"Von Rubens bis Twiggy - Der Preis der Schönheit"

52 Kilo bei einer Größe von 1,76 m. Landläufig gilt dies bei Frauen als Traummaß - nicht so bei der Casting-Show "Germany's Next Topmodel". Hier flog eine 19-Jährige mit diesen Maßen heraus. Urteil: "Dafür bist du zu dick." Die Welle der Empörung ließ nicht lange auf sich warten: Politiker und Mediziner warnten vor den negativen Folgen des in der Show propagierten Schönheitsideals, forderten die Absetzung der Show.
Die Zahlen sprechen für sich: Nach Angaben der Ärztekammer Niedersachsen haben knapp zwei Drittel der weiblichen Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr mindestens eine Diät hinter sich. Mindestens 220.000 Jugendliche in Deutschland leiden an Magersucht oder Essbrechsucht. Bereits bei den 11-Jährigen ist jedes zweite Mädchen und jeder dritte Junge mit seiner Figur unzufrieden.

Die Vorbilder aus den Medien seien daran nicht unschuldig, meint Sylvia Baeck. "Gerade in der Pubertät, wenn man nach der eigenen Identität sucht und sich mit anderen vergleicht, sind diese Bilder extrem wichtig", weiß die Geschäftsführerin der Beratungsstelle bei Essstörungen "Dick und Dünn" in Berlin. "Sich beim Essen zurückzuhalten, ist für die meisten Mädchen selbstverständlich geworden."

Ihre Beobachtung: Durch die neuen Casting-Shows werde der Druck, schön zu sein, immer größer. "Die Jugendlichen haben mehr Mediennähe. Die Illusion, sie könnten mitmachen, wenn sie nur entsprechend aussehen, ist stärker geworden."

Ihre Erfahrung: Essstörungen beginnen schleichend. "Meist fängt es so an, dass die Mädchen denken, ich esse bewusst. Ich gucke, dass es gesund ist. Dann fangen sie an, die Mengen zu verändern, die Zusammensetzung. Sie schrauben es immer mehr herunter, auch ihre Vorstellung vom Gewicht. Die Mädchen fühlen sich dann zu dick, obwohl sie schlank sind. Die reden sich das ein. Und wenn sich Mädchen mit 30 kg für zu dick halten, dann können Sie nichts ausrichten."

Auch Waltraud Posch macht die Medien und das darin propagierte Schönheitsideal mit verantwortlich für die wachsende Zahl an Essgestörten.

"Heute sind die Schönheitsideale globaler. Durch das Fernsehen kommt jedes Ideal in jeden Winkel der Welt. Es wird uns das Glück versprochen, dass Schönheit machbar sei. Es wird unterstellt, schön zu sein, sei der Normalfall. Du musst dich nur anstrengen, das kannst auch du es schaffen. Wer nicht schön ist, gehört zu den Versagern. Ohne die Medien hätten wir sicherlich weniger Druck." In ihrem Buch "Körper machen Leute. Der Kult um die Schönheit" skizzierte die österreichische Soziologin bereits 1999 die Folgen eines unerreichbaren Schönheitsideals. Das Thema hat sie bis heute nicht losgelassen. "Das Problem ist, dass uns suggeriert wird, wer nicht schön ist, müsse automatisch unglücklich sein. Das berührt mich schon, wenn mir Frauen schreiben, dass sie unglücklich sind, wenn sei ein bisschen mehr Gewicht haben. Dabei sind diese Models biologische Ausnahmen!"

Ihre Mahnung: "Schönheit macht nicht unbedingt glücklich. Das kann im Einzelfall eingelöst werden. Aber es ist zu einfach, zu glauben, ich nehme ein paar Kilo ab oder lasse mir neue Zähne einsetzen und schon läuft es mit meinem Mann besser. Frauen, die solche Maßnahmen ergreifen wollen, sollten genau überlegen, bevor sie das machen. Meiner Meinung nach kann es sogar unglücklich machen."

Nur: Was ist eigentlich Schönheit? Woher kommen unsere heutigen Schönheitsideale und wie sahen sie früher aus? Wer bestimmt, was schön ist und wer profitiert davon? Und welche gesundheitlichen Folgen zeitigen die Schönheitsideale?

"Von Rubens bis Twiggy - Der Preis der Schönheit" - darüber diskutiert Gisela Steinhauer heute gemeinsam mit Sylvia Baeck von der Beratungsstelle "Dick und Dünn" und der Soziologin Waltraud Posch, von 9 Uhr 07 bis 11 Uhr in der Sendung "Radiofeuilleton - Im Gespräch". Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der kostenlosen Telefonnummer 00800 / 2254-2254 oder per E-Mail unter gespraech@dradio.de.


Informationen zum Thema Essstörungen im Internet unter:
Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärungen
Beratungsstelle für Essgestörte "Dick und Dünn"