Von Maximilian Steinbeis
Alle Feuilletons – außer das der "NZZ" - würdigen den Maler Bernhard Heisig mit Nachrufen. Und die "Taz" fordert, die Geschichte der deutschen Umweltbewegung als groß angelegte TV-Serie nachzuerzählen.
Die Frage, ob einer als Künstler oder als historische Figur in Erinnerung bleiben wird, die stellt sich stets, wenn ein berühmter Maler stirbt, besonders aber, wenn es sich um Bernhard Heisig handelt. Kein Feuilleton – mit Ausnahme der wie immer auf eigenen Pfaden wandelnden NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG -, die den Nationalpreisträger der DDR nicht mit einem großen Nachruf würdigt. Nur was sie ihm nachrufen, das fällt sehr unterschiedlich aus: In der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG verdammt Catrin Lorch
"sein Werk, seine Biografie als endlose Klitterung. Es ist ihm zu wünschen, dass nun, wo seine Figur nicht mehr im Weg steht, die Qualität seiner Kunst wieder sichtbar wird: als sture Malerei."
Einen Hauch versöhnlicher schreibt Ingo Arend in der TAZ:
"Selbst wer Heisigs schrundig-pastosen Expressionismus wie das Relikt von einem anderen Stern betrachtet, muss bemerken: Kaum ein anderer deutscher Künstler verarbeitete in seiner Kunst derart obsessiv deutsche Geschichte."
Und in der BERLINER ZEITUNG bescheinigt Sebastian Preuss dem Toten gönnerhaft, er habe "der Historienmalerei neue Aspekte hinzugefügt". Nur in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ist Eduard Beaucamp vom Wert des Werks des Verstorbenen restlos überzeugt:
"Heisig schuf und modellierte Bildkonstellationen durch Ballung von Figuren, durch die Raffung, Staffelung und Verschränkung von Zeitfacetten und Raumsegmenten und die Konfrontation und Vernetzung szenischer Fetzen. In hellsichtigen Durchblicken, Transparenzen und Beschwörungen kulminiert Heisigs Artistik."
Der Stil des FAZ-Autors, und das hat ja bei diesem Gegenstand auch seine Richtigkeit, scheint uns mit schrundig-pastos recht zutreffend beschrieben.
Die DDR ist auch anderweitig ziemlich präsent im deutschen Feuilleton, so etwa in der Tageszeitung DIE WELT, wo Sven Felix Kellerhoff der vor 50 Jahren geäußerten und mittlerweile geflügelten Worte Walter Ulbrichts gedenkt: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Warum Ulbricht das gesagt hat, ist unter Historikern umstritten, und als Beleg für die Verworrenheit der Situation sei hier eine Lesart zitiert:
"Seine Bemerkung könnte darauf gezielt haben, die Flüchtlingszahl weiter hochzutreiben, um so Druck auf Chruschtschow auszuüben, damit die Sowjetunion die Grenzsperrung genehmige. Ein solch machiavellistisches Kalkül wäre dem SED-Chef zuzutrauen."
Ein nichts weniger als machiavellistisches, geradezu rührend peinliches Bild vom SED- und Stasi-Regime zeichnet Renate Meinhof, die in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über die Probleme der Stasi berichtet, das Phänomen Hiphop und Breakdance zu verstehen. "Der Brechtanz!, zitiert die SZ-Autorin aus einer Stasi-Akte, "ist ein Tanz, bei dem kurze ruckartige rhythmische Bewegungen ausgeführt werden. Getanzt wird nach einer Computermusik." Den Breakdancern ist nichts passiert, die Stasi konnte "keine Beeinträchtigung von bestehenden Norm- und Moralauffassungen" feststellen, und aus der "Red Blacks" genannten Gruppe wurde ein "anerkanntes Volkskunstkollektiv". Fast beiläufig erwähnt die Autorin, dass zuvor einer von ihnen als Spitzel angeheuert wurde.
Eine eher westdeutsch geprägte, dafür aber ziemlich originelle Idee, einen Zugang zur Zeitgeschichte zu legen, findet sich zu guter Letzt in der TAZ: Dort hängt Dirk Knipphals dem Gedanken nach, die
"Geschichte der deutschen Umweltbewegung vom Sonnenblumensymbol bis Kretschmann, von der Anti-AKW-Demo bis zur Bioecke im Supermarkt"
als Fernsehserie zu bearbeiten.
"Keine piefige deutsche Vorabendserie natürlich. Sondern so etwas wie diese großartigen US-Serien, ernsthaft und genau wie 'Six Feet Under' oder 'The Wire', [in der] alle Figuren ständig vor sich hinkriseln – man aber jeder einzelnen gerne dabei zusieht."
