Von Maximilian Steinbeis
Die "Welt" verreißt den neuen Film "Total Recall", die "taz" riecht Soldatenschweiß in Salzburg und die Zeit malt den Teufel in Form des Internethändlers Amazon an die Wand.
Was für ein deprimierender Feuilleton-Tag. In Salzburg riecht es nach "Soldatenschweiß". Im Kino läuft ein Film an, der gleich zwei Rezensenten dazu inspiriert, Richard David Precht zu zitieren. In der ZEIT wird über drei nicht enden wollende Seiten der leibhaftige Teufel an die Wand gemalt. Und die NZZ empfängt ihre Leser mit der Aufmacherüberschrift: "Erfolge gibt es keine." Doch der Reihe nach.
Fangen wir, um das gleich hinter uns zu bringen, mit dem Film an: "Total Recall" heißt er, handelt von Gedächtnismanipulation und vertauschten Identitäten und ist ein Remake des gleichnamigen Paul-Verhoeven-Streifens von 1990. "Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?" kommen da sowohl der WELT-Kritiker Holger Kreitling als auch der Rezensent der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Simon Spiegel ins Rätseln, und während der NZZ-Autor sich noch müht, den Film seiner "furios choreographierten Kampfszenen" wegen "gelungen" zu finden, spricht der WELT-Kritiker klare Worte und nennt den Film "hirnlos, überflüssig, Mist".
Das würde über Bernd-Alois Zimmermanns Oper "Die Soldaten" sicher niemand behaupten, aber für heitere Sommerabende eignen sich das Stück und die neue Salzburger Inszenierung - glaubt man TAZ und ZEIT - auch nicht recht.
"Den Angstschweiß riechen", überschreibt TAZ-Kritikerin Regine Müller ihren Text, und in der ZEIT hatte Christine Lemke-Matwey den gleichen olfaktorischen Einfall: "Der Soldatenschweiß ist förmlich von der Bühne herunter zu riechen."
Während die TAZ-Autorin die "Ausnüchterung" lobt, die Regisseur Alvis Hermanis dem Stück angedeihen habe lassen, zum Wohl von Zimmermanns Oper, deren "heute etwas plakativ wirkender Antimilitarismus" dadurch das "allzu Missionarische" einbüße, hat der Abend die ZEIT-Kritikerin "kühl, irritiert, ratlos" zurückgelassen.
Den größten Teil ihres Feuilletons füllt die ZEIT jedoch mit einem anderen Thema: Im vierten Teil ihrer "Serie über Netzgiganten" ist nach Google, Apple und Facebook diesmal Amazon an der Reihe, den kulturpessimistischen Sorgenquell der ZEIT-Leserschaft zu speisen. Mit E-Books und Self-Publishing wolle der Internet-Buchhändler den Verlagen ans Geschäftsmodell.
"Wenn das gelingt," so gruseln sich lustvoll die Autoren Maximilian Probst und Kilian Trotier, "dann wäre das nicht zuletzt für die Liebhaber von Literatur ein Albtraum. Die Buchkultur, wie wir sie seit Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse kennen, wäre zerstört." 70 Prozent vom Buchpreis böte Amazon den Autoren und macht laut ZEIT "das, was der Teufel eben tut: Er schließt einen Pakt, dem sich das Gegenüber nicht entziehen kann."
Was genau so teuflisch daran ist, wäre vielleicht deutlicher erkennbar, hätten die ZEIT-Autoren in der Verlags- und Buchhandelswelt jemanden gefunden, der ihre alarmistische Sicht bestätigt. Stattdessen, so berichten sie, habe Jörg Bong, Programmgeschäftsführer bei S. Fischer, ihnen dies zu bedenken gegeben: "Das Gefühl, es gehe mit der Buchkultur bergab, habe es schon immer gegeben. Entwarnung," beeilen sich die ZEIT-Autoren hinzuzufügen, "aber gibt auch Bong nicht. Er weiß, dass Autoren vor allem dann zu Amazon gehen, wenn ihnen das massive Vorteile bietet. Und die dürfe es einfach nicht geben."
Warum der Erfolg der Amazon-Selfpublisher vielleicht gar nicht so viel mit Literatur zu tun hat, wie die ZEIT und ihre händeringenden Leser glauben, lehrt indessen ein Blick in die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Erfolge gibt es keine – wer das versteht, der kann auch schreiben."
So beginnt der schwärzeste unter den vielen schwarzen Texten dieses Tages, und zugleich der hoffnungsvollste, schönste. Der Schriftsteller Kurt Drawert hat ihn geschrieben. Jeder Erfolg im Förder- und Rezensionsbetrieb unterwerfe die Literatur nur ihrem jeweiligen "Funktionsinteresse". Dabei gehe es
"um Literatur, nichts weiter. Um Bücher, die vielleicht schon bald keiner mehr haben will. Dabei ist Literatur die materiell unaufwändigste und ideell großzügigste Dienstleistung des Geistes, die wir kennen. Sie zu pflegen, sollte in humanisierten Kulturgesellschaften ein Bedürfnis sein (…). Nicht weil sie direkt und funktional zu verwenden wäre, sondern weil sie Lichtkegel in die Finsternisse unserer Welt wirft."
