Von Tobias Wenzel
Die "Süddeutsche" kritisiert die Berichterstattung über die Leichtathletik-WM. Außerdem würdigen die Feuilletons die verstorbene Opernsängerin Hildegard Behrens und berichten, dass Israelis und Palästinenser gemeinsam filmen und fotografieren, um gegen die Siedlerpolitik Israels zu protestieren.
"Wenn kleine Jungs gefragt werden, was sie mal werden wollen", lässt Holger Gertz seinen Artikel in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG wehmütig beginnen. Aber die Wehmut stellt sich bald als raffiniertes Kalkül heraus. Er will auf den Wunschberuf des Sportreporters hinaus und zwei bestimmte Reporter abwatschen. Und das macht Gertzt gekonnt. Seine Opfer: Sigi Heinrich und Dirk Thiele, die für Eurosport von der Leichtathletik-WM berichten und so sehr Kinder geblieben sind, dass man ihnen am liebsten den Mund mit einem Schnuller verstopfen möchte, damit die naive Floskeldrescherei ein Ende hat. Zitat:
"Ihr Sender erlaubt es ihnen, mit ewigem Kinderblick in die Arena zu schauen."
Und Doping passt nicht ins Kinderzimmer. Gertz zitiert den Sportreporter Heinrich mit folgenden Bemerkungen zum Jamaikaner Usain Bolt. Der lief über 100 Meter einen Weltrekord, der fabelhaft war, vermutlich fabelhaft gedopt:
"‚Ein Mozart des 100-Meter-Laufs, das ist er ganz bestimmt. […]’ – ‚Klar ist auch, große Menschen bewegen sich schneller, auch wenn es langsamer aussehen mag, man braucht nur einen Blick ins Tierreich zu werfen, da ist das ja auch so ähnlich.’"
Christof Siemes muss nicht erst ins Tierreich für seinen "41 Schritte" betitelten Artikel für DIE ZEIT. Er verweist auf – Zitat – "jene Dialektik, die die einzig mögliche Haltung gegenüber dem modernen Spitzensport zu sein scheint: Man glaubt dem Helden nicht mehr – und bewundert ihn doch. Es gibt den unbändigen Willen zur romantischen Selbsttäuschung." Sein Fazit:
"Letztlich funktioniert Bolts Lauf wie ein Kunstwerk, in dessen Rezeption man ein Leben buchstäblich durchläuft, das einem selbst nicht möglich ist."
Auch die Opernsängerin Hildegard Behrens durchlief in der Kunst andere, extreme Leben, zum Beispiel die Salome unter Karajan, ihrem Entdecker. Am Dienstag ist sie überraschend im Alter von 72 Jahren bei einem Festival in Tokio gestorben.
"Hildegard Behrens war jedoch kein pures Stimmwunder, sondern vor allem eine Darstellerin von bezwingender Expressivität – man wird ihr rückwirkend nicht gerecht, wenn man nur die Schallplattenaufnahmen heranzieht"," gibt Jens Malte Fischer in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu bedenken und nimmt damit Jürgen Kesting das Wort aus dem Mund und den Wind aus den Segeln. Kesting hat seinen Nachruf in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG "Man muss der Stimme ein Gesicht geben" genannt.
Auf die Macht des Visuellen setzen auch die sogenannten "Kämpfer für den Frieden", mit denen Christoph Gunkel für den RHEINISCHEN MERKUR in den Krieg gezogen ist:
""Ihre neuen Waffen: Fotoapparate, Videokameras, Symbole. Ihre Verbündeten: die Medien."
Israelis und Palästinenser filmen und fotografieren gemeinsam, um gegen die Siedlerpolitik Israels zu protestieren, schleichen sich an israelische Außenposten heran, schwärmen in alle Richtungen aus, um die Soldaten in den Wahnsinn zu treiben, die Grimassen wutschnaubender israelischer Siedler einzufangen und auf YouTube zu veröffentlichen. Die Aktivisten sind zufrieden, die Siedler sehen die Soldaten auf ihrer Seit und die Soldaten sind froh, dass auch diese Aktionen irgendwann beendet sind. In den Worten von Christoph Gunkel:
"Es könnte fast der Eindruck entstehen, als ob am Ende alle gewonnen hätten."
Bei einer anderen Form von Internetpublikation kann es auch ganz schnell Verlierer geben. "Bin Presse. Reicht doch. Maul zu", so nennt Michael Hanfeld seinen Artikel in der FAZ. Er leidet nicht an sprachlichem Durchfall, sondern zitiert nur einen Blogger der Plattform Twitter. Der hatte den Polizeifunk, der den Amoklauf von Schwalmtal betraf, abgehört, mitgeschrieben und im Internet veröffentlicht. Hanfeld sieht in diesem Vorfall einen Beleg für seine These, dass das journalistische Ethos geschützt werden muss. Das sehen auch viele Twitter-Nutzer so, die dem Blogger Sensationsgeilheit vorwarfen, was ihn nicht beeindruckte:
"‚Ich werde weiterhin Polizei und Notruf Funk illegal abhören und hier posten […] und wer was dagegen hat bekommt auf die Fresse."
