Von Tobias Wenzel

Die "SZ" berichtet, mitten in der Affäre um den CSU-Sprecher Hans Michael Strepp, über einen ähnlichen Anruf aus der CSU beim BR. Die "FAZ" blickt nach Weißrussland und nimmt dort die Pressefreiheit unter die Lupe. Und im Berliner "Tagesspiegel" wird gefragt, wie weit es der Schweizer Regisseur Milo Rau bringen wird mit seinem Versuch, die Prozesse um die Band Pussy Riot nachzuinszenieren.
"Ruf doch mal an", titelt die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG auf ihrer Medienseite. 'Och, das ist aber ein süßer Aufruf!' könnte man denken. Wäre nicht direkt darüber ein großes Foto von Markus Söder abgedruckt und läse man nicht folgenden Untertitel: "Nach der Katastrophe von Fukushima zeigte der BR einen Film über die Energie-Politik Markus Söders. Dann griff seine Sprecherin zum Telefon - und der Beitrag fiel aus dem Programm". Detlef Esslinger hat dazu recherchiert.

Nach dem mittlerweile zurückgetretenen CSU-Sprecher Hans Michael Strepp soll nun also schon zuvor jemand aus der CSU versucht haben, politischen Einfluss auf einen öffentlich-rechtlichen Fernsehsender in Deutschland zu nehmen. Es geht um einen für den damaligen bayerischen Umweltminister Söder unvorteilhaften Bericht für die Frühausgabe der BR-Nachrichtensendung "Rundschau" vom 17. März 2011.

Der Autor des Beitrags hatte Äußerungen des Ministers zur Sicherheit des "Atomkraftwerks Isar I" zusammengeschnitten, die Söder vor und nach dem Unglück in Fukushima getan hatte und die sich widersprachen. "Ein erstaunlicher Minister" lautete der Kommentar im Beitrag. Daraufhin habe Söders Pressesprecherin Ulrike Strauß in der Fernsehredaktion angerufen. In der späteren Rundschau-Ausgabe wurde der Beitrag durch einen anderen ersetzt, in dem sich Söder nicht mehr selbst widersprach. Der BR erklärt der SZ auf Anfrage, der ursprüngliche Beitrag sei allein aus journalistischen Gründen aus dem Programm genommen worden.

"Sauer" habe Söders Pressesprecherin Ulrike Strauß am Telefon geklungen, erinnert sich der Chef vom Dienst Bernd Löffler. Sie habe gefragt: "Wird das noch mal gesendet?" und dann den Redaktionsleiter an dessen freiem Tag zu Hause angerufen. Ulrike Strauß beantwortet die kritischen Fragen der SZ nicht selbst, sondern lässt ihren Kollegen Thomas Neumann erklären: Frau Strauß habe "aus journalistisch-fachlichen Gründen festgestellt, dass dieser Beitrag nicht sachgerecht ist".

Egal, welche Partei welchen Sender auch immer beeinflussen will - was im schlimmsten Fall daraus entstehen kann, sieht man in Weißrussland. Das Land geht mit Hilfe des Staatsfernsehens gegen andersdenkende Menschen vor. Darüber schreibt Ingo Petz in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG.

Über "gefährliche Themen, aufrichtige Interviews, journalistische Recherchen, schockierende Fakten" aus "der Welt der Verbrecher" will "Zona X", ein Programm des Staatsfernsehsenders BT, laut eigener Auskunft berichten. Ein Beitrag vom 23. Oktober widmet sich "Arche", einer (Zitat aus der Zeitschrift) "mit übelriechender Literatur". 5500 Exemplare seien beschlagnahmt worden. Ingo Petz kommentiert das so: "Intellektuelle sollen diffamiert werden, indem sie auf eine Ebene mit Betrügern, Terroristen und Mördern gehoben werden." Die Zeitschrift "Arche", für Petz ein "Hoffnungsschimmer" in der gleichgeschalteten Medienlandschaft Weißrusslands, setzt sich seit 1998 kritisch mit der Geschichte des Landes auseinander und befasst sich auch mit der aktuellen Diktatur. Im September wurde der Chefredakteur der Zeitschrift wegen angeblicher Steuerhinterziehung festgenommen. Der Chefredakteur ist sich sicher: "Da steckt der Geheimdienst dahinter."

Ingo Petz findet den Vorgang auch noch aus einem anderen Grund bemerkenswert: "Dass sich das Regime mit einer intellektuellen Zeitschrift beschäftigt, die der Mehrheit der Bevölkerung gar nicht bekannt sein dürfte, zeigt, wie nervös die Machthaber im Moment sind."

Ob die russischen Machthaber im nächsten Frühjahr wohl cool genug sind, den Schweizer Milo Rau seine Inszenierung der "Moskauer Prozesse" in Russland uraufführen zu lassen? Rau, der zuletzt die Erklärung des Massenmörders Breivik von einer deutsch-türkischen Schauspielerin vorlesen ließ, möchte im März 2013 im Moskauer Sacharow-Zentrum den Prozess gegen die Punk-Band Pussy Riot neu inszenieren. Darüber berichtet Christine Wahl im TAGESSPIEGEL. Der Ehemann einer der verurteilten Sängerinnen werde dann stellvertretend für seine Frau "im Gitterkäfig sitzen". Aber auch der offizielle Sprecher des radikalen Flügels der orthodoxen Kirche soll auf der Bühne zu Wort kommen. Der Ausgang dieses inszenierten Prozesses ist laut Regisseur noch völlig offen.