Von Schiffen, Psychiatrien und Morden
Die Leipziger Buchmesse ist gerade zu Ende gegangen, da hat das Literaturfestival Lit.Cologne erst Halbzeit. Auf dem Programm stehen rund 160 Veranstaltungen, darunter Lesungen vieler neuer Autoren, aber auch Auftritte längst bekannter und sehr erfolgreicher Schriftsteller.
Anke Engelke: "Mein Verlobter und ich hatten ein Zimmer mit zwei Einzelbetten gebucht. Im Hotel aber war ein Zimmer mit Doppelbett reserviert. Ich mache Sie nun dafür verantwortlich, dass ich schwanger bin.""
Roger Willemsen: "Niemand hatte uns gesagt, dass im Meer Fische sein würden. Die Kinder waren geschockt." (Lachen)
Am Abend im ausverkauften Schauspielhaus Köln: Anke Engelke und Roger Willemsen lesen aus dessen Gedanken über "Querulanten", die manch einer am liebsten geknebelt in ferne Länder verschiffen würde. Ganz freiwillig und immer wieder hat sich der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom auf Schiffe begeben. Er stellte auf der Lit.Cologne sein "Schiffstagebuch" vor und erzählte von seinen Reisen über die Weltmeere. Nicht ganz so weit hinaus aufs Wasser ging es für knapp 700 Besucher.
Das Literaturschiff legte ab vom Rheinufer. Nur mit halber Kraft voraus. Vielleicht, damit der Motorenlärm nicht zu sehr ins Innere drang und die Lesung des englischen Bestsellerautors Simon Beckett störte. Beckett las aus seinem neuen Thriller "Verwesung". Der Forensiker David Hunter führt den Leser einmal mehr ganz nah an Leichen heran, diesmal liegen sie im Moor. Der Mörder, Jerome Monk, scheint ein kaltes Monster zu sein. Allein zwei Millionen Deutsche haben Becketts Bücher gelesen. Überhaupt boomt Forensik, in Literatur wie im Fernsehkrimi. Nur warum? Simon Beckett:
"Die Faszination kommt wohl daher, dass der physische Prozess des Todes lange in unserer Gesellschaft hinter verschlossenen Türen versteckt wurde. Da ist diese Neugier der Menschen: einen Stein umzudrehen, um zu sehen was darum und darunter krabbelt. Das tun Kinder und das gehört zur menschlichen Natur."
Und so krabbelt es dann auch manchmal in den Büchern von Simon Beckett, allerdings nicht unter Steinen, sondern aus Leichen heraus. Übel wird ihm selbst bei seinen eigenen Büchern nicht, denn schließlich beschreibe er darin recht klinisch, emotionslos den sich zersetzenden Körper. Simon Beckett:
"Ich habe allerdings eine wachsende Sammlung forensischer Fachbücher. Und da trifft man auf einige Dinge, die [LACHT] recht schockierend sind, sagen wir es mal so."
Und was sagt die Besucherin Julia Monzel dazu?
"Ich stehe nicht auf Maden und solche Sachen. Also nicht so, dass ich es nicht lesen will. Aber eine verweste Leiche ist auch in irgendeiner Form eklig."
Trotzdem hat die Besucherin ihrem Freund den neuen Beckett geschenkt, erzählt sie, als sie von Bord des Leseschiffes geht. Währenddessen liest die 30jährige Französin Camille de Peretti noch im Institut Français aus "Wir werden zusammen alt", ihrem mal bösen, mal sanften, oft tragikomischen Roman über die Bewohner und Besucher eines Altersheims. Einer der Bewohner leidet unter Demenz und hält sich für einen Kapitän und das Altersheim für ein Schiff. Den Mann hat es wirklich gegeben, erzählt die Autorin, allerdings in einer psychiatrischen Klinik:
"Er war ein glücklicher Verrückter. Er glaubte wirklich, auf einem Schiff zu sein. Er rief: 'Alle Mann an Backbord! An Steuerbord!' Er gab die Befehle, er war ja der Kapitän. Und alle anderen Verrückten machten, was er sagte. Wenn die Krankenschwestern zu irgendeiner Patientin sagten: 'Kommen Sie, wir bringen Sie auf Ihr Zimmer!', rührte sich die Patientin nicht. Wenn der Kapitän ihr aber sagte: 'Aufs Zimmer, Schiffsjunge!', dann tat das die Frau. Niemand wusste, ob es normal ist, dass sich Verrückte untereinander verstehen, oder nicht. Das war großartig!"