Fangen wir, um das gleich hinter uns zu bringen, mit dem Film an: "Total Recall" heißt er, handelt von Gedächtnismanipulation und vertauschten Identitäten und ist ein Remake des gleichnamigen Paul-Verhoeven-Streifens von 1990. "Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?" kommen da sowohl der WELT-Kritiker Holger Kreitling als auch der Rezensent der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG Simon Spiegel ins Rätseln, und während der NZZ-Autor sich noch müht, den Film seiner "furios choreographierten Kampfszenen" wegen "gelungen" zu finden, spricht der WELT-Kritiker klare Worte und nennt den Film "hirnlos, überflüssig, Mist".
Das würde über Bernd-Alois Zimmermanns Oper "Die Soldaten" sicher niemand behaupten, aber für heitere Sommerabende eignen sich das Stück und die neue Salzburger Inszenierung - glaubt man TAZ und ZEIT - auch nicht recht.
"Den Angstschweiß riechen", überschreibt TAZ-Kritikerin Regine Müller ihren Text, und in der ZEIT hatte Christine Lemke-Matwey den gleichen olfaktorischen Einfall: "Der Soldatenschweiß ist förmlich von der Bühne herunter zu riechen."
Während die TAZ-Autorin die "Ausnüchterung" lobt, die Regisseur Alvis Hermanis dem Stück angedeihen habe lassen, zum Wohl von Zimmermanns Oper, deren "heute etwas plakativ wirkender Antimilitarismus" dadurch das "allzu Missionarische" einbüße, hat der Abend die ZEIT-Kritikerin "kühl, irritiert, ratlos" zurückgelassen.
Den größten Teil ihres Feuilletons füllt die ZEIT jedoch mit einem anderen Thema: Im vierten Teil ihrer "Serie über Netzgiganten" ist nach Google, Apple und Facebook diesmal Amazon an der Reihe, den kulturpessimistischen Sorgenquell der ZEIT-Leserschaft zu speisen. Mit E-Books und Self-Publishing wolle der Internet-Buchhändler den Verlagen ans Geschäftsmodell.
"Wenn das gelingt," so gruseln sich lustvoll die Autoren Maximilian Probst und Kilian Trotier, "dann wäre das nicht zuletzt für die Liebhaber von Literatur ein Albtraum. Die Buchkultur, wie wir sie seit Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse kennen, wäre zerstört." 70 Prozent vom Buchpreis böte Amazon den Autoren und macht laut ZEIT "das, was der Teufel eben tut: Er schließt einen Pakt, dem sich das Gegenüber nicht entziehen kann."
Was genau so teuflisch daran ist, wäre vielleicht deutlicher erkennbar, hätten die ZEIT-Autoren in der Verlags- und Buchhandelswelt jemanden gefunden, der ihre alarmistische Sicht bestätigt. Stattdessen, so berichten sie, habe Jörg Bong, Programmgeschäftsführer bei S. Fischer, ihnen dies zu bedenken gegeben: "Das Gefühl, es gehe mit der Buchkultur bergab, habe es schon immer gegeben. Entwarnung," beeilen sich die ZEIT-Autoren hinzuzufügen, "aber gibt auch Bong nicht. Er weiß, dass Autoren vor allem dann zu Amazon gehen, wenn ihnen das massive Vorteile bietet. Und die dürfe es einfach nicht geben."
Warum der Erfolg der Amazon-Selfpublisher vielleicht gar nicht so viel mit Literatur zu tun hat, wie die ZEIT und ihre händeringenden Leser glauben, lehrt indessen ein Blick in die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. "Erfolge gibt es keine – wer das versteht, der kann auch schreiben."
So beginnt der schwärzeste unter den vielen schwarzen Texten dieses Tages, und zugleich der hoffnungsvollste, schönste. Der Schriftsteller Kurt Drawert hat ihn geschrieben. Jeder Erfolg im Förder- und Rezensionsbetrieb unterwerfe die Literatur nur ihrem jeweiligen "Funktionsinteresse". Dabei gehe es
"um Literatur, nichts weiter. Um Bücher, die vielleicht schon bald keiner mehr haben will. Dabei ist Literatur die materiell unaufwändigste und ideell großzügigste Dienstleistung des Geistes, die wir kennen. Sie zu pflegen, sollte in humanisierten Kulturgesellschaften ein Bedürfnis sein (…). Nicht weil sie direkt und funktional zu verwenden wäre, sondern weil sie Lichtkegel in die Finsternisse unserer Welt wirft."