Von sprechenden Elefanten und singenden Walen

Von Marko Pauli · 06.01.2013
In letzter Zeit häufen sich Meldungen, wonach Tiere menschliche Worte von sich gegeben haben: Ein Elefant begrüßte seinen Pfleger auf Koreanisch, ein Belugawal blubberte englische Satzteile aus dem Becken. Wie kommt es dazu? Unser Autor hat sich in der Tier- und Menschenwelt umgehört.
Wenn Elefanten trompeten, sind sie in ängstlicher, nervöser oder aggressiver Stimmung. Falls noch weitere Nachricht dahintersteckt, bleibt die für Menschen, wie meistens bei tierischen Lautäußerungen, unbekannt. Im südkoreanischen Yongin lebt ein Elefant namens Koshik, der manchmal Laute von sich gibt, die nahezu alle der Zoo-Besucher verstehen können. Wenn sein Pfleger ihn mit dem koreanischen Wort für "Hallo" begrüßt, sagt Koshik auch Hallo.

Nase und Oberlippe sind beim Elefanten miteinander verwachsen und bilden den Rüssel. Die Beweglichkeit der Lippen ist stark eingeschränkt. Um die koreanische Sprache imitieren zu können, musste Koshik sich also etwas einfallen lassen. Die Wiener Kognitionsbiologin Angela Stöger erforscht die Lautäußerungen von Elefanten und hat Koshik gemeinsam mit einem internationalen Forscherteam in Südkorea beobachtet.

"Die menschliche Sprache ist kompliziert und man muss da als Elefant sehr viel verändern, um seine eigenen Lautäußerungen da anzupassen. Er hat einen Weg gefunden offenbar, er hat eine ganz neue Art der Schallproduktion entwickelt für sich. Er steckt sich jedes Mal, wenn er die menschlichen Laute imitiert, seinen Rüssel ins Maul und moduliert so offenbar die Mundhöhle, dass er eben die Charakteristika der menschlichen Sprache wiedergeben kann."

Zumindest die der koreanischen Sprache. Die deutschen Worte "Setz dich hin" wären für den Elefanten wahrscheinlich nur schwer auszusprechen, das koreanische Wort dafür ist leichter. Zunächst wieder der Pfleger, dann Koshik …

Dass Koshik diese Worte tatsächlich einigermaßen verständlich ausspricht, ist keine Spekulation. Angela Stöger und ihre Kollegen haben die Lautäußerungen in Deutschland lebenden Koreanern vorgespielt.

"Die waren nicht drüber informiert, was sie hören werden, ob das ein Elefantenlaut ist oder eine Sprachimitation, und es wurde gebeten, dass sie aufschreiben, was sie verstehen auf koreanisch."

Manche Worte konnten besser, manche schlechter verstanden werden. Jedenfalls gehören nun zu Koshiks offiziellem Sprachrepertoire die Worte "Hallo", "Nein", "Leg dich hin", "Setz dich hin" und "gut".

"Unsere Theorie dahinter ist, dass Koshik in seiner Jugendzeit für sieben Jahre der einzige Elefant in diesem Everland-Zoo war - von etwa fünf Jahre an etwa sieben Jahre, und das ist für Elefanten eine sehr wichtige prägende Phase. Das ist auch eine Phase, wo sehr viel Sozialentwicklung und auch Bindung vonstatten geht. Also eben eine wirkliche Teenagerphase, die eben auch sehr prägend ist."

Während dieser Zeit waren die Pfleger die einzigen sozialen Kontakte für Koshik.

"Und da gehen wir davon aus, dass er, was sehr häufig auftritt, dass eben Tiere ihre Laute mit Sozialpartnern abgleichen und dass die wirklich ähnlicher werden in der akustischen Struktur miteinander. Einerseits, um die soziale Bindung zu stärken. Andererseits, um sich zum Beispiel auch wiederzuerkennen, wenn man kurze Zeit getrennt ist und dann wieder zueinander kommt."

Aber weiß Koshik, was die Worte bedeuten, wenn er seinem Pfleger auf koreanisch "Nuo", also "Leg dich hin", nachspricht?

"Also Sprachverständnis hat er keines. Aber man kann nicht sagen, dass er überhaupt keine Idee hat von dem, was die Laute bedeuten. Weil er ja ursprünglich gelernt hat, darauf zu reagieren. Aber er kombiniert jetzt nicht zum Beispiel und sagt: 'Nein, nicht hinlegen!", oder so was."

Das sinnvolle Kombinieren von Worten, kann es das bei Tieren überhaupt geben? Ein Beispiel würde ihr da schon einfallen, meint Silke Kipper, Professorin für Biokommunikation an der Freien Uni Berlin:

"Das ist zum Beispiel für den Graupapageien von Frau Professor Pepperberg, den Alex, vorgeschlagen worden …"

Durch die 30-jährige Zusammenarbeit zwischen Irene Pepperberg und dem 2007 verstorbenen Graupapageien Alex wurden die erstaunlichen intellektuellen Fähigkeiten dieser Spezies erst bekannt. So konnte das Tier diverse Farben, Formen und Zahlen korrekt benennen. Wie viele Schlüssel sie in der Hand hält, will Irene Pepperberg zum Beispiel wissen. "Zwei", antwortet Alex korrekt, um dann mit der Frage nach etwas Wasser abzulenken, weil er offenbar keine Lust mehr hat.

"How many?"
"Two."
"That's right."
"Can I go back?"
"No, you can't go back."
"Give me some water."
"Do you want some water, or are you asking to interrupt? You just ask me to interrupt. I know you, I know you!"

