Von Maximilian Steinbeis

Die Frau, oder besser das Bild der Frau, bestimmt die Feuilletons. Die "NZZ" nimmt sich dem Betreuungsgeld aus Schweizer Sicht an, die "SZ" verurteilt Hillary Clintons Ex-Stabschefin und die "FAZ" das Buch "Shades of Grey".
"Liebe wäre schön, ist aber zu viel verlangt."

Mit dieser Überschrift bewirbt sich die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG um den Karl-Valentin-Gedächtnispreis für Understatement im Feuilleton. Der solchermaßen übertitelte Artikel handelt von einer deutschen Politikdebatte, die aus schweizer Perspektive kaum weniger sonderbar wirkt wie, nun ja, aus deutscher Perspektive - die um das Betreuungsgeld nämlich. Wobei NZZ-Autor Joachim Güntners Fantasie sich vor allem an dem Wörtchen Betreuung entzündet: Dieses Wörtchen sei schuld an dem

"Eindruck, es handle sich um etwas Obskures. Will man wirklich das Eltern-Kind-Verhältnis als schnödes Betreuungsverhältnis fassen?"

Helmut Schelsky, Götz Aly und Dolf Sternberg werden als Zeugen angerufen für die Konnotation von Entmündigung, ja Terror, die dem Wort Betreuung anhaftet. Güntner beantragt eine Umbenennung in "Elternliebe-Ermöglichungs-Geld", um dann aber resignativ zu enden:

"Betreuung muss ausreichen, wo Liebe nicht möglich ist. Aufopferungsvoll geleistet, hat sie auch ein Betreuungsgeld verdient."#

Wer, semantisch sensibel, bei dem Wörtchen "aufopferungsvoll" zusammenzuckt, sollte lieber die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aufschlagen. Dort zieht Tanja Rest gegen die Politologin Anne-Marie Slaughter zu Felde, die ihren Spitzenjob als Hillary Clintons Planungsstabchefin hinwarf, um mehr Zeit für ihre Kinder zu haben, und darüber einen Artikel mit dem Titel "Why Women Still Can't Have It All" schrieb.

"Einlassungen zum Komplex Kind-und-Karriere führen frustrierend oft dazu, dass sich Frauen gegenseitig an die Gurgel gehen und das Thema in der Weiberecke stehen bleibt,"

schreibt die SZ-Autorin, und führt sogleich den Beweis für diese These. Erstens sage Slaughter: "Wenn ich es nicht geschafft habe, dann ist es nicht zu schaffen. Das ist pure Arroganz". Zweitens habe schließlich nicht jede Mutter einen "Top Job im State Department." Es sei

"absolut denkbar, dass eine einfache Angestellte mit Halbtagsjob das Gefühl hat, ihrem Kind nicht gerecht zu werden. Es ist ebenso denkbar, dass eine Führungsfrau, die ihr Kind nur am Wochenende sieht, mit diesem Arrangement zurechtkommt."

Und drittens sei "das Work-Life-Thema kein Frauenthema", die "rein weibliche Perspektive" Slaughters "nicht nur falsch, sie ist fatal."

Sorge um die selbstbestimmte Frau treibt auch die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG um, in welcher Julia Encke die soeben auf Deutsch erschienene Erotikromantrilogie "Shades of Grey" und ihren atemberaubenden Erfolg in den USA analysiert. "Eine Art 'Vanilla-Latte-Sadomasochismus'" werde dort geboten,

"bei dem alles, was auf den ersten Blick nach Spanischer Inquisition aussieht, sofort liebevoll durch den Weichzeichner gejagt wird."

Wobei der besondere Zorn der Autorin dem Medien-Begleitecho gilt, das den Erfolg des Buches darin begründet sieht, dass "selbstbewusste Frauen ( ... ) heute wieder erniedrigt werden wollen" und "lustvolle Unterwerfungsbekenntnisse" abgäben. Von wegen, stellt die FAZ-Autorin nach der Lektüre fest: "Das angebliche Sexdrama erfüllt alle Erwartungen des Keuschheitskults," schreibt sie. "Dieses angebliche Frauenbuch" sei in Wahrheit "ein Softporno mit reaktionärem Weltbild, der die Ausschweifung benutzt, um dieses Weltbild zu stabilisieren." Statt dieses Buch zu lesen, solle man lieber fragen:

"Warum reden ( ... ) alle von emanzipierten Frauen, die nach sexueller Unterwerfung rufen? Warum nehmen große Medien den Erfolg eines erotischen Märchens mit sadomasochistischen Handlungselementen zum Anlass, solche Parolen auszugeben?"

Zuletzt noch ein Fund aus der TAZ, die mit einer kleinen Kolumne unter der Überschrift "Zoff wegen der Frauen" unsere thematisch vorfokussierte Neugier weckt. Worum geht es? "Saudi-Arabien," schreibt Jannis Hagmann, "wollte erstmals auch Sportlerinnen zu den Olympischen Spielen nach London schicken." Doch was geschah?

"Die einzige große Hoffnung, die Reiterin Dalma Malhas, hat die Olympia-Qualifikation verfehlt. Ob sich andere qualifizieren, ist noch fraglich. Heißt: Saudi-Arabien wird nicht ausgeschlossen und das IOC rühmt sich mit Menschenrechten. Ob aber tatsächlich saudische Sportlerinnen nach London reisen werden, steht noch in den Sternen."