Von Tobias Wenzel

Verschiedene Feuilletons würdigen den Theaterregisseur Dimiter Gotscheff, der in Berlin gestorben ist. Die TAZ berichtet, dass dem deutschen Hobbymusiker und Journalisten Johannes Niederhauser mit dem Argument „Amerika weiß alles“ die Einreise in die USA verweigert wurde.
„Seine tollen, vollen Haare trug ‚Mitko‘, wie ihn alle nannten, auch im Alter noch schulterlang, und zwar so extrem linksgescheitelt, dass er die silbergrau gewordene Mähne rechts über die Stirn ins Gesicht fallen ließ. Das war so etwas wie sein Markenzeichen: Mitkos Gesichtsvorhang.“

Christine Dössel zeigt sich in ihrem Nachruf auf Dimiter Gotscheff beeindruckt von dessen Künstler-Erscheinung. Der Theaterregisseur

„soff viel und rauchte immer“,

schreibt sie in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG,

„seine Stimme bekam dadurch dieses dunkle, rauchige Timbre“.

Und sein Werk?

„Gotscheffs Theater war – bei allen Humoreinbrüchen, die es auch gab – ein ernstes, oft auch schweres und politisches Theater. Ein Theater, in dem es um die entscheidenden Fragen des Lebens geht.“

Und die habe er oft in den Theaterstücken toter Autoren gesucht, bemerkt Reinhard Wengierek in der WELT:

„Er las Shakespeare, Tschechow, Aischylos oder eben Müller mit dem Fazit: ‚Das ist nicht vergangen, das fängt erst an.‘“

Irene Bazinger schreibt in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG, Gotscheff sei

„seinem stringenten und wortgenauen, manchmal allerdings intellektuell arg verquälten Aufklärungstheater treu“

geblieben. Sie erinnert daran, wie Gotscheff Anfang der 60er Jahre aus seinem Geburtsland Bulgarien in die DDR übersiedelte und eigentlich Tierarzt werden wollte, und zitiert einen Satz Gotscheffs aus dem Jahr 2005:

„Ich habe doch dauernd mit den schönsten aller Tiere zu tun – den Schauspielern.“

Einem anderen gebürtigen Bulgaren, nämlich dem Schriftsteller Ilija Trojanow, wurde jüngst die Einreise in die USA verweigert. Die Begründung dafür kennt er bis heute nicht. Auch wenn er vermutet, das hänge mit seinem publizistischen Engagement gegen den Überwachungswahn der Geheimdienste zusammen. Daniel Kretschmar berichtet nun in der TAZ über den deutschen Hobbymusiker und Journalisten Johannes Niederhauser. Der wurde am Flughafen von Minneapolis verhört und dann nach Europa abgeschoben.

„Amerika weiß alles“,

habe ihm ein US-Grenzbeamter gesagt, als Niederhauser fragte, woher er alle möglichen Informationen über ihn, unter anderem seinen Künstlernamen, habe. Niederhauser ist sich keiner Schuld bewusst. Sollten ihm zwei kritische Artikel über Obama zum Verhängnis geworden sein? Die Abschiebung und der Satz „Amerika weiß alles“ haben allerdings Spuren bei ihm hinterlassen, so TAZ-Autor Kretschmar:

„Johannes Niederhauser hat diese Botschaft verstanden. Er beschreibt, wie ihn seit dem Erlebnis Übelkeit beim Anblick von Uniformierten überkommt, wie Angstschweiß ihn selbst auf einem innereuropäischen Flug plagt.“

Kretschmar wähnt Niederhauser im so genannten

„Panopticon“.

So nannte der Philosoph Michel Foucault ein, aus der Sicht der Herrscher, ideales Gefängnis:

„Die Insassen des Gefängnisses können jederzeit beobachtet werden, ohne zu wissen, ob sie im konkreten Moment im Blick des Wärters sind. Der sitzt in seinem Turm – oder eben gerade nicht –, und seine Arbeit, die Disziplinierung der Insassen, wird von denen selber erledigt. Aus Angst vor der Überwachung und folgenden Sanktionen bei Regelverletzungen internalisieren sie den Überwacher. Es ist ein perfektes System der permanenten Selbstkontrolle.“

Kontrollieren wir uns vielleicht alle schon selbst, seit wir durch Snowden von der Totalüberwachung wissen?

Zum Schluss zum Totalüberwacher Nummer 1: Gott. Kurt Flasch, 83-jähriger Experte für mittelalterliches Denken und das Christentum, erzählt im Interview mit dem SPIEGEL, wie er Agnostiker wurde. Von der Begeisterung für den neuen Papst Franziskus lässt sich der ehemalige Katholik Flasch nicht anstecken:

„Ich glaube, der Laden, damit meine ich den Vatikan, ist nicht mehr zu retten.“

Und weiter:

„Ich habe einen gewissen Respekt vor dem alten Christentum, das sagt, entweder du glaubst, oder du kommst in die Hölle. Damit kann ich etwas anfangen, mit dem heutigen Drumherumreden vieler Theologen nicht. Die wissen ja noch nicht einmal mehr, ob es die Hölle gibt.“