Von Schönheit und Gestaltwerdung
Der amerikanische Dichter Ezra Pound gilt als komplizierte literarische und politische Figur des 20. Jahrhunderts. Eva Hesse nähert sich dem „unbekannten Ezra Pound“ mit Respekt und kritischem Geist ohne ideologische Scheuklappen. Als Kritikerin und als Übersetzerin von dessen Hauptwerk „Cantos“ hat sie sich ein Leben lang mit Pound beschäftigt.
Ezra Pound gilt als großer Neuerer und Förderer der modernen angloamerikanischen Lyrik, doch ist er zugleich ihr kontroversester Vertreter. Sein Motto: „Mach es neu“ verbindet das modernistische Prinzip der Spracherneuerung mit dem Rückgriff auf eine Vielzahl literarischer Traditionen, vom Minnesang der Troubadours bis zum japanischen Haiku. Er hatte einen untrüglichen Blick für literarisches Talent, und seine Essays setzten neue kritische Maßstäbe.
Doch seine Parteinahme für Mussolinis Faschismus und seine antikapitalistisch-antisemitische Rhetorik haben seinen Ruf nachhaltig beschädigt und machen ihn noch heute zur Ikone der italienischen Rechten. Die Kritik hatte daher stets Mühe, einem Dichter gerecht zu werden, dessen politische Überzeugungen seine ästhetische Intelligenz und sprachliche Brillanz so schwerwiegend kompromittieren.
In ihrem jüngsten Buch über Pound, „Ich liebe, also bin ich. Der unbekannte Ezra Pound“, versucht Eva Hesse jenseits Poundschen Fehlverhaltens den dichterischen Antrieb seines Werkes aufzuzeigen wie auch dessen Anspruch, in den Fragmenten abendländischer Kultur das fortdauernde Wirken des schöpferischen Eros aufzudecken: die immer neue Wahrnehmung und Gestaltwerdung von Schönheit.
Es ist ein Buch, dem man anmerkt, dass sich seine Verfasserin ein Leben lang mit dem Menschen Pound (den sie noch kannte) wie auch mit seinem Werk auseinandergesetzt hat, – als Kritikerin, aber auch als Übersetzerin vor allem der Cantos, dem umfangreichen Lebenswerk Pounds, für das er kein Ende fand.
In vier großen Kapitelblöcken zeigt sie die dichterischen und philosophischen Traditionen auf, die sich der Autodidakt Pound angeeignet und die er dichterisch verarbeitet hat, von der höfischen Liebesphilosophie des provenzalischen Mittelalters über die naturphilosophische Denktradition (diesem stets unter Häresie-Verdacht stehenden Gegendiskurs zur rationalistischen Scholastik), bis zu den ethischen Lehren des Konfuzius, die ein wesentliches Element der Cantos bilden.
Während das vierte Kapitel die Sprachstrategien untersucht, die Pound gegen das positivistische Denken moderner Technokratien ausspielt, kehrt Eva Hesse in ihrem Schlusskapitel zur mittelalterlichen Liebeslyrik zurück: zu Cavalcantis Canzone „Donna me prega“, die Pound übersetzt und in die Cantos integriert hat. Hesse stellt ihre Diskussion (wie auch ihre annotierte Übersetzung) dieses Gedichts an das Ende ihres Buches, weil es in ihren Augen die Essenz des Poundschen Unternehmens darstellt, das in den eigenen ästhetischen Verfahren das Fortwirken jener kreativen Energie aufzeigt, „die dem Menschen die Geist-Formen erschließt, in denen sich die Materie verwirklicht“, – jenes „irdische Paradies“ im Hier und Jetzt, das sich dem Auge in der liebenden Wahrnehmung der Welt offenbart.
Eva Hesse bewundert die Genialität dieses Entwurfs ebenso wie sie dessen humanistischen Anspruch anerkennt. Sie deckt aber auch seine Grenzen auf: Kurzschlüsse und Missverständnisse, die wohl die des Autodidakten sein mögen, aber auch mit der Borniertheit zusammenhängen, mit der Pound versuchte, die Kluft zwischen Wirklichkeit und ästhetischer Vision auf die alles korrumpierende Herrschaft des Bankenwuchers zu reduzieren.
Dass Pound die Liebe zum Lebens- und Schaffensprinzip erklärt, sie aber dann in Hass gegen die umschlagen lässt, an denen seine Vorstellung einer möglichen Einheit von ästhetischer und gesellschaftlicher Ordnung zerbricht, schafft die Irritation, die jeder kennt, der sich mit Pound beschäftigt.
Eva Hesse teilt diese zwar, aber sie verweist auf die „nie versiegende unbändige Neugier“ Pounds, die ihn auch heute noch lebendig macht, weil sie ihn „als Teil ‚jener Verschwörung der Intelligenz‘ [zeigt], aus der nach seiner Überzeugung jede wichtige kulturelle Neuerung entsteht.“
Ihr kenntnisreiches, doch keineswegs fachgelehrtes Buch bezeugt ihre Liebe zu einem Gegenstand, der in seiner Widersprüchlichkeit fasziniert und den Leser immer wieder neu herausfordert.
