Von Sagen umwoben und auf Gips gebaut
Die Krabatregion in der Oberlausitz ist die Gegend zwischen Bautzen und Hoyerswerda. Sie ist von den Sorben und ihren Sagengestalten geprägt, allen voran der Zauberer Krabat. Die Region vermarktet sich nicht nur unter dem Namen und verweist damit auf regionale Produkte aus der Landwirtschaft, auf Bier und den Tourismus, sondern Krabat, beziehungsweise sein Geist, lebt dort auch heute noch.
Im Südharz haben sich auf kleinstem Raum märchenhafte Flora und Fauna entwickelt, denn im Südharz treffen in der Gipskarstlandschaft zwei Klimazonen aufeinander. Der BUND will daraus ein Biosphärenreservat machen, die Landesregierung "nur" einen Naturpark. Entschieden ist noch nichts. Denn es wird um nicht geringeres gestritten, als um den wichtigen Rohstoff Gips auf der einen Seite und die unberührte Natur auf der anderen.
Gipskarstlandschaft Südharz
Von Ulrike Greim
Nördlich von Nordhausen, das ist Nordthüringen, denkt man eigentlich, man sei schon im Harz. Die Region heißt auch Südharz. Aber weit gefehlt. Denn der Südharz ist ein sehr eigenes Fleckchen Erde, geologisch und klimatisch. Hat mit dem Harz nichts zu tun. Es ist ein schmaler Gürtel, der sich südlich an den Harz schmiegt, von Niedersachen über Thüringen bis nach Sachsen-Anhalt. Er nimmt das Wasser auf, das dort wegen des harten Gesteins nicht abfließen kann. Denn hier ist der Boden durchlässig. Hier ruht Gips. Ein Material, mit dem die Natur spielt. Und der Gips spielt mit der Landschaft.
Ein Ortstermin mit Heinke und Rolf Richter, zwei Rentnern, die viel Zeit und Energie in Umwelt und Naturschutz investieren. Es geht berghoch.
"Auf der anderen Seite hier ist die geologische Grenze. Wenn wir also vor 258 Millionen Jahren hier gewesen wären, dann würden wir jetzt den Wellenschlag dieses flachen Meeres hören, wo sich dann Schicht um Schicht über lange Zeiträume, einige Millionen Jahre vielleicht, abgelagert hat. Was heute unsere Gipsvorkommen sind."
Die zwei Wahl-Südharzer wissen mehr über diese Region, als manche Alt-Angestammte. Sie erkennen die seltenen Falter und Gräser und Vögel, sie entdecken die Orchideen am Wegesrand.
"Übrigens ist das hier das Relikt einer Orchidee. Abgebissen. Das war das weiße Waldvöglein. Wir sehen jetzt nur noch den Stiel."
Sie wissen um die geologischen Besonderheiten: die Abbruchkanten und Gipshügel, die Alabaster-Höhlen. Bäche verschwinden einfach im Erdreich, an anderer Stelle treten sie wieder aus. Wenn unterirdisch der Gips zusammensackt, entstehen Trichter. Und bei starkem Regen sprudeln aus dem unterirdischen Labyrinth, das sich der Gips immer neu modelliert, plötzlich Quellen aus der Oberfläche.
Burkhard Vogel begleitet die Spaziergänger, er ist der Chef des Thüringer Bundes für Umwelt und Naturschutz. Der Gips ist Lebensraum erstaunlich vieler seltener Arten, sagt er. Hier im Südharz kommt noch eine weitere Besonderheit dazu, eine klimatische:
"Es stoßen im Prinzip zwei Klimazonen aufeinander: die atlantische Klimazone und die kontinentale Steppenklimazone, und die treffen sich genau hier in diesem Gebiet. Und führen natürlich auch noch mal dazu, dass sich die Vielfalt der Arten entsprechend erhöht."
14 Fledermausarten, 25 Orchideenarten, 400 verschiedene Schmetterlinge gibt es hier. Selten werden auf kleinem Raum so viele Pflanzenarten gezählt. 650 auf zweieinhalb mal zweieinhalb Kilometern, das ist ein sogenannter Viertelquadrant. Jedes kleine Areal hat seine Besonderheiten. Jeder Berg, jedes Tal.
Beispiel: der Mühlberg da gegenüber.
"Zum Beispiel mit dem schmalblättrigen Brillenschötchen, eine Pflanze, die ein Eiszeitrelikt ist, und die nur dort vorkommt im ganzen … die überhaupt auf der Welt nur ein einziges Vorkommen hat."
Der Blick geht in ein kleines Tal und auf einen sanft hügeligen Bergrücken. Mit der Karte in der Hand zeigen Heinke und Rolf Richter, wo überall Vogelschutzgebiete sind, und unter dem Titel Flora-Fauna-Habitat, kurz FFH, geschützte Areale. Es sind viele.
"Wir stehen an dieser Waldgrenze."
"Hier oben stehen wir."
"Und das ist der Brandberg. Da geht es in das sogenannte Marktal rein. Und das ist also unser Kummer."
Der Kummer heißt: Gipsindustrie. Das weiße Material ist eben auch ein interessanter Rohstoff. Etliche Firmen haben sich sofort nach der Wende Bergrechte gesichert. An etlichen Stellen wird kräftig abgebaut. Aber nun soll der Abbau eben auch in Arealen beginnen, die unter Schutz stehen. Der Berg gegenüber ist zum Beispiel FFH-Gebiet. Das heißt: oberirdisch könnte nicht abgebaut werden. Aber unter Tage schon. Burkhard Vogel:
"Und wenn man jetzt unter Tage abbaut, besteht durchaus die Gefahr, dass beispielsweise die Wasserführung verändert wird. Sprich: (dass) der Wald oben drüber, der da noch steht, möglicherweise austrocknen würde, weil einfach das Grundwasser plötzlich nicht mehr in dem Umfang vorhanden ist oder komplett fehlt. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass es oben nach bricht. Eine zehn Meter starke Deckschicht ist wahrscheinlich nicht wirklich ausreichend."