Unter Forschern, die sich mit Lautäußerungen von Tieren beschäftigen, ist eine entscheidende Frage, auf welche Art die Tiere ihre wie auch immer gearteten Laute erlernen: Wird, wie in den meisten Fällen, auf ein bestehendes, angeborenes Repertoire zurückgegriffen oder werden sie durch Nachahmung gelernt?

Kipper: "Das ist nämlich genau, was Menschen machen, wenn sie Sprache lernen und was zum Beispiel Singvögel und Papageien machen. Es ist spannend, weil es diese Pendants zur menschlichen Sprache hat und es wird dann weiterhin spannend, wenn wir versuchen, was über Sprachlernen beim Menschen zu verstehen, indem wir diese Tiermodelle intensiv untersuchen."

Deshalb interessieren sich Biologen aber auch Sprachwissenschaftler insbesondere für die Lautäußerungen von Singvögeln.

"Da finden wir frappierende Parallelen zwischen Vogelgesang lernen und Menschensprache lernen. Eine Nachtigall lernt 180 bis 250 Strophentypen am Anfang ihres Lebens, jedes einzelne Männchen. Das heißt, die muss die sich alle anhören und dann memorisieren und dann später singen."

Unter den Säugetieren zählen unter anderem Elefanten, aber auch Wale zu den Tieren, die Lautäußerungen wie der Mensch aufgrund von Nachahmung erlernen. Belugawale geben dabei eine besondere Vielfalt von Lauten von sich, weshalb sie auch als die "Kanarienvögel der Meere" bezeichnet werden. Sie brummen, pfeifen, quieken, zwitschern und zur Echoortung produzieren sie Klicklaute im Ultraschallbereich. Im kalifornischen San Diego hörten die Mitarbeiter der "National Marine Mammal Foundation" eines Morgens so etwas wie menschliche Worte aus dem Wal- und Delphinbecken. Es stellte sich heraus, dass der Belugawal Noc der Verursacher war.

Sam Ridgway, Direktor der NMMF:

"Es ist ungewöhnlich, dass der Wal seine Stimme in den Frequenzbereich der menschlichen Sprache gebracht hat, viel tiefer als die Klänge, die Wale normalerweise produzieren. Wir konnten den Wal dann trainieren, die Sounds auf Zuruf zu wiederholen."

Die cremeweißen Wale erzeugen ihre Lautäußerungen in den Nasengängen und leiten sie dann in die Stirn, wo der Ton geformt wird. Warum Noc dabei auch menschliche Sprachgeräusche entwickelte, kann Sam Ridgway nicht abschließend beantworten:

"Es gibt da vielleicht eine Parallele zu den Kanarienvögeln. Deren Männchen erweitern und verschönern während einer bestimmten Phase der Gehirnentwicklung ihr Gesangsrepertoire. Nach einer Weile jedenfalls hörte er auf damit und konzentrierte sich mehr auf die Entwicklung der Klicklaute für die Echo-Ortung."

Auch Robben erzeugen Klick und Pfeiflaute und in zumindest einem dokumentierten Fall auch so etwas wie menschliche Sprache. Ein alter Fischer aus dem US-Staat Maine fand einst einen Seehund, den er Hoover nannte, als Welpen am Strand. Er päppelte ihn in der Badewanne auf, ließ ihn durch die Wohnung watscheln und ermahnte ihn ständig, nicht alles anzufressen. "Hey you get outta here", rief er, wenn Hoover wieder in die Küche wollte. Bald brachte er den Seehund ins Bostoner Aquarium, wo der dann Laute von sich gab, die er wohl vom Fischer gelernt hatte, die Hoovers Trainerin jedenfalls, so wörtlich, an einen "raubeinigen alten Mann, der gerne einen hebt" erinnerten und die so aufgezeichnet wurden …

Wenn Robben, Wale, Papageien und Elefanten sprechen, was ist dann mit unseren nahen Verwandten, den Affen? Es gab zwar diverse beeindruckende, nonverbale Kommunikationsversuche, über Tastatursymbole oder Gesten etwa, aber ein "Hallo" hat man noch von keinem Schimpansen gehört. Die Biologin Silke Kipper:

"Da ist es zum einen so, dass der vokale Trakt bei den Schimpansen sehr viel kürzer ist als bei uns. Also die hätten gar nicht die Möglichkeiten diese vielen Phoneme zu produzieren, aus denen unsere Sprache besteht. Noch wichtiger ist aber, ihnen fehlen die Möglichkeiten der Motorik, aus dem Gehirn gesteuert dem Sprachapparat zu sagen, jetzt produziere ein A oder ein E."

Eine weitere Voraussetzung, damit es zu einem sprachlichen Austausch zwischen Mensch und Tier kommen könnte, ist Interesse an sozialem Kontakt zu Menschen. Was liegt näher, als ein Gespräch mit unseren Haustieren?

"Auch da ist es vom Stimmapparat und den Hirnstrukturen sehr unwahrscheinlich. Bei den Hunden ist es ja sogar so, dass selbst das Bellen ganz, ganz schwierig zu trainieren, auch abzutrainieren ist. Das sind einfach offensichtlich Verhaltensleistungen, die der Hund nicht in der Lage ist, willkürlich zu beeinflussen."

Doch gerade am Beispiel der Haustiere zeigt sich, dass für eine gelungene Mensch-Tier-Kommunikation nicht unbedingt gesprochene Sprache notwendig ist …


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