Von Paul Stänner
Die Münchner Kammerspiele trauen sich was: Sie berufen einen "Kreuzberger Straßenköter" zum Intendanten, staunt der mächtigste Wachhund des Ortes. Gleich nebenan wird ein Antiken-Dreier bejubelt. Und auch die TV-Serie "Weissensee" findet neue Fans.
Viel Theater heute: "Diese Berufung ist ein Knaller", schreibt die Süddeutsche Zeitung. Warum die Berufung von Matthias Lilienthal zum neuen Intendanten der Münchner Kammerspiele ein Knaller ist, klärt sich durch die Bekleidungsfrage, denn - so Christine Dössel – "speziell auf der teuren Maximilianstraße, wo die Kammerspiele angesiedelt sind, konnte man sich den stets wie ein Kreuzberger Straßenköter daherschlurfenden "Edelpenner" (O-Ton Lilienthal) nicht gut vorstellen"."
Wir sehen, es ist eben doch immer ein Kreuz mit den Preußen und den Bayern.
Fairerweise räumt die Autorin ein, dass sie den Ausdruck "Edelpenner" von Lilienthal selbst übernommen hat. Den Schlechtgekleideten nennt sie einen ""Theaterkenner, Theaterdenker und Spartensprengmeister" und gratuliert der Stadt für ihre "Risiko- und Öffnungsbereitschaft".
Immer noch München: John von Düffel hat Sophokles, Aischylos und Euripides bearbeitet. Sein "Orest" im Residenztheater löst bei Matthias Heine in der Welt einen zügellosen Schauer von Assoziationen aus: "Hamlet und seine Schwestern" heißt es in der Überschrift und in der Unterzeile: "Dem ist ein Menelaos über die Leber gelaufen" – immerhin wissen wir jetzt, dass sich der kalauernde Kritiker in der Theaterwelt auskennt. Als von Aigisthos die Rede ist, formuliert er betont anti-antikisch: "Dass der letztgenannte obendrein auch noch ihre und Orests Schwester Hermione befummelte, macht das psychologische Chaos, das unter Elektras Vokuhila brodelt, nicht kleiner."
Wir ahnen dunkel, es muss wohl irgendwas mit der Seele zu tun haben.
In der Frankfurter Allgemeinen ist Teresa Grenzmann ebenso wie der Welt-Autor begeistert von den Hauptdarstellern, analysiert dann Schritt für Schritt die Inszenierung und ihre Grundlagen: "Den Menschen in seiner Schwäche und Schuld überlässt John von Düffel dem großen Hadern", schreibt sie und zitiert Orest: "Es tut mir leid", klagt der. Das Premierenpublikum, so erfahren wir aus der FAZ, "jubelte wie selten."
Vom Theater zum Fernsehen: Die Kritiker jubeln wie selten, aber erst einmal wird eingehauen - auf die ARD, weil sie erst jetzt die längst schon als DVD erhältliche zweite Staffel der Serie "Weissensee" ins Programm hebt. Die Geschichten aus der späten DDR erscheinen Eckhard Fuhr in der Welt von einer Größe – Zitat – "als hätten griechische Tragödienschreiber den Autoren die Feder geführt". Katharina Riehl in der SZ fühlt sich an Shakespeare erinnert - der, anders als die Griechen, wirklich mit der Feder geschrieben hat. Auch Rühl ist begeistert von den Schauspielern, übt aber Kritik am Drehbuch: "Der ostdeutsche Unrechtsstaat" – heißt es in der SZ - "muss sich schon in seiner sehr geballten Schrecklichkeit zeigen, um den Figuren genügend Handlungsanreize anzutun." Ähnlich argumentiert Tobias Rüther in der FAZ: "Doping, Zwangsadoption, Bürgerrechtsbewegung, alles wird hineingepresst."
Aus der Schweiz kommt auch so etwas wie Theater: Justus Wenzel in der Neuen Zürcher Zeitung hat sich zweier Autoren angenommen, die Lebenshilfe-Ratgeber verfassen. Nachdem er deutlich gemacht hat, dass man sich den Quatsch sparen kann, weil die wichtigsten Weisheiten schon im Alten Testament stehen à la "Hochmut kommt vor dem Fall", wendet er sich Rolf Dobelli zu. Der hat gerade ein Werk geschrieben über "Die Kunst des klugen Handelns", mit dem er seinem Publikum einen "Quantensprung an Wohlstand" bescheren will, einzig und allein durch – Zitat - "weniger Dummheit". Dobelli habe, so Wenzel, Gott durch Erfolg ersetzt. Erfolg bringt Geld, so dumm sind wir auch nicht und deshalb nicht erstaunt, dass ein anderer Gott-Geld-Leben-Autor namens Nassim Nicholas Taleb bei Dobelli heftig geklaut haben soll. Was Erfolg und Geld bringt, wenn‘s klappt, aber unbestreitbar eine Dummheit ist, wenn man damit auffällt. Schreibt Justus der Gerechte Wenzel: "Das Ganze könnte – sehr banal – tatsächlich damit zu tun haben, dass Erfolg als Gottesersatz zwar kein Gott, aber doch ein Götze, und naturgemäß ein eifersüchtiger ist." Was den Erfolg als Gottesersatz, den Plagiats-Streit der Sprücheklopfer und die Weisheiten und Dummheiten insgesamt anlangt, hilft Wenzel uns mit einer gängigen Lehre: "Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt", schreibt er.
