Von Maximilian Steinbeis

Die "Süddeutsche" präsentiert zum Beginn der Frankfurter Buchmesse den Fall eines gescheiterten selbsternannten Literaten. Weitere Themen in den Feuilletons: die drei Siegerentwürfe für das Einheitsdenkmal und der Film "The Social Network".
Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hat es immer gerne lustig. Doch ausgerechnet am Tag, da in Frankfurt der Deutsche Buchpreis vergeben wird, eine solche Geschichte ins Blatt zu heben, dazu gehört schon ein eher düsterer Sinn für Humor. Um eine "Anleitung zum Verrücktwerden" handelt es sich laut Untertitel. Ihr Verfasser ist ein Lehrer aus Wuppertal namens Arne Ulbricht, der in 13 Jahren nicht weniger als acht Romane und zwei Erzählbände verfasst hat, ohne jemals auch nur eine Zeile verlegt zu bekommen. Vom "klassischen Erstling" erfährt man, 400 Seiten stark "ohne Zeilenabstand" und "massiv autobiographisch geprägt", von dem sich "ein Herr Tebbert vom Tebbert-Verlag" beeindruckt zeigt.

"Erst einmal kassierte er 6999 DM. Ich müsse nichts ändern am Text, hieß es. Und ich dachte: Der Verleger hat ein Gespür für die wirklich große Literatur."

Man erfährt von seinen Briefwechseln mit Lektoren und Agenten, von der permanenten Zurückweisung und dem gelegentlichen bedeutungslosen Lob, das doch jedes Mal wieder neue vergebliche Hoffnung stiftet. Was man über die acht Romane erfährt, die von amoklaufenden Lehrern und zeitreisenden Studenten handeln, klingt tatsächlich ziemlich schauderhaft, aber was heißt das schon: "Für mich ist schreiben keine Qual", schreibt Arne Ulbricht.

"Das Gegenteil ist der Fall. Ich könnte mir nichts Spannenderes vorstellen."

Eine ganze Seite hat die SZ der schmucklos und selbstironisch erzählten Lebensbeichte eines Schriftstellers kraft Selbstdefinition freigeräumt und damit die geheimen Frankfurter-Buchmessen-Sehnsuchtsbedürfnisse ihrer Leser vermutlich genauer getroffen als mit der klügsten Literaturrezension der Welt.

Entschieden den Charakter einer Pflichtübung hat dagegen die Art und Weise, wie die Feuilletons am Tag 2 nach dem Einheitsjubiläum den vorläufigen Ausgang des Wettbewerbs für das Einheitsdenkmal auf dem Berliner Schlossplatz behandeln. "Drei Sieger, keine Entscheidung", grummelt Harry Nutt in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, und Andreas Kilb in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG stimmt im gleichen Tonfall ein:

"Der Berg hat gekreißt und drei Mäuse geboren"."

Von den drei Mäusen findet Kilb nur eine akzeptabel, Andreas Mecks Entwurf nämlich, und auch den bezeichnet er weihelos als "deutsches Flachdach". Genauso macht es FR-Autor Nutt mit seinem Lieblingsentwurf, der begehbaren Schaukelschale des Büros Milla und Partner und der Choreographin Sasha Waltz, die sich in Nutts Augen der Sünde schuldig machen, "das Pathos der friedlichen Revolution in eine egalitäre Sonntagslaune" zu überführen. In der TAGESZEITUNG wiederum ist Ingo Arend vor allem darüber erleichtert, dass aus dem geplanten Nationaldenkmal "kein deutsches Wuchtsymbol" mehr wird.

Wer feuilletonistische Begeisterung sucht, der findet sie im Aufmacher der WELT über den Film "The Social Network". Einen "Jahrzehntfilm" der Nullerjahre nennt Hanns-Georg Rodek das grimmige Biopic über Mark Zuckerberg, den 26-jährigen Milliardär und Gründer des Internetnetzwerks Facebook. "Er erzählt von einer Zeitenwende, der Ablösung einer alten Elite durch eine neue", und stehe als Portrait eines Medienmoguls in einer Reihe mit Orson Welles' "Citizen Kane". Den Bezug zum vergangenen Jahrzehnt stellt auch Astrid Herbold im TAGESSPIEGEL her, wenn auch mit anderer, mit feministischer Stoßrichtung:

""Wenn die Nullerjahre eines waren, dann das: Die Jahre der Jungs."

Der Rezensent der TAGESZEITUNG Thomas Groh freut sich dagegen vor allem an der Entlarvung des "sozialen Solipsismus" des Freunde-Vernetzers, der "im Umgang mit der Umwelt grenzwertig empathielos" gezeigt werde. Das lässt auch den WELT-Rezensenten nicht unbeeindruckt:

"Es hat wohl noch nie einen Kinofilm über eine lebende Person gegeben, an deren Ende der 'Held' dermaßen als Arschloch dasteht wie diesen."

Apropos Umgang mit Menschen: Zum Abschluss und als Gegengift gewissermaßen ein Fund aus der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG. Sie zitiert den Freiherrn von Knigge in einer Besprechung dessen neuer Gesamtausgabe mit folgendem denkwürdigen Satz:

"Um angenehm zu leben, muss man fast immer ein Fremder unter den Leuten bleiben."