Nun müssen Interessen abgewogen werden. Während sich vor Ort die Gemeinden einig sind, will sich der Landkreis Nordhausen der Industrie nicht verweigern. Und während die Gemeinden um die Details ringen, geht es auch um das große Ganze: Naturschützer setzen sich für die Errichtung eines UNESCO-Biosphärenreservates nach dem Vorbild Sachsen-Anhalts ein. Andere setzen auf das Naturpark-Label.
Die wichtigen Entscheidungen dazu fallen in Erfurt im Landtag. Beispiel: die Sitzung im Juni dieses Jahres. Die regierungstragende CDU, die 1999 auch für die Einrichtung eines Biosphärenreservates gewesen war, hat sich nun auf das wesentlich schwächere Naturpark-Etikett verständigt. Der Grund ist einfach: Es würde der Industrie mehr Luft lassen. Die SPD-Abgeordnete Dagmar Becker kann diese Kehrtwendung nicht verstehen.
"Was ist denn jetzt hier im Raum passiert, dass der Gipskarst nicht mehr schutzwürdig ist und dass der Südharz nicht mehr als Biosphärenreservat geeignet ist? Was ist denn passiert? Sachsen-Anhalt macht das doch. Die machen ein Biosphärenreservat, die machen weiter auf dem Stand von 1999, auf der Beschlusslage, wo die drei Minister das mitgemacht … ja .. und machen jetzt weiter. Es ist ein politischer Wille, der da von hier ausgeht, dass kein Biosphärenreservat Südharz in Thüringen eingerichtet werden soll."
Die CDU argumentiert, eine Ausweisung als Naturpark sei auch schon ein wichtiger Schritt. Da interveniert Thilo Kummer von der Linkspartei:
"Und wie das mit den Naturparken in Thüringen ist, wissen wir ja. Gerade aus naturschutzfachlicher Sicht. Es gibt ja bis jetzt leider nur eine Naturparkverordnung: die vom Thüringer Wald. Und ich sag es immer wieder: das Einzige, was dort irgendwo im Entferntesten naturschutzfachlich gesehen werden kann als Auflage, das ist das Verbot, im Thüringer Wald Windkraftanlagen aufzustellen."
Die CDU entgegnet, ein Biosphärenreservat sehe eine Kernzone von 20 Prozent vor, in der keine wirtschaftliche Nutzung erlaubt sei. Das sei zuviel. SPD-Frau Dagmar Becker hält dagegen:
"Wir haben Naturschutzgebiete, die das hergeben würden. Die sind bereits vorhanden. Und außerdem, Herr Primas, die ganze Region um den Südharz möchte das. Die haben sich schon vor Jahren für ein Biosphärenreservat ausgesprochen. Der einzige, der immer dagegen argumentiert, ist der Wirtschaftsverband, die Gipsindustrie und sie!"
Der angesprochene CDU-Abgeordnete Egon Primas verteidigt die Naturpark-Option, sie sei ein annehmbarer Schutzstatus. Immerhin handele es sich um eine strukturschwache Region, die um jeden Arbeitsplatz kämpfen müsse.
"Ich habe jetzt hier mal die Karten mitgebracht, dass sie nur mal schauen: der Landkreis Nordhausen. Das kann man übereinander legen. Gebiete, die gesperrt sind: Wasserschutzgebiete, Naturschutzgebiete, dann kommen dazu jetzt noch Überschwemmungsgebiete. Wenn man das alles übereinander legt, ist dort so gut wie überhaupt nichts mehr übrig. Da ist so gut wie überhaupt nichts mehr übrig, was man noch irgendwo wirtschaftlich entwickeln kann."
Zurück im Südharz. Auf einer Wiese oberhalb des kleinen Städtchens Neustadt. Heinke und Rolf Richter kennen die Argumente. Sie finden sie fadenscheinig. Die Gipsfirmen, die hier abbauten, brächten der Region ziemlich wenig.
"Die Steuer wird aber da bezahlt, wo der Betrieb sitzt."
"In Niedersachsen. Und Arbeitsplätze sind kein Argument, die werden zum größten Teil mitgebracht. Und der größte Teil heißt: Circa vier Leute, die hier vor Ort arbeiten: einer sprengt, einer beaufsichtigt, einer fährt, einer baggert – fertig."
Die Gipsindustrie gibt an, sie beschäftige im Landkreis Nordhausen 300 Menschen. Auch investiere sie in ein Renaturierungsmodellprojekt. Eben jenes bezeichnet Burkhard Vogel vom BUND als gescheitert.
Während sich nun kleine Gemeinden gegen konkrete Abbaubegehren wehren, rücken die Bagger immer weiter vor, wie zum Beispiel am Himmelsberg.
Heinke und Rolf Richter setzen auf Öffentlichkeitsarbeit. Sie wollen zeigen, wie schön es hier ist.
"Je tiefer man eintaucht, und das tut man als älterer Mensch, denke ich, auch noch mit ganz besonderem Bewusstsein, desto schöner wird sie. Man entdeckt mehr Vielfalt …"
"Da ist ein Schwalbenschwanz, Entschuldigung!"
"Da fliegt er!"
