Von Tobias Wenzel

Der "Spiegel" spricht mit dem russischen Bassbariton Jewgenij Nikitin, der von den Bayreuther Wagner-Festspielen abreisen musste. Die "FAZ" übt Kritik an musealer Multimedialität. Und die "Frankfurter Rundschau" berichtet von den Recherchen des chinesischen Schriftstellers Liao Yiwu zum Christentum in seinem Heimatland.
"Der Spiegel ist das letzte Blatt, mit dem ich spreche",

behauptet der russische Opernsänger Jewgenij Nikitin im Interview mit Benjamin Bidder und Joachim Kronsbein. Nikitin wirkt genervt, beleidigt. Drum wird es ein kurzes Gespräch, das gerade mal eine Seite im neuen SPIEGEL füllt. Und das auch nur deshalb, weil auch noch zwei Fotos von Nikitin (mit nacktem, stark tätowiertem Oberkörper) eingefügt sind: Eines zeigt ihn als Schlagzeuger im Jahr 2008. Auf der rechten Brust sieht man das Hakenkreuz, das jüngst einen Skandal verursachte. Der Bassbariton durfte nicht mehr bei den Bayreuther Festspielen singen. Auf einem aktuellen Foto des Russen ist anstelle des Hakenkreuzes ein achteckiger, klobiger Stern zu sehen. Der hat das Nazi-Symbol gewissermaßen geschluckt.

"Ein Tattoo zu stechen ist ein langwieriger, schmerzhafter Prozess",

erklärt Nikitin dem SPIEGEL, nicht, weil er beweisen will, dass selbst ein einstiger Heavy-Metal-Musiker Gefühle hat. Vielmehr behauptet er: Was wie ein Hakenkreuz aussah, sei nie eines gewesen, sondern nur eine Momentaufnahme des werdenden Stern-Tattoos. Kann es einen derart dummen und umständlichen Tätowierer geben, der erst ein Hakenkreuz sticht, um dann in späteren Sitzungen einen Stern daraus zu machen? Eine ähnliche Frage ist wohl auch den SPIEGEL-Interviewern durch den Kopf geschossen. Ihr Kommentar:

"Das ist doch eine nachträgliche Schutzbehauptung."

Und:

"Warum geben Sie nicht einfach zu, dass es eine Jugendsünde war?" Reaktion Nikitins: "Mir ist es egal, ob mir jemand glaubt. Ich habe dem nichts hinzuzufügen."

Ob Kinder ihm die wohl mit schlechten PR-Beratern ausgedachte Pinocchio-Äußerung geglaubt hätten? Jedenfalls hätten sie sich mit einem "Ich habe dem nichts hinzuzufügen" nicht abspeisen lassen und "Warum?" gefragt.

"Wieso, weshalb, warum? Wer nicht fragt, bleibt dumm".

In der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG führt Melanie Mühl das berühmte Lied der Sesamstraße an, weil es ihrer Meinung nach an solchen Fragen mangelt. Und zwar beim Gang durch die multimedial getunten Museen. Filmchen und Audioguides würden zwar uns Ausstellungsbesuchern viele Antworten geben, aber eben auch das Fragen und Denken abnehmen. Eine

"Bankrotterklärung an die eigene Kreativität"

sei das.

"Man würde sich nicht wundern, bald bebrillt vor einem Bruegel zu stehen, aus dem nach und nach einzelne Figuren heraustreten und von den Mühsalen des bäuerlichen Lebens berichten",

schreibt die FAZ-Autorin. Die lehnt nicht etwa museale Multimedialität grundsätzlich ab, ist allerdings von einem multimediafreien Saal des Frankfurter Senckenberg-Museums entzückt: Vögel, darunter ein Zwergpapagei aus Papua-Neuguinea, ganz unbeweglich in altmodischen Schaukästen, angebrachte Tafeln mit knappen Erläuterungen. Der Schaukasten vertraue

"auf die Kraft des Exponats, dessen Aura den Betrachter schon in Staunen versetzen und zum Innehalten bewegen"

werde, schreibt Melanie Mühl.

Inne hielt auch der Autor Liao Yiwu, als er 1998 in China mit einem Neurologen sprach, der seinen Beruf aufgegeben hatte, um in einer protestantischen Kirche im Untergrund zu predigen. Darüber und über Liaos auf Englisch erschienenes Buch "God Is Red" berichtet Arno Widmann in der FRANKFURTER RUNDSCHAU.

"Ich gehe nicht zur Kirche",

hat Liao Yiwu dem ehemaligen Neurologen entgegnet. Und der darauf:

"Ich auch nicht. Die Kirchen werden alle von der Regierung kontrolliert."

Liao Yiwu, der heute als Dissident in Berlin lebt, interessierte sich plötzlich für die Geschichte der Christen in China. Und führte viele Interviews mit Gläubigen. 70 bis 80 Millionen Christen soll es in China geben. Mindestens "zwanzig hochrangige Vertreter der katholischen Kirche" befänden sich in chinesischen Gefängnissen, so Widmann. Einige Chinesen, besonders die in Millionenstädten, laufen zum Christentum über, weil sie es cool finden. In den Worten Liaos:

"Sie haben das Christentum ergriffen, wie sie nach einer Flasche Coca-Cola oder einem Volkswagen gegriffen haben. Sie glauben, wie ein ausländisches Produkt, sei auch ein ausländischer Glaube einfach von besserer Qualität."