Vorausgesetzt, da denkt einer.
Wir sehen, es ist eben doch immer ein Kreuz mit den Preußen und den Bayern.
Fairerweise räumt die Autorin ein, dass sie den Ausdruck "Edelpenner" von Lilienthal selbst übernommen hat. Den Schlechtgekleideten nennt sie einen ""Theaterkenner, Theaterdenker und Spartensprengmeister" und gratuliert der Stadt für ihre "Risiko- und Öffnungsbereitschaft".
Immer noch München: John von Düffel hat Sophokles, Aischylos und Euripides bearbeitet. Sein "Orest" im Residenztheater löst bei Matthias Heine in der Welt einen zügellosen Schauer von Assoziationen aus: "Hamlet und seine Schwestern" heißt es in der Überschrift und in der Unterzeile: "Dem ist ein Menelaos über die Leber gelaufen" – immerhin wissen wir jetzt, dass sich der kalauernde Kritiker in der Theaterwelt auskennt. Als von Aigisthos die Rede ist, formuliert er betont anti-antikisch: "Dass der letztgenannte obendrein auch noch ihre und Orests Schwester Hermione befummelte, macht das psychologische Chaos, das unter Elektras Vokuhila brodelt, nicht kleiner."
Wir ahnen dunkel, es muss wohl irgendwas mit der Seele zu tun haben.
In der Frankfurter Allgemeinen ist Teresa Grenzmann ebenso wie der Welt-Autor begeistert von den Hauptdarstellern, analysiert dann Schritt für Schritt die Inszenierung und ihre Grundlagen: "Den Menschen in seiner Schwäche und Schuld überlässt John von Düffel dem großen Hadern", schreibt sie und zitiert Orest: "Es tut mir leid", klagt der. Das Premierenpublikum, so erfahren wir aus der FAZ, "jubelte wie selten."
Vom Theater zum Fernsehen: Die Kritiker jubeln wie selten, aber erst einmal wird eingehauen - auf die ARD, weil sie erst jetzt die längst schon als DVD erhältliche zweite Staffel der Serie "Weissensee" ins Programm hebt. Die Geschichten aus der späten DDR erscheinen Eckhard Fuhr in der Welt von einer Größe – Zitat – "als hätten griechische Tragödienschreiber den Autoren die Feder geführt". Katharina Riehl in der SZ fühlt sich an Shakespeare erinnert - der, anders als die Griechen, wirklich mit der Feder geschrieben hat. Auch Rühl ist begeistert von den Schauspielern, übt aber Kritik am Drehbuch: "Der ostdeutsche Unrechtsstaat" – heißt es in der SZ - "muss sich schon in seiner sehr geballten Schrecklichkeit zeigen, um den Figuren genügend Handlungsanreize anzutun." Ähnlich argumentiert Tobias Rüther in der FAZ: "Doping, Zwangsadoption, Bürgerrechtsbewegung, alles wird hineingepresst."
Aus der Schweiz kommt auch so etwas wie Theater: Justus Wenzel in der Neuen Zürcher Zeitung hat sich zweier Autoren angenommen, die Lebenshilfe-Ratgeber verfassen. Nachdem er deutlich gemacht hat, dass man sich den Quatsch sparen kann, weil die wichtigsten Weisheiten schon im Alten Testament stehen à la "Hochmut kommt vor dem Fall", wendet er sich Rolf Dobelli zu. Der hat gerade ein Werk geschrieben über "Die Kunst des klugen Handelns", mit dem er seinem Publikum einen "Quantensprung an Wohlstand" bescheren will, einzig und allein durch – Zitat - "weniger Dummheit". Dobelli habe, so Wenzel, Gott durch Erfolg ersetzt. Erfolg bringt Geld, so dumm sind wir auch nicht und deshalb nicht erstaunt, dass ein anderer Gott-Geld-Leben-Autor namens Nassim Nicholas Taleb bei Dobelli heftig geklaut haben soll. Was Erfolg und Geld bringt, wenn‘s klappt, aber unbestreitbar eine Dummheit ist, wenn man damit auffällt. Schreibt Justus der Gerechte Wenzel: "Das Ganze könnte – sehr banal – tatsächlich damit zu tun haben, dass Erfolg als Gottesersatz zwar kein Gott, aber doch ein Götze, und naturgemäß ein eifersüchtiger ist." Was den Erfolg als Gottesersatz, den Plagiats-Streit der Sprücheklopfer und die Weisheiten und Dummheiten insgesamt anlangt, hilft Wenzel uns mit einer gängigen Lehre: "Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt", schreibt er.
Vorausgesetzt, da denkt einer.