Wie bestellt flattert einer der seltenen Schmetterlinge vorbei. Ein gelber mit schwarzer Zeichnung und vielen blau-schwarzen Augen auf den Flügeln, in der Mitte wie eine Perle ein roter Punkt, an den Hinterflügeln je ein kleines Schwänzchen, wie bei einer Schwalbe eben. Unbeschwert ist er. Aber leicht zu vertreiben. Im schlimmsten Fall für immer.
Die Krabatregion in der Oberlausitz
Von Anke Ulke
"Sollen wir reingehen oder raus? -Wir haben gedacht, draußen. Sie können auch alle reingucken, sich auch die Gebäude dann angucken…"
Die Radlertruppe stammt aus Lauta, einem Nachbarort. Gertrud Winzer, die Seele des Vereins Krabat-Mühle, empfängt die Gäste
"Ich begrüße sie ganz herzlich an dieser Stelle, wo die schwarze Mühle wieder entstehen wird, hier in Schwarzkollm."
Gertrud Winzer ist die Vorsitzende des Fördervereins Krabatmühle und treibt mit ihrem Engagement für den Neuaufbau der Mühle die ganze Region voran. Ein Aufruf vor zwei Jahren im Internet machte frei reisende Wandergesellen auf die Baustelle aufmerksam; sie erklärten sie dann zur sogenannten Sommerbaustelle, zum jährlichen festen Arbeitstreffpunkt. Außer Holz und Steinen auf der grünen Wiese gab es nichts. Lange beantragte Fördergelder vom Land wurden in letzter Minute vom Regierungspräsidium verweigert.
"Dann haben se gesagt: Ihr Projekt ist nicht förderfähig, das Konzept ist nicht schlüssig, Sie müssen ein neues Konzept erarbeiten. Damit waren Fördermittel weg, aber die Wandergesellen waren da."
Doch die Wandergesellen, Frauen und Männer in Handwerksberufen, packen an, stellten das Gesindehaus und den Laubengang auf die Schwarzkollmer Erde. Das ganze Dorf machte mit und versorgte in Spitzenzeiten rund 100 junge Leute.
Gertrud Winzer informiert über Sponsoren und Baumaßnahmen und macht dann Platz für den zauberkräftigen schwarzen Müller. Der Schwarzkollmer Dieter Klimek, Botschafter der Oberlausitz und seit sieben Jahren semiprofessioneller Darsteller in Sachen Krabat, tritt auf. Mit Dreispitz, wehendem Umhang und dicken Schaftstiefeln. Kurz fasst er für die Gäste die Sage von Krabat zusammen und gibt ein wenig literarische Nachhilfe.
"Wenn ich Ihnen erzähle, dass selbst der Goethe in Leipzig im Auerbachskeller gesessen hat und mit Studenten über viele Sachen referiert hat, waren auch hier aus der Region Studenten dort mit unten und die haben über den Krabat was erzählt. Und Goethe, pfiffig wie er war, hat den Faust und den Zauberlehrling geschrieben."
Klimek erzählt vom Engagement des echten Krabat, des kroatischen Oberst Johann Schadowitz, der im Nachbarort Groß Särchen lebte, dort die Landwirtschaft auf Vordermann brachte und so den Menschen in der Region zu einem besseren Leben verhalf.
"Im übertragenen Sinne machen wir in Region genau das Gleiche: Krabat soll in dieser Region etwas bewirken, er soll die Menschen aufrütteln, er soll ihnen zeigen, wie es aus der schwierigen Situation wieder herausgeht."
Die Krabatregion, das Dreieck zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda, hofft auf den Tourismus. Zurzeit liegt die Arbeitslosenquote im Schnitt bei 15 Prozent - zuviel für eine ländlich geprägte Region, aus der vor allem junge Leute abwandern. Der Tourismus soll die Region beleben und für neue Arbeitsplätze sorgen. Gertrud Winzer, die schon zu DDR-Zeiten eine Macherin war, hat vor allem junge Leute in den Verein geholt. Um die 30, wie Tobias Zschieschik aus dem Vorstand. Der Computerspezialist kümmert sich im Verein vor allem um Finanzen. Die Verantwortung, sagt er, ist inzwischen riesig.
"Viele machen das ehrenamtlich und mittlerweile geht das nicht mehr, das ehrenamtlich zu machen. Wir stehen trotzdem zu dem Projekt und wir hoffen, dass die Region, ob's die Stadt Hoyerswerda ist oder der Landkreis, auch erkennt, dass es n Projekt der Region ist und uns unterstützt. Finanziell aber auch mit Leuten."
Die Spuren des Krabat führen weiter von Schwarzkollm ins benachbarte Wittichenau. Hier ist der echte Krabat, der kroatische Oberst Johann Schadowitz, in der katholischen Kirche bestattet, in der er regelmäßig zum Gottesdienst ging. Der Krabat aus der Sage, dem es gelungen war, sich aus den Händen des bösen Schwarzmüllers zu befreien, trieb hier seinen Schabernack. Er verwandelte sich erst in einen Ochsen, ließ sich dann vom Vater verkaufen und entfloh als Schwalbe. So verhalf der junge Krabat seinen Eltern mit einigen Tricks nach und nach zu einem besseren Leben. Dazu gehörten in alten Zeiten ein kräftiges Essen und ein guter Schluck Bier. Das gibt es auch heute noch in der Stadt: In einer alten Traditionsbrauerei in Wittichenau.