Als Kind verbrachte Camille de Peretti sehr viel Zeit im Altersheim, weil da ihre Mutter als Krankenschwester arbeitete. Der Däne Jussi Adler-Olsen, Sohn eines Psychiaters, spielte gerne am Arbeitsplatz seines Vaters und schloss im Alter von sechs Jahren Freundschaft mit einem Mörder aus der geschlossenen Abteilung. Der Mann hieß Mørck. So wie heute der Sonderermittler in den Thrillern des Bestsellerautors.
Am Abend in der Aula der Kölner Universität. Hobby-Rocker Jussi Adler-Olsen singt einen Beatles-Song vor tausend Zuhörern und liest dann aus "Schändung", Carl Mørcks zweitem Fall. Das Gute und das Böse trägt jeder von Geburt an in sich, glaubt Adler-Olsen. Hat er vielleicht selbst manchmal böse Mordgelüste?
"Wir stellen uns das Töten immer aus der Distanz vor. Jetzt greifen wir Libyen an. Und das hübsche, kleine, friedliche Dänemark macht mit, weil es so einfach ist: Man lässt Flugzeuge hoch steigen und drückt auf einen Knopf. Wenn wir aber Bajonette in die Hand nehmen müssten, um jeden einzelnen selbst zu töten, wäre das schon etwas anderes. Sie fragen mich, ob ich nicht manchmal jemanden töten möchte. Ja, sehr oft. Jeden Tag denke ich, wie praktisch ein Knopf wäre, auf den ich nur den Namen einer Person schreiben und ihn dann drücken muss, damit sich diese Person in Luft auflöst. Das würde ich tun. Aber persönlich jemanden mit einem Messer attackieren - der Gedanke ist mir überhaupt noch nicht gekommen!"
Halbzeit bei der Lit.Cologne. Man hat ihr oft vorgeworfen, nur die leicht verdaulichen Bestsellerautoren einzuladen. Sie sind prozentual gesehen in der Tat präsenter als auf der Leipziger Buchmesse. Aber es gab immer und gibt auch auf dieser Lit.Cologne feine literarische Beobachter wie Cees Nooteboom und talentierte, kaum bekannte Autoren wie Camille de Peretti. Die kann noch nicht von ihren Büchern leben. Jussi Adler-Olsen kennt das Problem nun wirklich nicht mehr. Für Nachwuchsautoren hat der Bestsellerautor, der früher in einem Verlag arbeitete und viele schlechte Manuskripte lesen musste, einen ganz besonderen Tipp:
"Lesen Sie schlechte Bücher! Dann bekommen Sie ein wenig Selbstvertrauen!"
Links bei dradio.de:
Was die lit.Cologne den Kleinen zu bieten hat
Roger Willemsen: "Niemand hatte uns gesagt, dass im Meer Fische sein würden. Die Kinder waren geschockt." (Lachen)
Am Abend im ausverkauften Schauspielhaus Köln: Anke Engelke und Roger Willemsen lesen aus dessen Gedanken über "Querulanten", die manch einer am liebsten geknebelt in ferne Länder verschiffen würde. Ganz freiwillig und immer wieder hat sich der niederländische Schriftsteller Cees Nooteboom auf Schiffe begeben. Er stellte auf der Lit.Cologne sein "Schiffstagebuch" vor und erzählte von seinen Reisen über die Weltmeere. Nicht ganz so weit hinaus aufs Wasser ging es für knapp 700 Besucher.
Das Literaturschiff legte ab vom Rheinufer. Nur mit halber Kraft voraus. Vielleicht, damit der Motorenlärm nicht zu sehr ins Innere drang und die Lesung des englischen Bestsellerautors Simon Beckett störte. Beckett las aus seinem neuen Thriller "Verwesung". Der Forensiker David Hunter führt den Leser einmal mehr ganz nah an Leichen heran, diesmal liegen sie im Moor. Der Mörder, Jerome Monk, scheint ein kaltes Monster zu sein. Allein zwei Millionen Deutsche haben Becketts Bücher gelesen. Überhaupt boomt Forensik, in Literatur wie im Fernsehkrimi. Nur warum? Simon Beckett:
"Die Faszination kommt wohl daher, dass der physische Prozess des Todes lange in unserer Gesellschaft hinter verschlossenen Türen versteckt wurde. Da ist diese Neugier der Menschen: einen Stein umzudrehen, um zu sehen was darum und darunter krabbelt. Das tun Kinder und das gehört zur menschlichen Natur."
