Von Meeren, Küsten, Häfen und Flüssen
Dass er eine besondere Beziehung zum Wasser besitzt, führt Siegfried Lenz auf den Märzmorgen am masurischen Lycksee zurück, an dem er durchs Eis brach. Der Unfall scheint ihn nicht weiter erschreckt zu haben, vielmehr nahm er ihn als Beweis eines unzerstörbaren Näheverhältnisses, das sein Leben und sein Werk prägte.
Ohne die Beziehung zum Wasser, zu den Küsten und Ufer Norddeutschlands, ist Siegfried Lenz tatsächlich nicht vorstellbar. Nach dem Verlust der Kindheitsheimat 1945 wurde er in Hamburg und an der Elbe heimisch. Damit ist auch seine literarische Landschaft abgesteckt, die von Masuren über Ost- und Nordsee mit ihren Inseln und Wattgebieten flussabwärts bis in den Hamburger Hafen reicht. Auf diesen Umschlagplätzen findet er seine Stoffe.
Eine von dem Lenz-Kenner Hanjo Kesting herausgegebene Anthologie mit dem Titel "Wasserwelten" verspricht nun, Lenz' wichtigste Wassertexte zu versammeln – und kann angesichts ihrer Menge doch nur eine kleine Auswahl liefern. Das Buch ist zunächst nach Handlungsorten gegliedert – Meer und Küste, Fluss und Hafen -, um dann zu den wasseraffinen Handlungen überzugehen: der Seefahrt, dem Tauchen, dem Fischen und Angeln. Aber selbst dem Strandgut entlockt Lenz noch kleine Geschichten: Das angeschwemmte Stück von einem Fischernetz reicht aus, um auf wenigen Seiten eine Liebesszene zu entwerfen.
Wasser, so könnte man glauben, ist immer da. Es erzählt von Ewigkeit und ewiger Wiederkehr. Nicht so bei Lenz, dessen Wassergeschichten eng mit der eigenen Biografie und also mit der deutschen Geschichte verbunden sind. Unter dem harmlosen Titel "Stimmungen der See" erzählt er von einer Flucht aus dem Dritten Reich über die Ostsee, die tragischerweise an derselben Küste endet, von der sie ausging. Über seine Erfahrungen als Marinesoldat im Zweiten Weltkrieg, seine recht naiven Vorstellungen von Abenteuern zur See und seine Desertion vor Kriegsende in Dänemark gibt er in der autobiografischen Schrift "Ich zum Beispiel" Auskunft. Die Nachkriegszeit ist gleich in mehreren Episoden vertreten, die vom Tauchen nach Wracks und von den Aufräumarbeiten im Hamburger Hafen handeln. Nur die Einführung ins Angeln, bei der Lenz auf die Anglerbibel von Izaak Walton zurückgreift, ist gewissermaßen zeitlos: Das Zwiegespräch des Menschen mit den Fischen bleibt sich über die Jahrhunderte gleich.
Dass Lenz ein Autor der 50er- und 60er-Jahre ist, kann er thematisch, aber auch stilistisch nicht verbergen. Es ist die Schule des nüchternen Realismus Hemingways, die ihn prägte und zu seinem klaren Stil ohne jeden Schnörkel führte. Das klingt manchmal ein wenig bieder, ist aber solides Erzählhandwerk, gepaart mit großer Erfindungsgabe und Gestaltungskraft.
Eine der schönsten Geschichten heißt "Das Wrack". Sie handelt von einem Fischer und seinem Sohn, die all ihre Hoffnung auf ein gesunkenes Schiff setzen. Sie verkaufen den Außenbordmotor ihres Bootes, um eine Taucherausrüstung zu erwerben, müssen aber schließlich entdecken, das der Frachter, der dort unten liegt, nur Schlamm und die Knochen toter Pferde birgt. Wie die meisten Geschichten geht auch diese nicht gut aus. Lenz' Figuren kämpfen mit den Elementen und mit sich selbst. Sturm und Meer können ihnen dabei jedoch nicht so viel anhaben wie Betrug, Hass, Neid und Gewalt. Die Gezeiten, von denen Lenz erzählt, sind wechselhaft.
Zur Autor:
Siegfried Lenz wurde 1926 in Lyck, Ostpreußen, geboren und lebt heute in Hamburg. 1951 erschien sein Debütroman "Es waren Habichte in der Luft". Seither hat er 14 Romane und zahlreiche Erzählungen veröffentlicht. Am bekanntesten wurde er mit den großen Romanen "Deutschstunde" von 1968 und "Heimatmuseum" von 1978. Er ist ein deutscher Geschichtsschreiber, der, vergleichbar dem Danziger Grass und Martin Walser vom Bodensee, durch seine masurische und hanseatische Herkunft geprägt ist. Den Vergleich mit seinen Generationsgenossen muss er nicht scheuen: Lenz war immer ein sehr populärer Autor, dessen Bücher sich gut verkauften. Zuletzt gelang ihm mit der Novelle "Schweigeminute" 2008 noch einmal ein Bestseller.