Johannes Glaab, der Junior der Wittichenauer Familienbrauerei, ist zuständig fürs Marketing. Das Krabatpils ist eines der Produkte, die die Region für Touristen schmackhaft machen sollen. Und die kaufen das süffige Pils mit dem süßlich-malzigen Geschmack gern
"Sind halt spezielle Hopfenarten, Malzarten, ganz besondere Rohstoffe ausgesucht, um das qualitativ hochwertige Pils zu erhalten, und haben es jetzt auch wieder mal bei der VLB in Berlin, Versuchs- und Lehranstalt prüfen lassen, und haben dort wieder Bestnoten bekommen (..)Vielleicht macht Krabat noch n bisschen Zauber, dass es was ganz Besonders ist?"
Der Weg auf den Spuren des Krabat führt weiter durch den Wittichenauer Ortsteil Kotten, wo ein Milchviehbetrieb, die Krabat-Milchwelt, den Besuchern moderne Milchwirtschaft erklärt. Doch hier gibt’s nicht nur Milch und Käse, sondern auch Strom. Aus Kuhfladen und Maissilage, die fleißige Bakterien in Methan und Reststoffe spalten. Ein Blockheizkraftwerk verbrennt das Gas. Marketingleiter Tobias Kockert:
"Natürlich entsteht bei der Verbrennung vom Methan nicht nur elektrische Strom, sondern auch thermische Energie in Form von 88 Grad heißem Wasser zur Verfügung, dort ist es so, dass wir ca. 15 bis 20 Prozent in unserem Kreislauf in der Krabatmilchwelt nutzen können, hier sehen wir in der Käserei, das heiße Wasser wird beispielsweise genutzt um die Milch zu erwärmen."
Nächste Station ist das Dorf Groß Särchen. Hier lebte Oberst Schadowitz nach der Militärzeit auf einem Gut, das ihm August der Starke für seine Verdienste schenkte. Der Oberst brachte moderne Methoden mit auf das sogenannte Vorwerk Groß Särchen, entwässerte das sumpfige Land, pflanzte neue Getreidesorten, brachte das Gut auf Vordermann und behandelte seine Untergebenen sehr fair wird erzählt.
Der gebürtige Sauerländer Architekt Wolfgang Kraus siedelte vor zwölf Jahren nach Groß Särchen um; erst der Arbeit und dann der Liebe wegen. Er gründete einen Heimatverein und regte an, das alte Gut von Krabat neu aufzubauen. Mit seinem Wissen als Architekt half er beim Bau des neuen Vorwerks in Groß Särchen, das einladend Orange mitten im Ort steht.
"Dies ist ein altes, brachgefallenes Wohngebäude aus dem Ende des 18. Jahrhundert. Und das war zum Ärgernis der Leute geworden und mal wollte es abreißen und wir haben gesagt, wir bauen hier das neue Vorwerk. Das alte Vorwerk liegt im Dorfkern, das existiert aber bestimmt schon 200 Jahre nicht mehr."
Das neue Vorwerk hat viel Platz für Vereine, die Theatergruppe, für einen kleinen Regionalladen mit Leinöl, Senf und anderen Produkten aus der Region.
Kraus’ Engagement im Ort führte schließlich dazu, dass er für die 625-Jahr-Feier in einem Singspiel die Rolle des Krabat übernahm.
"Und wenn ich alle Zaubersprüche der Welt beherrschen würde. Und wenn ich allen Reichtum und alles Geld der Welt besäße, hätte aber die Liebe nicht, was wäre der Preis Meister? So hat das angefangen, ich bin dann fünf-, sechsmal aufgetreten als Krabat, als Figur Krabat und hatte soviel Anerkennung, auch in der sorbischen Bevölkerung, dass man gesagt hat, der sieht fast aus wie Krabat und jetzt hab ich s schon über 400 Mal gemacht."
Inzwischen ist der 56-jährige Sauerländer sogar Botschafter der Oberlausitz. Die Figur des Krabat verkörpert Kraus mit seiner grauen Mähne und dem Schnauzbart perfekt. Und sie entspricht seiner Lebenseinstellung:
"Krabat ist sozusagen der typische Mensch, der eine sympathische Grundeinstellung hat, der geliebt ist, der die Welt natürlich verändern möchte, zum Positiven verändern möchte und der sie dann erst mal gewaltig auf die Schnauze kriegt."
Für Wolfgang Kraus lief längst nicht alles so glatt, wie er es sich gewünscht hätte. Doch Krabat zu sein bedeutet eben auch, die Steine, die einem das Leben immer wieder in den Weg wirft, beiseite zu räumen. Am besten gemeinsam mit anderen.
Die gesamte Krabat-Region lässt sich am besten mit dem Rad entdecken. Der Krabat-Radweg war das erste Projekt des großen Krabat-Vereins, zu dem verschiedene Dörfer der Region gehören. Er führt durch duftende Kiefernwälder, vorbei an Äckern und Fischteichen, durch kleine Dörfer und eine mal hügelige, mal flache Landschaft.
Nach zwei Tagen Rundweg endet die Tour wieder in Schwarzkollm.
Der Verein Krabatmühle hat vor allem ein Problem mit der Finanzierung von Arbeitskräften. Es gibt zwar Fördergelder, doch die fließen vor allem im sogenannten investiven Bereich, sagt Lars Neitzel, Regionalmanager der Marketinggesellschaft Oberlausitz
"Investiver Bereich heißt, die Realisierung von Baumaßnahmen, sprich der Bau der Krabatmühle, auch dort gibt es Möglichkeiten Fördermöglichkeiten zu erhalten, aber weniger für die Förderung der Manpower, des Menschen, der eigentlich dort dahinter stehen muss um n Objekt ordnungsgemäß und erfolgreich zu bewirtschaften."
