Von Tobias Wenzel
Die "Süddeutsche Zeitung" und "Le Monde" tauschen ihre Redakteure im Sinne der deutsch-französischen Freundschaft, die "tageszeitung" regt sich über den Berliner Zoodirektor auf und plädiert für eine "Loser-User-Kampagne" im sozialen Netzwerk Facebook.
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG und LE MONDE nehmen die deutsch-französische Freundschaft ernst. Sie haben sich für die Ausgaben an diesem Dienstag, an dem sich die Unterzeichnung des Élysée-Vertrags zum fünfzigsten Mal jährt, wie richtige Freunde zusammengetan: SZ-Redakteure schreiben für LE MONDE, die Mitarbeiter dort für die SZ. Und wo jeder für sich schreibt, wird oft das deutsch-französische Verhältnis ausgelotet.
Im Feuilleton der SZ zelebriert Thomas Steinfeld allerdings diese Freundschaft nicht, sondern sympathisiert mit einer Einschätzung des Philosophen Peter Sloterdijk. Der hatte zum Freundschaftsvertrag bemerkt: "Das seither bestehende gute Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ruht auf der soliden Basis jener endlich erreichten Beziehungslosigkeit, die man diplomatisch als Freundschaft zwischen den Völkern beschreibt." "Hübsch" und treffend findet Steinfeld Sloterdijks These. Steinfeld erklärt diesen ernüchternden Befund so: Beide Länder hätten sich einst vor allem über die Bücher der anderen wahrgenommen, über herausragende Romane und theoretische Abhandlungen. Aber die große Zeit der intellektuellen Meisterwerke aus Deutschland und Frankreich sei heute einfach vorbei.
Dem scheint der französische Theaterregisseur Stéphane Braunschweig indirekt zuzustimmen. Denn er erklärt, ebenfalls in der SZ, warum er keine deutschen Gegenwartsautoren inszeniert:
"Mich ziehen Autoren an, bei denen die Schwierigkeit des vernünftigen Sprechens zum Ausdruck kommt, wie bei Kleist, Büchner, beim jungen Brecht oder bei Horváth. Sie zeigen eine durchlöcherte Sprache, voll Schweigen und Leere. In den zeitgenössischen deutschen Stücken kommt das weniger vor."
Deutet die Sprache des Berliner Zoodirektors Bernhard Blaszkiewitz vielleicht auf ein leeres oder gar durchlöchertes Hirn hin? Scheint sich manch einer jener Menschen zu fragen, die nun seinen Rücktritt fordern. Blaszkiewitz hatte in internen Schreiben die im Zoo angestellten Frauen jeweils als "Weibchen" oder "Zuchtstute" bezeichnet und dies so gerechtfertigt:
"Im Gegensatz zu den männlichen Mitarbeitern, bei denen lediglich der Nachname genannt wird, ist dies als Höflichkeit gegenüber den weiblichen Mitarbeitern gedacht."
Die TAZ nutzt die Gelegenheit, um andere, teils ebenso absurd-sexistische Sätze zum Thema zu zitieren:
"Alles, was wir an dem wahren Weibe Weibliches bewundern und verehren, ist nur eine Dependenz der Eierstöcke",
schrieb der Mediziner Rudolf von Virchow.
Einem anderen Abhängigkeitsverhältnis widmet sich, ebenfalls in der TAZ, Barbara Dribbusch: der Facebook-Abhängigkeit. Genauer: einer besonders unschönen Folge des übermäßigen Facebook-Konsums. Dem Neid. Die Berliner Humboldt-Universität und die Technische Universität Darmstadt haben gemeinsam 600 Menschen beim Surfen auf Facebook-Seiten beobachtet und sie zugleich nach ihren Emotionen gefragt. Das Ergebnis: Viele fühlen sich richtig schlecht, wenn sie die positiven Selbstdarstellungen anderer Nutzer lesen: über den ach so tollen Urlaub, das soooo süße eigene Baby und die letzte angeblich perfekte Party. TAZ-Autorin Dribbusch sieht nur einen Weg, diesem Facebook-Neid den Kampf anzusagen. Sie fordert eine Loser-User-Kampagne für das soziale Netzwerk. Von nun an mögen die Nutzer doch bitte nur noch über Negatives berichten wie "erfolglose Diäten, zerbrochene Freundschaften" und Absage-Mails.
Sie könnten auch einfach willkürlich ein paar Sätze von Wilhelm Genazino ins Netz stellen, der an diesem Dienstag siebzig wird.
"Sich in Genazinos Büchern wiederzuerkennen bedeutet, der eigenen Unzulänglichkeit ins Gesicht zu blicken",
schreibt Lena Bopp in der FAZ.