Besprochen von Jörg Magenau
Siegfried Lenz: Wasserwelten
Herausgegeben von Hanjo Kesting
Hoffmann & Campe, Hamburg 2010
352 Seiten, 22 Euro
Eine von dem Lenz-Kenner Hanjo Kesting herausgegebene Anthologie mit dem Titel "Wasserwelten" verspricht nun, Lenz' wichtigste Wassertexte zu versammeln – und kann angesichts ihrer Menge doch nur eine kleine Auswahl liefern. Das Buch ist zunächst nach Handlungsorten gegliedert – Meer und Küste, Fluss und Hafen -, um dann zu den wasseraffinen Handlungen überzugehen: der Seefahrt, dem Tauchen, dem Fischen und Angeln. Aber selbst dem Strandgut entlockt Lenz noch kleine Geschichten: Das angeschwemmte Stück von einem Fischernetz reicht aus, um auf wenigen Seiten eine Liebesszene zu entwerfen.
Wasser, so könnte man glauben, ist immer da. Es erzählt von Ewigkeit und ewiger Wiederkehr. Nicht so bei Lenz, dessen Wassergeschichten eng mit der eigenen Biografie und also mit der deutschen Geschichte verbunden sind. Unter dem harmlosen Titel "Stimmungen der See" erzählt er von einer Flucht aus dem Dritten Reich über die Ostsee, die tragischerweise an derselben Küste endet, von der sie ausging. Über seine Erfahrungen als Marinesoldat im Zweiten Weltkrieg, seine recht naiven Vorstellungen von Abenteuern zur See und seine Desertion vor Kriegsende in Dänemark gibt er in der autobiografischen Schrift "Ich zum Beispiel" Auskunft. Die Nachkriegszeit ist gleich in mehreren Episoden vertreten, die vom Tauchen nach Wracks und von den Aufräumarbeiten im Hamburger Hafen handeln. Nur die Einführung ins Angeln, bei der Lenz auf die Anglerbibel von Izaak Walton zurückgreift, ist gewissermaßen zeitlos: Das Zwiegespräch des Menschen mit den Fischen bleibt sich über die Jahrhunderte gleich.
Dass Lenz ein Autor der 50er- und 60er-Jahre ist, kann er thematisch, aber auch stilistisch nicht verbergen. Es ist die Schule des nüchternen Realismus Hemingways, die ihn prägte und zu seinem klaren Stil ohne jeden Schnörkel führte. Das klingt manchmal ein wenig bieder, ist aber solides Erzählhandwerk, gepaart mit großer Erfindungsgabe und Gestaltungskraft.
Eine der schönsten Geschichten heißt "Das Wrack". Sie handelt von einem Fischer und seinem Sohn, die all ihre Hoffnung auf ein gesunkenes Schiff setzen. Sie verkaufen den Außenbordmotor ihres Bootes, um eine Taucherausrüstung zu erwerben, müssen aber schließlich entdecken, das der Frachter, der dort unten liegt, nur Schlamm und die Knochen toter Pferde birgt. Wie die meisten Geschichten geht auch diese nicht gut aus. Lenz' Figuren kämpfen mit den Elementen und mit sich selbst. Sturm und Meer können ihnen dabei jedoch nicht so viel anhaben wie Betrug, Hass, Neid und Gewalt. Die Gezeiten, von denen Lenz erzählt, sind wechselhaft.
Zur Autor:
Siegfried Lenz wurde 1926 in Lyck, Ostpreußen, geboren und lebt heute in Hamburg. 1951 erschien sein Debütroman "Es waren Habichte in der Luft". Seither hat er 14 Romane und zahlreiche Erzählungen veröffentlicht. Am bekanntesten wurde er mit den großen Romanen "Deutschstunde" von 1968 und "Heimatmuseum" von 1978. Er ist ein deutscher Geschichtsschreiber, der, vergleichbar dem Danziger Grass und Martin Walser vom Bodensee, durch seine masurische und hanseatische Herkunft geprägt ist. Den Vergleich mit seinen Generationsgenossen muss er nicht scheuen: Lenz war immer ein sehr populärer Autor, dessen Bücher sich gut verkauften. Zuletzt gelang ihm mit der Novelle "Schweigeminute" 2008 noch einmal ein Bestseller.
Besprochen von Jörg Magenau
Siegfried Lenz: Wasserwelten
Herausgegeben von Hanjo Kesting
Hoffmann & Campe, Hamburg 2010
352 Seiten, 22 Euro