Doch Lars Neitzel ist zuversichtlich, es gibt EU-Förderungen für die ländliche Entwicklung. Und die ist nötig in einer Region, die mehr Tourismus haben möchte, der aber noch Betten und touristische Infrastruktur fehlen. Doch die Menschen in der Krabatregion packen an. Gemeinsam, im Sinne von Krabat, dessen Geist noch immer über den Teichen und der Heide der Oberlausitz zu schweben scheint.
Gipskarstlandschaft Südharz
Von Ulrike Greim
Nördlich von Nordhausen, das ist Nordthüringen, denkt man eigentlich, man sei schon im Harz. Die Region heißt auch Südharz. Aber weit gefehlt. Denn der Südharz ist ein sehr eigenes Fleckchen Erde, geologisch und klimatisch. Hat mit dem Harz nichts zu tun. Es ist ein schmaler Gürtel, der sich südlich an den Harz schmiegt, von Niedersachen über Thüringen bis nach Sachsen-Anhalt. Er nimmt das Wasser auf, das dort wegen des harten Gesteins nicht abfließen kann. Denn hier ist der Boden durchlässig. Hier ruht Gips. Ein Material, mit dem die Natur spielt. Und der Gips spielt mit der Landschaft.
Ein Ortstermin mit Heinke und Rolf Richter, zwei Rentnern, die viel Zeit und Energie in Umwelt und Naturschutz investieren. Es geht berghoch.
"Auf der anderen Seite hier ist die geologische Grenze. Wenn wir also vor 258 Millionen Jahren hier gewesen wären, dann würden wir jetzt den Wellenschlag dieses flachen Meeres hören, wo sich dann Schicht um Schicht über lange Zeiträume, einige Millionen Jahre vielleicht, abgelagert hat. Was heute unsere Gipsvorkommen sind."
Die zwei Wahl-Südharzer wissen mehr über diese Region, als manche Alt-Angestammte. Sie erkennen die seltenen Falter und Gräser und Vögel, sie entdecken die Orchideen am Wegesrand.
"Übrigens ist das hier das Relikt einer Orchidee. Abgebissen. Das war das weiße Waldvöglein. Wir sehen jetzt nur noch den Stiel."
Sie wissen um die geologischen Besonderheiten: die Abbruchkanten und Gipshügel, die Alabaster-Höhlen. Bäche verschwinden einfach im Erdreich, an anderer Stelle treten sie wieder aus. Wenn unterirdisch der Gips zusammensackt, entstehen Trichter. Und bei starkem Regen sprudeln aus dem unterirdischen Labyrinth, das sich der Gips immer neu modelliert, plötzlich Quellen aus der Oberfläche.
Burkhard Vogel begleitet die Spaziergänger, er ist der Chef des Thüringer Bundes für Umwelt und Naturschutz. Der Gips ist Lebensraum erstaunlich vieler seltener Arten, sagt er. Hier im Südharz kommt noch eine weitere Besonderheit dazu, eine klimatische:
"Es stoßen im Prinzip zwei Klimazonen aufeinander: die atlantische Klimazone und die kontinentale Steppenklimazone, und die treffen sich genau hier in diesem Gebiet. Und führen natürlich auch noch mal dazu, dass sich die Vielfalt der Arten entsprechend erhöht."
14 Fledermausarten, 25 Orchideenarten, 400 verschiedene Schmetterlinge gibt es hier. Selten werden auf kleinem Raum so viele Pflanzenarten gezählt. 650 auf zweieinhalb mal zweieinhalb Kilometern, das ist ein sogenannter Viertelquadrant. Jedes kleine Areal hat seine Besonderheiten. Jeder Berg, jedes Tal.
Beispiel: der Mühlberg da gegenüber.
"Zum Beispiel mit dem schmalblättrigen Brillenschötchen, eine Pflanze, die ein Eiszeitrelikt ist, und die nur dort vorkommt im ganzen … die überhaupt auf der Welt nur ein einziges Vorkommen hat."
Der Blick geht in ein kleines Tal und auf einen sanft hügeligen Bergrücken. Mit der Karte in der Hand zeigen Heinke und Rolf Richter, wo überall Vogelschutzgebiete sind, und unter dem Titel Flora-Fauna-Habitat, kurz FFH, geschützte Areale. Es sind viele.
"Wir stehen an dieser Waldgrenze."
"Hier oben stehen wir."
"Und das ist der Brandberg. Da geht es in das sogenannte Marktal rein. Und das ist also unser Kummer."
Der Kummer heißt: Gipsindustrie. Das weiße Material ist eben auch ein interessanter Rohstoff. Etliche Firmen haben sich sofort nach der Wende Bergrechte gesichert. An etlichen Stellen wird kräftig abgebaut. Aber nun soll der Abbau eben auch in Arealen beginnen, die unter Schutz stehen. Der Berg gegenüber ist zum Beispiel FFH-Gebiet. Das heißt: oberirdisch könnte nicht abgebaut werden. Aber unter Tage schon. Burkhard Vogel:
"Und wenn man jetzt unter Tage abbaut, besteht durchaus die Gefahr, dass beispielsweise die Wasserführung verändert wird. Sprich: (dass) der Wald oben drüber, der da noch steht, möglicherweise austrocknen würde, weil einfach das Grundwasser plötzlich nicht mehr in dem Umfang vorhanden ist oder komplett fehlt. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass es oben nach bricht. Eine zehn Meter starke Deckschicht ist wahrscheinlich nicht wirklich ausreichend."
