Von Tobias Wenzel

Der Film "Feuchtgebiete" lief beim Festival von Locarno und hat einigen Kritiker-Ekel erregt - aber nicht nur. Repressionen gegen türkische Journalisten und eine pakistanische Superheldin mit Burka sind weitere Themen der Feuilletons.
"Und so ist wieder einmal ein Film besser als das Buch", schreibt Martin Walder in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG über das Thema, das die Feuilletons an diesem Montag bestimmt: David Wnendts Verfilmung von Charlotte Roches Roman "Feuchtgebiete", der am Sonntag in Locarno lief und in eineinhalb Wochen in die Kinos kommt. Man könne sich diesen Film sogar anschauen, "ohne vor lauter Ekel aus dem Kino zu rennen", behauptet im SPIEGEL Georg Diez, der zum Glück nicht in der Haut von Felicitas von Lovenberg steckt. "Dieser Film ist eine Zumutung, ein Anschlag auf die Sinne, ein Ausreizen des persönlichen Ekels", schreibt sie in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG. "Man sollte kurz vorher lieber nichts gegessen oder getrunken haben; während des Films bleibt einem ohnehin alles im Halse stecken." Der abschließende Satz – ein Todesurteil: "es hätte der Verfilmung diese Romans nicht bedurft". Zuvor hat Felicitas von Lovenberg allerdings die Hauptdarstellerin Carla Juri ausführlich gelobt.

Hanns-Georg Rodek porträtiert die 28-jährige Schweizerin in der WELT: "Während in Deutschland die Charlotte-Roche-Debatte tobte, ging Carla Juri in der New Yorker Provinz in Feuchtgebiete", schreibt er und zitiert die Tessinerin, die in den USA aufs College ging: "Wir sind durchs Moor gewandert, und die ganz Klasse hat Insekten gesucht, Wasser bis über die Knie. Wir kamen dann voller Matsch wieder heraus und haben mit Kleidern geduscht. Fand ich super." Nicht jedoch das Zoomen auf ihre Sexualorgane im Film: "ich hatte ein Bodydouble für Nahaufnahmen von gewissen Orten", verrät sie.

Wäre die Schauspielerin aus Istanbul, würde ihr jetzt in der Türkei vermutlich der Prozess gemacht. Zum Beispiel, weil sie durch das Mitwirken an diesem Film der türkischen Justiz den Kopf verdreht. Durchaus vorstellbar, wenn man Karen Krügers Artikel in der FAZ liest. Sie traf in Deutschland zwei türkische Journalisten, die nun in Abwesenheit in der Türkei zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden sind. Im Rahmen des so genannten Ergenekon-Prozesses. 2008 begann er vielversprechend. Antidemokratische Militärs, Polizisten und Akademiker, die sich in einem Geheimbund namens "Ergenekon" verschworen haben sollen, wurden angeklagt. Im Laufe der Jahre seien die Hoffnungen der Demokratie-Verfechter allerdings enttäuscht worden, schreibt Karen Krüger: "Ergenekon wurde zu einem Freibrief, all jene zum Schweigen zu bringen, die sich der Ideologie der Regierung widersetzen." So auch Adnan Türkkan, Chefredakteur eines Fernsehsenders. Er gründete einst mit Freunden eine Jugendorganisation namens TGB. Offensichtlich dient das nun der Justiz als Vorwand, um ihn, den kritischen Journalisten und Gegner von Erdogans AKP, aus dem Weg zu schaffen. Zitat Türkkans: "Das Gericht sagte, dass die Behörden sich wegen dieser Aktionen gezwungen gesehen hätten, sich mit der TGB auseinanderzusetzen. Dadurch seien [sie] von anderen wichtigen Dingen abgelenkt worden". Sechs Jahre Gefängnis gibt’s nun für die Ablenkung der türkischen Justiz.

In Pakistan gibt’s, wie Laura Hofmann in der TAZ berichtet, jeden Sonntag hunderttausende begeisterte Zuschauer und bitterbösen Protest, wenn man aus einer Burkaträgerin eine Animationsfilmheldin macht. "Die Burka ist ein Symbol der Unterdrückung in Pakistan", zeigt sich eine Menschenrechtlerin über die Animationsserie ähnlich empört wie ein Vertreter einer fundamentalistischen Partei: Die Burka "für Charaktere in Comics zu benutzen", sei "eine Beleidigung einer Religion und ihrer Symbole". Doch die fiktive Superheldin, eine Lehrerin an einer Mädchenschule, setzt sich weiter unbeirrt für Gerechtigkeit ein. "Zum Beispiel um gegen die Taliban und korrupte Politiker zu kämpfen", schreibt Laura Hofmann. "Sie ist dabei nur mit Bleistift und Buch bewaffnet. Die Burka dient ihr als Umhang, mit dem sie über Pakistan gleitet. Von Kopf bis Fuß verschleiert, nimmt sie es mit islamistischen Extremisten auf, die Mädchenschulen schließen wollen."