktion beteiligt hat, muss damit rechnen, immer wieder angemailt zu werden."
Das führe zu "Antifreflexen".
Antireflexe löste auch der Fotograf Will McBride aus. Bei einigen Menschen mit seinem Aufklärungsbuch "Zeig Mal!", das die erwachende Sexualität bei Kindern und Pubertierenden mit eindeutigen Bildern veranschaulichte. Daran erinnert Christian Schröder im TAGESSPIEGEL. Denn der Fotograf wird 80. Da verschweigen die Feuilletonisten auch nicht den immer wieder geäußerten Verdacht der Pädophilie. Der sei entstanden, weil McBride so oft kindliche männliche Körper fotografiert habe. So unschön darf man eine Presseschau nicht enden lassen. Also stattdessen ein griffiges Zitat des Fotografen über das Italien der 50er-Jahre:
"Die Straße war eine einzige Bühne. Die Filme liefen durch meine Leica wie der Wein durch meine Kehle."
Ungeborgen in scharfen Morgenstürmen,
Halten auf Türmen und Gipfeln klirrende Wacht …
Wir jungen Deutschen, wir wachen, siegen oder sterben, denn wir sind treu!"
Jene Verse stammen aus dem Gedicht "Herdfeuer", das in der Blut-und-Boden-Postille veröffentlicht wurde. Die Autorin der Hitler verehrenden Poesie: Luise Rinser und damit jene Frau, die die Grünen 1984 gegen Richard von Weizsäcker ins Rennen um das Bundespräsidentenamt schickten.
"Luise Rinsers Vergesslichkeit. Wie sich die prominente Nachkriegsautorin zur Widerständlerin stilisierte", hat der Schriftsteller Michael Kleeberg seinen SPIEGEL-Artikel genannt. Rinser wäre am 30. April 100 Jahre alt geworden. Und Kleeberg, der Rinser noch persönlich kennengelernt hat, hat ausgiebig recherchiert, weil ihm Widersprüche aufgefallen waren. Je mehr er denen auf den Grund geht, desto mehr zerbröselt das Bild, das wir von Luise Rinser haben, das sie uns vermittelt hat.
Das linke Gewissen der Nation? Kleeberg legt plausibel dar, dass Rinser einst "eine begeisterte Jungnationalsozialistin" war. Und dass sie sich ihre Vergangenheit im Rückblick schöngelogen hat. Sie beschrieb sich selbst als Witwe eines im Krieg gefallenen Widerständlers. Obwohl ihr Mann vom "Regime gefördert" worden war, wie Kleeberg schreibt, und obwohl sie damals mit dem Mann gar nicht mehr verheiratet war und der eine ganz andere Frau als Witwe hinterließ.
Auch in ihrem berühmten "Gefängnistagebuch" hat sie es offensichtlich mit der Wahrheit nicht so genau genommen. So schreibt sie, sie sei wegen Hochverrats angeklagt worden, außerdem bis kurz vor dem Einmarsch der Amerikaner in Haft gewesen, habe Weihnachten 1944 im Gefängnis verbringen müssen.
Michael Kleeberg widerspricht dem. Anhand eines Dokuments aus dem Nachlass Rinsers belegt er, dass sie bereits am 21. Dezember 1944 aus der Haft entlassen wurde. Außerdem sei sie nie wegen Hochverrats angeklagt worden. Eines sei sie aber sehr wohl immer gewesen, schließt Michael Kleeberg seinen langen Artikel für den SPIEGEL: eine "Mythomanin".
Auch Anna Sauerbrey räumt mit einem Mythos auf, mit der Annahme, das Internet könne Menschen zum politischen Engagement bewegen. Im TAGESSPIEGEL zitiert die Autorin den Politikwissenschaftler Dieter Rucht mit den Worten:
"Das Internet gewinnt an Bedeutung als Mittel der Organisation von Protesten. Als Mittel zur Mobilisierung und Überzeugung taugt es nicht."
Nur warum ist das so? Offensichtlich hat das mehrere Gründe, meint zumindest der ebenfalls im Artikel zitierte Politikwissenschaftler Martin Emmer. Man muss sich wirklich betroffen fühlen, um tatsächlich auf die Straße zu gehen. Und:
"Wer sich einmal an einer Unterschriftenaktion beteiligt hat, muss damit rechnen, immer wieder angemailt zu werden."
Das führe zu "Antifreflexen".
Antireflexe löste auch der Fotograf Will McBride aus. Bei einigen Menschen mit seinem Aufklärungsbuch "Zeig Mal!", das die erwachende Sexualität bei Kindern und Pubertierenden mit eindeutigen Bildern veranschaulichte. Daran erinnert Christian Schröder im TAGESSPIEGEL. Denn der Fotograf wird 80. Da verschweigen die Feuilletonisten auch nicht den immer wieder geäußerten Verdacht der Pädophilie. Der sei entstanden, weil McBride so oft kindliche männliche Körper fotografiert habe. So unschön darf man eine Presseschau nicht enden lassen. Also stattdessen ein griffiges Zitat des Fotografen über das Italien der 50er-Jahre:
"Die Straße war eine einzige Bühne. Die Filme liefen durch meine Leica wie der Wein durch meine Kehle."