Nun müssen Interessen abgewogen werden. Während sich vor Ort die Gemeinden einig sind, will sich der Landkreis Nordhausen der Industrie nicht verweigern. Und während die Gemeinden um die Details ringen, geht es auch um das große Ganze: Naturschützer setzen sich für die Errichtung eines UNESCO-Biosphärenreservates nach dem Vorbild Sachsen-Anhalts ein. Andere setzen auf das Naturpark-Label.
Die wichtigen Entscheidungen dazu fallen in Erfurt im Landtag. Beispiel: die Sitzung im Juni dieses Jahres. Die regierungstragende CDU, die 1999 auch für die Einrichtung eines Biosphärenreservates gewesen war, hat sich nun auf das wesentlich schwächere Naturpark-Etikett verständigt. Der Grund ist einfach: Es würde der Industrie mehr Luft lassen. Die SPD-Abgeordnete Dagmar Becker kann diese Kehrtwendung nicht verstehen.
"Was ist denn jetzt hier im Raum passiert, dass der Gipskarst nicht mehr schutzwürdig ist und dass der Südharz nicht mehr als Biosphärenreservat geeignet ist? Was ist denn passiert? Sachsen-Anhalt macht das doch. Die machen ein Biosphärenreservat, die machen weiter auf dem Stand von 1999, auf der Beschlusslage, wo die drei Minister das mitgemacht … ja .. und machen jetzt weiter. Es ist ein politischer Wille, der da von hier ausgeht, dass kein Biosphärenreservat Südharz in Thüringen eingerichtet werden soll."
Die CDU argumentiert, eine Ausweisung als Naturpark sei auch schon ein wichtiger Schritt. Da interveniert Thilo Kummer von der Linkspartei:
"Und wie das mit den Naturparken in Thüringen ist, wissen wir ja. Gerade aus naturschutzfachlicher Sicht. Es gibt ja bis jetzt leider nur eine Naturparkverordnung: die vom Thüringer Wald. Und ich sag es immer wieder: das Einzige, was dort irgendwo im Entferntesten naturschutzfachlich gesehen werden kann als Auflage, das ist das Verbot, im Thüringer Wald Windkraftanlagen aufzustellen."
Die CDU entgegnet, ein Biosphärenreservat sehe eine Kernzone von 20 Prozent vor, in der keine wirtschaftliche Nutzung erlaubt sei. Das sei zuviel. SPD-Frau Dagmar Becker hält dagegen:
"Wir haben Naturschutzgebiete, die das hergeben würden. Die sind bereits vorhanden. Und außerdem, Herr Primas, die ganze Region um den Südharz möchte das. Die haben sich schon vor Jahren für ein Biosphärenreservat ausgesprochen. Der einzige, der immer dagegen argumentiert, ist der Wirtschaftsverband, die Gipsindustrie und sie!"
Der angesprochene CDU-Abgeordnete Egon Primas verteidigt die Naturpark-Option, sie sei ein annehmbarer Schutzstatus. Immerhin handele es sich um eine strukturschwache Region, die um jeden Arbeitsplatz kämpfen müsse.
"Ich habe jetzt hier mal die Karten mitgebracht, dass sie nur mal schauen: der Landkreis Nordhausen. Das kann man übereinander legen. Gebiete, die gesperrt sind: Wasserschutzgebiete, Naturschutzgebiete, dann kommen dazu jetzt noch Überschwemmungsgebiete. Wenn man das alles übereinander legt, ist dort so gut wie überhaupt nichts mehr übrig. Da ist so gut wie überhaupt nichts mehr übrig, was man noch irgendwo wirtschaftlich entwickeln kann."
Zurück im Südharz. Auf einer Wiese oberhalb des kleinen Städtchens Neustadt. Heinke und Rolf Richter kennen die Argumente. Sie finden sie fadenscheinig. Die Gipsfirmen, die hier abbauten, brächten der Region ziemlich wenig.
"Die Steuer wird aber da bezahlt, wo der Betrieb sitzt."
"In Niedersachsen. Und Arbeitsplätze sind kein Argument, die werden zum größten Teil mitgebracht. Und der größte Teil heißt: Circa vier Leute, die hier vor Ort arbeiten: einer sprengt, einer beaufsichtigt, einer fährt, einer baggert – fertig."
Die Gipsindustrie gibt an, sie beschäftige im Landkreis Nordhausen 300 Menschen. Auch investiere sie in ein Renaturierungsmodellprojekt. Eben jenes bezeichnet Burkhard Vogel vom BUND als gescheitert.
Während sich nun kleine Gemeinden gegen konkrete Abbaubegehren wehren, rücken die Bagger immer weiter vor, wie zum Beispiel am Himmelsberg.
Heinke und Rolf Richter setzen auf Öffentlichkeitsarbeit. Sie wollen zeigen, wie schön es hier ist.
"Je tiefer man eintaucht, und das tut man als älterer Mensch, denke ich, auch noch mit ganz besonderem Bewusstsein, desto schöner wird sie. Man entdeckt mehr Vielfalt …"
"Da ist ein Schwalbenschwanz, Entschuldigung!"
"Da fliegt er!"
Wie bestellt flattert einer der seltenen Schmetterlinge vorbei. Ein gelber mit schwarzer Zeichnung und vielen blau-schwarzen Augen auf den Flügeln, in der Mitte wie eine Perle ein roter Punkt, an den Hinterflügeln je ein kleines Schwänzchen, wie bei einer Schwalbe eben. Unbeschwert ist er. Aber leicht zu vertreiben. Im schlimmsten Fall für immer.
