Von "Radio Maria" bis "Tygodnik Powszechny"

Von Martin Sander · 11.07.2007
Zwei Gesichter des polnischen Katholizismus an einem Tag. Tadeusz Rydzyk, Thorner Redemptoristenpater und Eigner eines christlich-chauvinistischen Mediennetzwerks rund um den Sender "Radio Maria", genießt im Augenblick Aufmerksamkeit weltweit. Das Simon-Wiesenthal-Center in Los Angeles sieht sich veranlasst, beim Papst zu intervenieren, damit dem Pater die Geschäftsgrundlage entzogen werden kann.
Was ist geschehen? Lech Kaczyński, der dank Rydzyks Medienunterstützung das höchste polnische Staatsamt erringen konnte, ist für seinen früheren Förderer nunmehr nur noch ein Betrüger, weil er sich an die "jüdische Lobby" verkauft habe. Das enthüllen Tonbandmitschnitte, an deren Echtheit kaum jemand zweifelt.

Was sich hinter Rydzyks Angriff verbirgt: Kaczyński unterstützt den Bau eines Museums der Geschichte der polnischen Juden, dessen Grundstein vor zwei Wochen in Warschau gelegt wurde. Kaczyńskis Ehefrau hingegen, wütete Pater Tadeusz weiter, solle sich der Euthanasie unterziehen. Hat doch Maria Kaczyńska die Ansicht vertreten, dass man das ohnehin strenge polnische Abtreibungsrecht nicht noch verschärfen müsse.

Bis zu fünf Millionen Polen hören "Radio Maria". Es sind vor allem ältere Menschen, Angehörige der ärmeren Schichten, Leute aus der Provinz. Was sie suchen, ist wohl in erster Linie religiöser Zuspruch und Lebenshilfe. Die Liturgie zieht sie an, doch angeboten werden darüber hinaus klerikalfaschistische Litaneien. Kein Linker, kein Liberaler, kein Jude findet hier Gnade - und natürlich auch kein Deutscher.

Wer einen anderen Katholizismus kennen lernen will, begebe sich in die Wiślna-Straße nach Krakau. Unweit des Hauptplatzes mit seinen berühmten Tuchhallen residiert die Redaktion des "Tygodnik Powszechny". Das liberale katholische Wochenblatt wendet sich an ein intellektuelles Publikum, die Auflage liegt bei ungefähr 25.000 Exemplaren.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs gegründet, begeisterte sich der "Tygodnik Powszechny" von Beginn an für experimentelles Theater und moderne Kunst, bald auch für den jüdisch-christlichen Dialog und die Idee einer polnisch-deutschen Verständigung. An der arbeitet man auch heute wieder intensiv, aus aktuellem Anlass.

Mit den Kaczyński-Brüdern geht der "Tygodnik Powszechny" scharf ins Gericht, missbilligt deren Instrumentalisierung der Opfer des Zweiten Weltkriegs für den Machtkampf in der Europäischen Union. Und dennoch, der heutige Kern in den Differenzen zwischen den Nachbarn sei älter als die nationalkonservative Regierung. Es gehe um Geschichtspolitik.

Seit längerem sorge man sich um die Planungen für ein Zentrum gegen Vertreibung von Erika Steinbach, seit langem irritiere das fehlende Verständnis der Deutschen für die polnischen Opfer im Zweiten Weltkrieg. Es sei höchste Zeit, Im deutsch-polnischen Verhältnis, etwas zu unternehmen, besser später als niemals: Denn noch schlimmer kann es immer kommen.