Rezensiert von Heinz Ickstadt
Eva Hesse: Ich liebe, also bin ich. Der unbekannte Ezra Pound
Osburg Verlag, Berlin 2008,
384 Seiten, 26,90 Euro
Doch seine Parteinahme für Mussolinis Faschismus und seine antikapitalistisch-antisemitische Rhetorik haben seinen Ruf nachhaltig beschädigt und machen ihn noch heute zur Ikone der italienischen Rechten. Die Kritik hatte daher stets Mühe, einem Dichter gerecht zu werden, dessen politische Überzeugungen seine ästhetische Intelligenz und sprachliche Brillanz so schwerwiegend kompromittieren.
In ihrem jüngsten Buch über Pound, „Ich liebe, also bin ich. Der unbekannte Ezra Pound“, versucht Eva Hesse jenseits Poundschen Fehlverhaltens den dichterischen Antrieb seines Werkes aufzuzeigen wie auch dessen Anspruch, in den Fragmenten abendländischer Kultur das fortdauernde Wirken des schöpferischen Eros aufzudecken: die immer neue Wahrnehmung und Gestaltwerdung von Schönheit.
Es ist ein Buch, dem man anmerkt, dass sich seine Verfasserin ein Leben lang mit dem Menschen Pound (den sie noch kannte) wie auch mit seinem Werk auseinandergesetzt hat, – als Kritikerin, aber auch als Übersetzerin vor allem der Cantos, dem umfangreichen Lebenswerk Pounds, für das er kein Ende fand.
In vier großen Kapitelblöcken zeigt sie die dichterischen und philosophischen Traditionen auf, die sich der Autodidakt Pound angeeignet und die er dichterisch verarbeitet hat, von der höfischen Liebesphilosophie des provenzalischen Mittelalters über die naturphilosophische Denktradition (diesem stets unter Häresie-Verdacht stehenden Gegendiskurs zur rationalistischen Scholastik), bis zu den ethischen Lehren des Konfuzius, die ein wesentliches Element der Cantos bilden.
Während das vierte Kapitel die Sprachstrategien untersucht, die Pound gegen das positivistische Denken moderner Technokratien ausspielt, kehrt Eva Hesse in ihrem Schlusskapitel zur mittelalterlichen Liebeslyrik zurück: zu Cavalcantis Canzone „Donna me prega“, die Pound übersetzt und in die Cantos integriert hat. Hesse stellt ihre Diskussion (wie auch ihre annotierte Übersetzung) dieses Gedichts an das Ende ihres Buches, weil es in ihren Augen die Essenz des Poundschen Unternehmens darstellt, das in den eigenen ästhetischen Verfahren das Fortwirken jener kreativen Energie aufzeigt, „die dem Menschen die Geist-Formen erschließt, in denen sich die Materie verwirklicht“, – jenes „irdische Paradies“ im Hier und Jetzt, das sich dem Auge in der liebenden Wahrnehmung der Welt offenbart.
Eva Hesse bewundert die Genialität dieses Entwurfs ebenso wie sie dessen humanistischen Anspruch anerkennt. Sie deckt aber auch seine Grenzen auf: Kurzschlüsse und Missverständnisse, die wohl die des Autodidakten sein mögen, aber auch mit der Borniertheit zusammenhängen, mit der Pound versuchte, die Kluft zwischen Wirklichkeit und ästhetischer Vision auf die alles korrumpierende Herrschaft des Bankenwuchers zu reduzieren.
Dass Pound die Liebe zum Lebens- und Schaffensprinzip erklärt, sie aber dann in Hass gegen die umschlagen lässt, an denen seine Vorstellung einer möglichen Einheit von ästhetischer und gesellschaftlicher Ordnung zerbricht, schafft die Irritation, die jeder kennt, der sich mit Pound beschäftigt.
Eva Hesse teilt diese zwar, aber sie verweist auf die „nie versiegende unbändige Neugier“ Pounds, die ihn auch heute noch lebendig macht, weil sie ihn „als Teil ‚jener Verschwörung der Intelligenz‘ [zeigt], aus der nach seiner Überzeugung jede wichtige kulturelle Neuerung entsteht.“
Ihr kenntnisreiches, doch keineswegs fachgelehrtes Buch bezeugt ihre Liebe zu einem Gegenstand, der in seiner Widersprüchlichkeit fasziniert und den Leser immer wieder neu herausfordert.
Rezensiert von Heinz Ickstadt
Eva Hesse: Ich liebe, also bin ich. Der unbekannte Ezra Pound
Osburg Verlag, Berlin 2008,
384 Seiten, 26,90 Euro