Sich selbst nannte er, Zitat: "Presse. Reicht doch … Maul zu."
"Ihr Sender erlaubt es ihnen, mit ewigem Kinderblick in die Arena zu schauen."
Und Doping passt nicht ins Kinderzimmer. Gertz zitiert den Sportreporter Heinrich mit folgenden Bemerkungen zum Jamaikaner Usain Bolt. Der lief über 100 Meter einen Weltrekord, der fabelhaft war, vermutlich fabelhaft gedopt:
"‚Ein Mozart des 100-Meter-Laufs, das ist er ganz bestimmt. […]’ – ‚Klar ist auch, große Menschen bewegen sich schneller, auch wenn es langsamer aussehen mag, man braucht nur einen Blick ins Tierreich zu werfen, da ist das ja auch so ähnlich.’"
Christof Siemes muss nicht erst ins Tierreich für seinen "41 Schritte" betitelten Artikel für DIE ZEIT. Er verweist auf – Zitat – "jene Dialektik, die die einzig mögliche Haltung gegenüber dem modernen Spitzensport zu sein scheint: Man glaubt dem Helden nicht mehr – und bewundert ihn doch. Es gibt den unbändigen Willen zur romantischen Selbsttäuschung." Sein Fazit:
"Letztlich funktioniert Bolts Lauf wie ein Kunstwerk, in dessen Rezeption man ein Leben buchstäblich durchläuft, das einem selbst nicht möglich ist."
Auch die Opernsängerin Hildegard Behrens durchlief in der Kunst andere, extreme Leben, zum Beispiel die Salome unter Karajan, ihrem Entdecker. Am Dienstag ist sie überraschend im Alter von 72 Jahren bei einem Festival in Tokio gestorben.
"Hildegard Behrens war jedoch kein pures Stimmwunder, sondern vor allem eine Darstellerin von bezwingender Expressivität – man wird ihr rückwirkend nicht gerecht, wenn man nur die Schallplattenaufnahmen heranzieht"," gibt Jens Malte Fischer in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG zu bedenken und nimmt damit Jürgen Kesting das Wort aus dem Mund und den Wind aus den Segeln. Kesting hat seinen Nachruf in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG "Man muss der Stimme ein Gesicht geben" genannt.
Auf die Macht des Visuellen setzen auch die sogenannten "Kämpfer für den Frieden", mit denen Christoph Gunkel für den RHEINISCHEN MERKUR in den Krieg gezogen ist:
""Ihre neuen Waffen: Fotoapparate, Videokameras, Symbole. Ihre Verbündeten: die Medien."
Israelis und Palästinenser filmen und fotografieren gemeinsam, um gegen die Siedlerpolitik Israels zu protestieren, schleichen sich an israelische Außenposten heran, schwärmen in alle Richtungen aus, um die Soldaten in den Wahnsinn zu treiben, die Grimassen wutschnaubender israelischer Siedler einzufangen und auf YouTube zu veröffentlichen. Die Aktivisten sind zufrieden, die Siedler sehen die Soldaten auf ihrer Seit und die Soldaten sind froh, dass auch diese Aktionen irgendwann beendet sind. In den Worten von Christoph Gunkel:
"Es könnte fast der Eindruck entstehen, als ob am Ende alle gewonnen hätten."
Bei einer anderen Form von Internetpublikation kann es auch ganz schnell Verlierer geben. "Bin Presse. Reicht doch. Maul zu", so nennt Michael Hanfeld seinen Artikel in der FAZ. Er leidet nicht an sprachlichem Durchfall, sondern zitiert nur einen Blogger der Plattform Twitter. Der hatte den Polizeifunk, der den Amoklauf von Schwalmtal betraf, abgehört, mitgeschrieben und im Internet veröffentlicht. Hanfeld sieht in diesem Vorfall einen Beleg für seine These, dass das journalistische Ethos geschützt werden muss. Das sehen auch viele Twitter-Nutzer so, die dem Blogger Sensationsgeilheit vorwarfen, was ihn nicht beeindruckte:
"‚Ich werde weiterhin Polizei und Notruf Funk illegal abhören und hier posten […] und wer was dagegen hat bekommt auf die Fresse."
Sich selbst nannte er, Zitat: "Presse. Reicht doch … Maul zu."