Die Krabatregion in der Oberlausitz
Von Anke Ulke
"Sollen wir reingehen oder raus? -Wir haben gedacht, draußen. Sie können auch alle reingucken, sich auch die Gebäude dann angucken…"
Die Radlertruppe stammt aus Lauta, einem Nachbarort. Gertrud Winzer, die Seele des Vereins Krabat-Mühle, empfängt die Gäste
"Ich begrüße sie ganz herzlich an dieser Stelle, wo die schwarze Mühle wieder entstehen wird, hier in Schwarzkollm."
Gertrud Winzer ist die Vorsitzende des Fördervereins Krabatmühle und treibt mit ihrem Engagement für den Neuaufbau der Mühle die ganze Region voran. Ein Aufruf vor zwei Jahren im Internet machte frei reisende Wandergesellen auf die Baustelle aufmerksam; sie erklärten sie dann zur sogenannten Sommerbaustelle, zum jährlichen festen Arbeitstreffpunkt. Außer Holz und Steinen auf der grünen Wiese gab es nichts. Lange beantragte Fördergelder vom Land wurden in letzter Minute vom Regierungspräsidium verweigert.
"Dann haben se gesagt: Ihr Projekt ist nicht förderfähig, das Konzept ist nicht schlüssig, Sie müssen ein neues Konzept erarbeiten. Damit waren Fördermittel weg, aber die Wandergesellen waren da."
Doch die Wandergesellen, Frauen und Männer in Handwerksberufen, packen an, stellten das Gesindehaus und den Laubengang auf die Schwarzkollmer Erde. Das ganze Dorf machte mit und versorgte in Spitzenzeiten rund 100 junge Leute.
Gertrud Winzer informiert über Sponsoren und Baumaßnahmen und macht dann Platz für den zauberkräftigen schwarzen Müller. Der Schwarzkollmer Dieter Klimek, Botschafter der Oberlausitz und seit sieben Jahren semiprofessioneller Darsteller in Sachen Krabat, tritt auf. Mit Dreispitz, wehendem Umhang und dicken Schaftstiefeln. Kurz fasst er für die Gäste die Sage von Krabat zusammen und gibt ein wenig literarische Nachhilfe.
"Wenn ich Ihnen erzähle, dass selbst der Goethe in Leipzig im Auerbachskeller gesessen hat und mit Studenten über viele Sachen referiert hat, waren auch hier aus der Region Studenten dort mit unten und die haben über den Krabat was erzählt. Und Goethe, pfiffig wie er war, hat den Faust und den Zauberlehrling geschrieben."
Klimek erzählt vom Engagement des echten Krabat, des kroatischen Oberst Johann Schadowitz, der im Nachbarort Groß Särchen lebte, dort die Landwirtschaft auf Vordermann brachte und so den Menschen in der Region zu einem besseren Leben verhalf.
"Im übertragenen Sinne machen wir in Region genau das Gleiche: Krabat soll in dieser Region etwas bewirken, er soll die Menschen aufrütteln, er soll ihnen zeigen, wie es aus der schwierigen Situation wieder herausgeht."
Die Krabatregion, das Dreieck zwischen Bautzen, Kamenz und Hoyerswerda, hofft auf den Tourismus. Zurzeit liegt die Arbeitslosenquote im Schnitt bei 15 Prozent - zuviel für eine ländlich geprägte Region, aus der vor allem junge Leute abwandern. Der Tourismus soll die Region beleben und für neue Arbeitsplätze sorgen. Gertrud Winzer, die schon zu DDR-Zeiten eine Macherin war, hat vor allem junge Leute in den Verein geholt. Um die 30, wie Tobias Zschieschik aus dem Vorstand. Der Computerspezialist kümmert sich im Verein vor allem um Finanzen. Die Verantwortung, sagt er, ist inzwischen riesig.
"Viele machen das ehrenamtlich und mittlerweile geht das nicht mehr, das ehrenamtlich zu machen. Wir stehen trotzdem zu dem Projekt und wir hoffen, dass die Region, ob's die Stadt Hoyerswerda ist oder der Landkreis, auch erkennt, dass es n Projekt der Region ist und uns unterstützt. Finanziell aber auch mit Leuten."
Die Spuren des Krabat führen weiter von Schwarzkollm ins benachbarte Wittichenau. Hier ist der echte Krabat, der kroatische Oberst Johann Schadowitz, in der katholischen Kirche bestattet, in der er regelmäßig zum Gottesdienst ging. Der Krabat aus der Sage, dem es gelungen war, sich aus den Händen des bösen Schwarzmüllers zu befreien, trieb hier seinen Schabernack. Er verwandelte sich erst in einen Ochsen, ließ sich dann vom Vater verkaufen und entfloh als Schwalbe. So verhalf der junge Krabat seinen Eltern mit einigen Tricks nach und nach zu einem besseren Leben. Dazu gehörten in alten Zeiten ein kräftiges Essen und ein guter Schluck Bier. Das gibt es auch heute noch in der Stadt: In einer alten Traditionsbrauerei in Wittichenau.
Johannes Glaab, der Junior der Wittichenauer Familienbrauerei, ist zuständig fürs Marketing. Das Krabatpils ist eines der Produkte, die die Region für Touristen schmackhaft machen sollen. Und die kaufen das süffige Pils mit dem süßlich-malzigen Geschmack gern
"Sind halt spezielle Hopfenarten, Malzarten, ganz besondere Rohstoffe ausgesucht, um das qualitativ hochwertige Pils zu erhalten, und haben es jetzt auch wieder mal bei der VLB in Berlin, Versuchs- und Lehranstalt prüfen lassen, und haben dort wieder Bestnoten bekommen (..)Vielleicht macht Krabat noch n bisschen Zauber, dass es was ganz Besonders ist?"
