Von Tobias Wenzel
Die Feuilletons gratulieren Wim Wenders zum 65. Geburtstag. Außerdem werden die Argumente für und gegen Google Street View abgewogen, sowie der neue Roman von Norbert Grstein als Schlüsselroman gefeiert.
"Seine Helden: wortkarge Männer, die aus der Wüste kommen und in die Wüste zurückkehren, verlorene Söhne, verlorene Väter", schreibt Christiane Peitz im TAGESSPIEGEL.
"Seine Stoffe: Deutschland, die Hassliebe zu Amerika, die Musik, die Filmkunst."
Die Rede ist von Wim Wenders. Heute feiert der Filmemacher seinen 65. Geburtstag. Zwar habe Wenders später auch Geschichten erzählt, "auch pathetische Geschichten", so Christiane Peitz weiter.
"Aber die spröde Poesie seiner frühen Filme mit ihrer Scheu vor der Narration hat sich doch am tiefsten eingeprägt."
Hanns-Georg Rodeck hat für "Die Literarische Welt", die Beilage der Tageszeitung DIE WELT, Wim Wenders interviewt. Der erzählt von seiner Arbeit an einem Film über Pina Bausch, der eigentlich ein Film mit ihr werden sollte. Jahrelang wurde das Projekt in die Zukunft verschoben.
"Gerade Pinas Tanztheater ist so lebendig und hat so viel Freiheit und Freude, ich traute mich nicht, das zu filmen – bis ich eines Tages das neue digitale 3D sah."
Doch dann starb Pina Pausch. Im Interview mit der WELT spricht Wenders auch über die Tücken der neuen Technik:
"Alle Fehlerquellen vom 2D-Film potenzieren sich auf 3D."
Google Street View ist zwar noch zwei-, aber die Aufregung über die abfotografierten Straßenzüge schon vieldimensional. Gustav Seibt wird bei dem Thema romantisch und stellt sich für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG eine seit 30 Jahren vergangene Liebe zwischen zwei Menschen vor, der eine aus Europa, der andere aus den USA. Vielleicht blickt der eine von den beiden sehnsuchtsvoll zurück auf die Liebe von einst und guckt sich, sofern er die Wohnadresse des anderen herausgefunden hat, die Hausfassade im Internet über Google Street View an. Aber viele Menschen sind in diesem Punkt nicht ganz so romantisch veranlagt wie Gustav Seibt. Er schreibt:
"Sie reden von Privatsphäre und verlegen deren Grenze in die Mitte der Straßen. Niemand habe ein Recht, die Gardinen zu fotografieren, sagte ein Politiker. Doch, dieses Recht gibt es bisher durchaus. Denn Gardinen sind ja unter anderem dazu da, Blicke abzuwehren, die genau bis zu ihnen dringen dürfen, auch fotografische Blicke."
Nicht die Privatheit des gesammelten Materials sei das Problem, sondern "seine Fülle und unbegrenzte Verfügbarkeit." So Gustav Seibt in der SZ.
Harald Jähner wundert sich in der FRANKFURTER RUNDSCHAU darüber, dass Street View überhaupt die Gemüter so erhitzt. Ein Argument gegen den neuen Google-Dienst wie "Ehebrecher könnten überführt werden", lässt Jähner nicht gelten. Zitat:
"Der latente Voyeurismus, mit dem man das Internet durchschweift, rächt sich, wenn man plötzlich sich selbst als potenzielles Objekt von Ausspähungen erblickt."
Aber sieht man das, was man zu sehen glaubt? Die FR druckt ein Street-View-Foto ab, auf dem ein Mädchen tot auf einer Londoner Straße zu liegen scheint. Allerdings stellte sich später heraus, dass sich das Kind nur für das Kameraauto von Google tot gestellt hatte.
"Rufmord ohne Tote", so der Titel einer Rezension von Christoph Bartmann in der SZ. Es geht um "Die ganze Wahrheit", den neuen Roman von Norbert Gstrein. Der hatte seinen alten Verlag, Suhrkamp, im Streit verlassen. Nun gab's die Rache an der Verlegerin Ulla Berkéwicz in Form eines Schlüsselromans, meint Christoph Bartmann und fragt verwundert:
"Will Norbert Gstrein uns glauben machen, dass man nach dem 'linguistic turn' niemanden mehr beleidigen kann, weil sowieso alles nur Text ist?"