"Bei Lichte betrachtet, sind seine Bücher deswegen oft eine Zumutung."
Diese "totale Ausweglosigkeit" raube dem Leser Illusionen. Ob masochistisch veranlagt oder nicht - Lena Bopp schätzt Genazino. Schreibt sie doch abschließend:
"Ein Ende dieses wunderlich-einfühlsamen Schaffens ist gottlob nicht in Sicht."
Im Feuilleton der SZ zelebriert Thomas Steinfeld allerdings diese Freundschaft nicht, sondern sympathisiert mit einer Einschätzung des Philosophen Peter Sloterdijk. Der hatte zum Freundschaftsvertrag bemerkt: "Das seither bestehende gute Verhältnis zwischen Deutschland und Frankreich ruht auf der soliden Basis jener endlich erreichten Beziehungslosigkeit, die man diplomatisch als Freundschaft zwischen den Völkern beschreibt." "Hübsch" und treffend findet Steinfeld Sloterdijks These. Steinfeld erklärt diesen ernüchternden Befund so: Beide Länder hätten sich einst vor allem über die Bücher der anderen wahrgenommen, über herausragende Romane und theoretische Abhandlungen. Aber die große Zeit der intellektuellen Meisterwerke aus Deutschland und Frankreich sei heute einfach vorbei.
Dem scheint der französische Theaterregisseur Stéphane Braunschweig indirekt zuzustimmen. Denn er erklärt, ebenfalls in der SZ, warum er keine deutschen Gegenwartsautoren inszeniert:
"Mich ziehen Autoren an, bei denen die Schwierigkeit des vernünftigen Sprechens zum Ausdruck kommt, wie bei Kleist, Büchner, beim jungen Brecht oder bei Horváth. Sie zeigen eine durchlöcherte Sprache, voll Schweigen und Leere. In den zeitgenössischen deutschen Stücken kommt das weniger vor."
Deutet die Sprache des Berliner Zoodirektors Bernhard Blaszkiewitz vielleicht auf ein leeres oder gar durchlöchertes Hirn hin? Scheint sich manch einer jener Menschen zu fragen, die nun seinen Rücktritt fordern. Blaszkiewitz hatte in internen Schreiben die im Zoo angestellten Frauen jeweils als "Weibchen" oder "Zuchtstute" bezeichnet und dies so gerechtfertigt:
"Im Gegensatz zu den männlichen Mitarbeitern, bei denen lediglich der Nachname genannt wird, ist dies als Höflichkeit gegenüber den weiblichen Mitarbeitern gedacht."
Die TAZ nutzt die Gelegenheit, um andere, teils ebenso absurd-sexistische Sätze zum Thema zu zitieren:
"Alles, was wir an dem wahren Weibe Weibliches bewundern und verehren, ist nur eine Dependenz der Eierstöcke",
schrieb der Mediziner Rudolf von Virchow.
Einem anderen Abhängigkeitsverhältnis widmet sich, ebenfalls in der TAZ, Barbara Dribbusch: der Facebook-Abhängigkeit. Genauer: einer besonders unschönen Folge des übermäßigen Facebook-Konsums. Dem Neid. Die Berliner Humboldt-Universität und die Technische Universität Darmstadt haben gemeinsam 600 Menschen beim Surfen auf Facebook-Seiten beobachtet und sie zugleich nach ihren Emotionen gefragt. Das Ergebnis: Viele fühlen sich richtig schlecht, wenn sie die positiven Selbstdarstellungen anderer Nutzer lesen: über den ach so tollen Urlaub, das soooo süße eigene Baby und die letzte angeblich perfekte Party. TAZ-Autorin Dribbusch sieht nur einen Weg, diesem Facebook-Neid den Kampf anzusagen. Sie fordert eine Loser-User-Kampagne für das soziale Netzwerk. Von nun an mögen die Nutzer doch bitte nur noch über Negatives berichten wie "erfolglose Diäten, zerbrochene Freundschaften" und Absage-Mails.
Sie könnten auch einfach willkürlich ein paar Sätze von Wilhelm Genazino ins Netz stellen, der an diesem Dienstag siebzig wird.
"Sich in Genazinos Büchern wiederzuerkennen bedeutet, der eigenen Unzulänglichkeit ins Gesicht zu blicken",
schreibt Lena Bopp in der FAZ.
"Bei Lichte betrachtet, sind seine Bücher deswegen oft eine Zumutung."
Diese "totale Ausweglosigkeit" raube dem Leser Illusionen. Ob masochistisch veranlagt oder nicht - Lena Bopp schätzt Genazino. Schreibt sie doch abschließend:
"Ein Ende dieses wunderlich-einfühlsamen Schaffens ist gottlob nicht in Sicht."