Der Weg auf den Spuren des Krabat führt weiter durch den Wittichenauer Ortsteil Kotten, wo ein Milchviehbetrieb, die Krabat-Milchwelt, den Besuchern moderne Milchwirtschaft erklärt. Doch hier gibt’s nicht nur Milch und Käse, sondern auch Strom. Aus Kuhfladen und Maissilage, die fleißige Bakterien in Methan und Reststoffe spalten. Ein Blockheizkraftwerk verbrennt das Gas. Marketingleiter Tobias Kockert:
"Natürlich entsteht bei der Verbrennung vom Methan nicht nur elektrische Strom, sondern auch thermische Energie in Form von 88 Grad heißem Wasser zur Verfügung, dort ist es so, dass wir ca. 15 bis 20 Prozent in unserem Kreislauf in der Krabatmilchwelt nutzen können, hier sehen wir in der Käserei, das heiße Wasser wird beispielsweise genutzt um die Milch zu erwärmen."
Nächste Station ist das Dorf Groß Särchen. Hier lebte Oberst Schadowitz nach der Militärzeit auf einem Gut, das ihm August der Starke für seine Verdienste schenkte. Der Oberst brachte moderne Methoden mit auf das sogenannte Vorwerk Groß Särchen, entwässerte das sumpfige Land, pflanzte neue Getreidesorten, brachte das Gut auf Vordermann und behandelte seine Untergebenen sehr fair wird erzählt.
Der gebürtige Sauerländer Architekt Wolfgang Kraus siedelte vor zwölf Jahren nach Groß Särchen um; erst der Arbeit und dann der Liebe wegen. Er gründete einen Heimatverein und regte an, das alte Gut von Krabat neu aufzubauen. Mit seinem Wissen als Architekt half er beim Bau des neuen Vorwerks in Groß Särchen, das einladend Orange mitten im Ort steht.
"Dies ist ein altes, brachgefallenes Wohngebäude aus dem Ende des 18. Jahrhundert. Und das war zum Ärgernis der Leute geworden und mal wollte es abreißen und wir haben gesagt, wir bauen hier das neue Vorwerk. Das alte Vorwerk liegt im Dorfkern, das existiert aber bestimmt schon 200 Jahre nicht mehr."
Das neue Vorwerk hat viel Platz für Vereine, die Theatergruppe, für einen kleinen Regionalladen mit Leinöl, Senf und anderen Produkten aus der Region.
Kraus’ Engagement im Ort führte schließlich dazu, dass er für die 625-Jahr-Feier in einem Singspiel die Rolle des Krabat übernahm.
"Und wenn ich alle Zaubersprüche der Welt beherrschen würde. Und wenn ich allen Reichtum und alles Geld der Welt besäße, hätte aber die Liebe nicht, was wäre der Preis Meister? So hat das angefangen, ich bin dann fünf-, sechsmal aufgetreten als Krabat, als Figur Krabat und hatte soviel Anerkennung, auch in der sorbischen Bevölkerung, dass man gesagt hat, der sieht fast aus wie Krabat und jetzt hab ich s schon über 400 Mal gemacht."
Inzwischen ist der 56-jährige Sauerländer sogar Botschafter der Oberlausitz. Die Figur des Krabat verkörpert Kraus mit seiner grauen Mähne und dem Schnauzbart perfekt. Und sie entspricht seiner Lebenseinstellung:
"Krabat ist sozusagen der typische Mensch, der eine sympathische Grundeinstellung hat, der geliebt ist, der die Welt natürlich verändern möchte, zum Positiven verändern möchte und der sie dann erst mal gewaltig auf die Schnauze kriegt."
Für Wolfgang Kraus lief längst nicht alles so glatt, wie er es sich gewünscht hätte. Doch Krabat zu sein bedeutet eben auch, die Steine, die einem das Leben immer wieder in den Weg wirft, beiseite zu räumen. Am besten gemeinsam mit anderen.
Die gesamte Krabat-Region lässt sich am besten mit dem Rad entdecken. Der Krabat-Radweg war das erste Projekt des großen Krabat-Vereins, zu dem verschiedene Dörfer der Region gehören. Er führt durch duftende Kiefernwälder, vorbei an Äckern und Fischteichen, durch kleine Dörfer und eine mal hügelige, mal flache Landschaft.
Nach zwei Tagen Rundweg endet die Tour wieder in Schwarzkollm.
Der Verein Krabatmühle hat vor allem ein Problem mit der Finanzierung von Arbeitskräften. Es gibt zwar Fördergelder, doch die fließen vor allem im sogenannten investiven Bereich, sagt Lars Neitzel, Regionalmanager der Marketinggesellschaft Oberlausitz
"Investiver Bereich heißt, die Realisierung von Baumaßnahmen, sprich der Bau der Krabatmühle, auch dort gibt es Möglichkeiten Fördermöglichkeiten zu erhalten, aber weniger für die Förderung der Manpower, des Menschen, der eigentlich dort dahinter stehen muss um n Objekt ordnungsgemäß und erfolgreich zu bewirtschaften."
Doch Lars Neitzel ist zuversichtlich, es gibt EU-Förderungen für die ländliche Entwicklung. Und die ist nötig in einer Region, die mehr Tourismus haben möchte, der aber noch Betten und touristische Infrastruktur fehlen. Doch die Menschen in der Krabatregion packen an. Gemeinsam, im Sinne von Krabat, dessen Geist noch immer über den Teichen und der Heide der Oberlausitz zu schweben scheint.