Arno Widmann von der FR empfand die Lektüre dagegen größtenteils als "eine Freude" und meint gar, ein neues Genre ausgemacht zu haben: den "Berkéwicz-Roman". Kollege Christoph Schröder von der TAZ klingt weniger euphorisch, wenn er schreibt, Norbert Gstrein habe "seine ohne Zweifel vorhandene Könnerschaft auf dem Altar der Rache geopfert".
"Seine Stoffe: Deutschland, die Hassliebe zu Amerika, die Musik, die Filmkunst."
Die Rede ist von Wim Wenders. Heute feiert der Filmemacher seinen 65. Geburtstag. Zwar habe Wenders später auch Geschichten erzählt, "auch pathetische Geschichten", so Christiane Peitz weiter.
"Aber die spröde Poesie seiner frühen Filme mit ihrer Scheu vor der Narration hat sich doch am tiefsten eingeprägt."
Hanns-Georg Rodeck hat für "Die Literarische Welt", die Beilage der Tageszeitung DIE WELT, Wim Wenders interviewt. Der erzählt von seiner Arbeit an einem Film über Pina Bausch, der eigentlich ein Film mit ihr werden sollte. Jahrelang wurde das Projekt in die Zukunft verschoben.
"Gerade Pinas Tanztheater ist so lebendig und hat so viel Freiheit und Freude, ich traute mich nicht, das zu filmen – bis ich eines Tages das neue digitale 3D sah."
Doch dann starb Pina Pausch. Im Interview mit der WELT spricht Wenders auch über die Tücken der neuen Technik:
"Alle Fehlerquellen vom 2D-Film potenzieren sich auf 3D."
Google Street View ist zwar noch zwei-, aber die Aufregung über die abfotografierten Straßenzüge schon vieldimensional. Gustav Seibt wird bei dem Thema romantisch und stellt sich für die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG eine seit 30 Jahren vergangene Liebe zwischen zwei Menschen vor, der eine aus Europa, der andere aus den USA. Vielleicht blickt der eine von den beiden sehnsuchtsvoll zurück auf die Liebe von einst und guckt sich, sofern er die Wohnadresse des anderen herausgefunden hat, die Hausfassade im Internet über Google Street View an. Aber viele Menschen sind in diesem Punkt nicht ganz so romantisch veranlagt wie Gustav Seibt. Er schreibt:
"Sie reden von Privatsphäre und verlegen deren Grenze in die Mitte der Straßen. Niemand habe ein Recht, die Gardinen zu fotografieren, sagte ein Politiker. Doch, dieses Recht gibt es bisher durchaus. Denn Gardinen sind ja unter anderem dazu da, Blicke abzuwehren, die genau bis zu ihnen dringen dürfen, auch fotografische Blicke."
Nicht die Privatheit des gesammelten Materials sei das Problem, sondern "seine Fülle und unbegrenzte Verfügbarkeit." So Gustav Seibt in der SZ.
Harald Jähner wundert sich in der FRANKFURTER RUNDSCHAU darüber, dass Street View überhaupt die Gemüter so erhitzt. Ein Argument gegen den neuen Google-Dienst wie "Ehebrecher könnten überführt werden", lässt Jähner nicht gelten. Zitat:
"Der latente Voyeurismus, mit dem man das Internet durchschweift, rächt sich, wenn man plötzlich sich selbst als potenzielles Objekt von Ausspähungen erblickt."
Aber sieht man das, was man zu sehen glaubt? Die FR druckt ein Street-View-Foto ab, auf dem ein Mädchen tot auf einer Londoner Straße zu liegen scheint. Allerdings stellte sich später heraus, dass sich das Kind nur für das Kameraauto von Google tot gestellt hatte.
"Rufmord ohne Tote", so der Titel einer Rezension von Christoph Bartmann in der SZ. Es geht um "Die ganze Wahrheit", den neuen Roman von Norbert Gstrein. Der hatte seinen alten Verlag, Suhrkamp, im Streit verlassen. Nun gab's die Rache an der Verlegerin Ulla Berkéwicz in Form eines Schlüsselromans, meint Christoph Bartmann und fragt verwundert:
"Will Norbert Gstrein uns glauben machen, dass man nach dem 'linguistic turn' niemanden mehr beleidigen kann, weil sowieso alles nur Text ist?"
Arno Widmann von der FR empfand die Lektüre dagegen größtenteils als "eine Freude" und meint gar, ein neues Genre ausgemacht zu haben: den "Berkéwicz-Roman". Kollege Christoph Schröder von der TAZ klingt weniger euphorisch, wenn er schreibt, Norbert Gstrein habe "seine ohne Zweifel vorhandene Könnerschaft auf dem Altar der Rache geopfert".