Von Steuersünden und -sündern

Von Peter Lange, Chefredakteur Deutschlandradio Kultur · 01.02.2010
Auf den ersten Blick haben beide Themen nichts miteinander zu tun: der Umgang des Staates mit Daten von Steuerhinterziehern, die jemand illegal erlangt hat, und die Senkung der Mehrwertsteuer für das Hotelgewerbe. Aber bei genauerem Hinsehen lässt sich ein Zusammenhang erkennen. Er erschließt sich aus einer Äußerung von Angela Merkel gerade am vergangenen Wochenende. Da hat die Kanzlerin auf das unterschiedliche Staatsverständnis von Union und FDP hingewiesen: Aus Sicht von CDU und CSU kann ein Staat nur stark sein, wenn Leistungsträger ihre Leistung nicht permanent daran messen, was sie dafür zurückbekommen. Und weiter: Wir wollen keinen schwachen Staat, sondern einen Staat, der Zusammenhalt ermöglicht. Gut gebrüllt.
Aber die Union hat es jetzt eben mit der FDP zu tun. Und die hat traditionell die Lufthoheit in Sachen Staatsbeschimpfung: ein Moloch, der sowieso zu viel Steuern kassiert, und der mit Geld nicht vernünftig umgehen kann. So ist über die Jahre ein Meinungsklima entstanden, in dem Steuerhinterziehung immer noch als verständliche und weniger schwerwiegende Straftat gilt. Wenn es auf die Einnahmen des Staates nicht so sehr ankommt, wenn die öffentliche Hand nur ein Ausgabenproblem hat. Wen juckt es da, dass die Kassen leer sind, aber die Ansprüche an diesen Staat immer noch wachsen? Und die Milliarde an Steuervergünstigungen für das Hotelgewerbe – geschenkt.

Von dieser Haltung hat sich die CDU in den ersten Monaten dieser Regierung mitreißen lassen, um des lieben Koalitionsfriedens willen und gegen die eigene Überzeugung, wie die Äußerung der Kanzlerin verrät.

Die steckt nun in einem Dilemma. Denn wer sich durch pure Klientelpolitik am Gemeinwohl versündigt hat, der kann kaum noch glaubwürdig begründen, warum man nun plötzlich mit hehlerähnlichen Methoden bis an die Grenze der Rechtsstaatlichkeit gehen will, wenn es um Steuersünder geht. Wo doch die Betreffenden in einem Teil der Regierung Brüder im Geiste vermuten durften.

Die Kanzlerin kann auch nicht ohne Weiteres das Steuerprivileg für das Hotelgewerbe zurücknehmen. Der Eindruck, sie richte ihr Fähnlein nach dem Wind, wäre noch schlimmer als der Eindruck von Klientelpolitik, der eh nicht mehr zu verwischen ist. Dabei dämmert es besonders in der Union so manchem, dass nicht nur die FDP, sondern vielleicht noch stärker die Volkspartei CDU dafür die Rechnung zu begleichen hat – spätestens bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai. Nicht anders ist zu erklären, warum gerade die Regierungsparteien in NRW ins Grübeln geraten, ob die Steuervergünstigung für das Hotelgewerbe wirklich der Weisheit letzter Schluss war.

Sollte Angela Merkel nun trotzdem dafür sorgen, dass die illegal erlangten Steuerdaten angekauft werden, dann vor allem deshalb, weil sie sich nicht noch einmal dem Eindruck aussetzen will, ihre Politik einseitig an den Interessen der Begüterten auszurichten. Dass ihr dabei die Justiz in den Arm fallen könnte, dürfte Teil des taktischen Kalküls sein. Das löst aber das strategische Problem der Kanzlerin nicht. Ihre Regierung hat auch nach 100 Tagen immer noch keinen gemeinsamen Kompass.
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