Und so krabbelt es dann auch manchmal in den Büchern von Simon Beckett, allerdings nicht unter Steinen, sondern aus Leichen heraus. Übel wird ihm selbst bei seinen eigenen Büchern nicht, denn schließlich beschreibe er darin recht klinisch, emotionslos den sich zersetzenden Körper. Simon Beckett:
"Ich habe allerdings eine wachsende Sammlung forensischer Fachbücher. Und da trifft man auf einige Dinge, die [LACHT] recht schockierend sind, sagen wir es mal so."
Und was sagt die Besucherin Julia Monzel dazu?
"Ich stehe nicht auf Maden und solche Sachen. Also nicht so, dass ich es nicht lesen will. Aber eine verweste Leiche ist auch in irgendeiner Form eklig."
Trotzdem hat die Besucherin ihrem Freund den neuen Beckett geschenkt, erzählt sie, als sie von Bord des Leseschiffes geht. Währenddessen liest die 30jährige Französin Camille de Peretti noch im Institut Français aus "Wir werden zusammen alt", ihrem mal bösen, mal sanften, oft tragikomischen Roman über die Bewohner und Besucher eines Altersheims. Einer der Bewohner leidet unter Demenz und hält sich für einen Kapitän und das Altersheim für ein Schiff. Den Mann hat es wirklich gegeben, erzählt die Autorin, allerdings in einer psychiatrischen Klinik:
"Er war ein glücklicher Verrückter. Er glaubte wirklich, auf einem Schiff zu sein. Er rief: 'Alle Mann an Backbord! An Steuerbord!' Er gab die Befehle, er war ja der Kapitän. Und alle anderen Verrückten machten, was er sagte. Wenn die Krankenschwestern zu irgendeiner Patientin sagten: 'Kommen Sie, wir bringen Sie auf Ihr Zimmer!', rührte sich die Patientin nicht. Wenn der Kapitän ihr aber sagte: 'Aufs Zimmer, Schiffsjunge!', dann tat das die Frau. Niemand wusste, ob es normal ist, dass sich Verrückte untereinander verstehen, oder nicht. Das war großartig!"
Als Kind verbrachte Camille de Peretti sehr viel Zeit im Altersheim, weil da ihre Mutter als Krankenschwester arbeitete. Der Däne Jussi Adler-Olsen, Sohn eines Psychiaters, spielte gerne am Arbeitsplatz seines Vaters und schloss im Alter von sechs Jahren Freundschaft mit einem Mörder aus der geschlossenen Abteilung. Der Mann hieß Mørck. So wie heute der Sonderermittler in den Thrillern des Bestsellerautors.
Am Abend in der Aula der Kölner Universität. Hobby-Rocker Jussi Adler-Olsen singt einen Beatles-Song vor tausend Zuhörern und liest dann aus "Schändung", Carl Mørcks zweitem Fall. Das Gute und das Böse trägt jeder von Geburt an in sich, glaubt Adler-Olsen. Hat er vielleicht selbst manchmal böse Mordgelüste?
"Wir stellen uns das Töten immer aus der Distanz vor. Jetzt greifen wir Libyen an. Und das hübsche, kleine, friedliche Dänemark macht mit, weil es so einfach ist: Man lässt Flugzeuge hoch steigen und drückt auf einen Knopf. Wenn wir aber Bajonette in die Hand nehmen müssten, um jeden einzelnen selbst zu töten, wäre das schon etwas anderes. Sie fragen mich, ob ich nicht manchmal jemanden töten möchte. Ja, sehr oft. Jeden Tag denke ich, wie praktisch ein Knopf wäre, auf den ich nur den Namen einer Person schreiben und ihn dann drücken muss, damit sich diese Person in Luft auflöst. Das würde ich tun. Aber persönlich jemanden mit einem Messer attackieren - der Gedanke ist mir überhaupt noch nicht gekommen!"
Halbzeit bei der Lit.Cologne. Man hat ihr oft vorgeworfen, nur die leicht verdaulichen Bestsellerautoren einzuladen. Sie sind prozentual gesehen in der Tat präsenter als auf der Leipziger Buchmesse. Aber es gab immer und gibt auch auf dieser Lit.Cologne feine literarische Beobachter wie Cees Nooteboom und talentierte, kaum bekannte Autoren wie Camille de Peretti. Die kann noch nicht von ihren Büchern leben. Jussi Adler-Olsen kennt das Problem nun wirklich nicht mehr. Für Nachwuchsautoren hat der Bestsellerautor, der früher in einem Verlag arbeitete und viele schlechte Manuskripte lesen musste, einen ganz besonderen Tipp:
"Lesen Sie schlechte Bücher! Dann bekommen Sie ein wenig Selbstvertrauen!"
Links bei dradio.de:
Was die lit.Cologne den Kleinen zu bieten hat