Der TAZ-Autor steigert sich regelrecht hinein in seine Idee:
"Ganz große Kunst wäre es, eine Westerwelle-Figur als Gegenspieler einzubauen – und auch ihren Linkenhass noch aus sich selbst heraus verständlich zu machen."
Wir sagen: Tolle Idee, unbedingt machen – und stimmen der TAZ noch in ihrem Schlusssatz aus ganzem Herzen zu:
"Hauptsache, Moritz Bleibtreu spielt nicht Boris Palmer."
"sein Werk, seine Biografie als endlose Klitterung. Es ist ihm zu wünschen, dass nun, wo seine Figur nicht mehr im Weg steht, die Qualität seiner Kunst wieder sichtbar wird: als sture Malerei."
Einen Hauch versöhnlicher schreibt Ingo Arend in der TAZ:
"Selbst wer Heisigs schrundig-pastosen Expressionismus wie das Relikt von einem anderen Stern betrachtet, muss bemerken: Kaum ein anderer deutscher Künstler verarbeitete in seiner Kunst derart obsessiv deutsche Geschichte."
Und in der BERLINER ZEITUNG bescheinigt Sebastian Preuss dem Toten gönnerhaft, er habe "der Historienmalerei neue Aspekte hinzugefügt". Nur in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG ist Eduard Beaucamp vom Wert des Werks des Verstorbenen restlos überzeugt:
"Heisig schuf und modellierte Bildkonstellationen durch Ballung von Figuren, durch die Raffung, Staffelung und Verschränkung von Zeitfacetten und Raumsegmenten und die Konfrontation und Vernetzung szenischer Fetzen. In hellsichtigen Durchblicken, Transparenzen und Beschwörungen kulminiert Heisigs Artistik."
Der Stil des FAZ-Autors, und das hat ja bei diesem Gegenstand auch seine Richtigkeit, scheint uns mit schrundig-pastos recht zutreffend beschrieben.
Die DDR ist auch anderweitig ziemlich präsent im deutschen Feuilleton, so etwa in der Tageszeitung DIE WELT, wo Sven Felix Kellerhoff der vor 50 Jahren geäußerten und mittlerweile geflügelten Worte Walter Ulbrichts gedenkt: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten." Warum Ulbricht das gesagt hat, ist unter Historikern umstritten, und als Beleg für die Verworrenheit der Situation sei hier eine Lesart zitiert:
"Seine Bemerkung könnte darauf gezielt haben, die Flüchtlingszahl weiter hochzutreiben, um so Druck auf Chruschtschow auszuüben, damit die Sowjetunion die Grenzsperrung genehmige. Ein solch machiavellistisches Kalkül wäre dem SED-Chef zuzutrauen."
Ein nichts weniger als machiavellistisches, geradezu rührend peinliches Bild vom SED- und Stasi-Regime zeichnet Renate Meinhof, die in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG über die Probleme der Stasi berichtet, das Phänomen Hiphop und Breakdance zu verstehen. "Der Brechtanz!, zitiert die SZ-Autorin aus einer Stasi-Akte, "ist ein Tanz, bei dem kurze ruckartige rhythmische Bewegungen ausgeführt werden. Getanzt wird nach einer Computermusik." Den Breakdancern ist nichts passiert, die Stasi konnte "keine Beeinträchtigung von bestehenden Norm- und Moralauffassungen" feststellen, und aus der "Red Blacks" genannten Gruppe wurde ein "anerkanntes Volkskunstkollektiv". Fast beiläufig erwähnt die Autorin, dass zuvor einer von ihnen als Spitzel angeheuert wurde.
Eine eher westdeutsch geprägte, dafür aber ziemlich originelle Idee, einen Zugang zur Zeitgeschichte zu legen, findet sich zu guter Letzt in der TAZ: Dort hängt Dirk Knipphals dem Gedanken nach, die
"Geschichte der deutschen Umweltbewegung vom Sonnenblumensymbol bis Kretschmann, von der Anti-AKW-Demo bis zur Bioecke im Supermarkt"
als Fernsehserie zu bearbeiten.
"Keine piefige deutsche Vorabendserie natürlich. Sondern so etwas wie diese großartigen US-Serien, ernsthaft und genau wie 'Six Feet Under' oder 'The Wire', [in der] alle Figuren ständig vor sich hinkriseln – man aber jeder einzelnen gerne dabei zusieht."
Der TAZ-Autor steigert sich regelrecht hinein in seine Idee:
"Ganz große Kunst wäre es, eine Westerwelle-Figur als Gegenspieler einzubauen – und auch ihren Linkenhass noch aus sich selbst heraus verständlich zu machen."
Wir sagen: Tolle Idee, unbedingt machen – und stimmen der TAZ noch in ihrem Schlusssatz aus ganzem Herzen zu:
"Hauptsache, Moritz Bleibtreu spielt nicht Boris Palmer."