Von Maximilian Steinbeis

Das Feuilleton würdigt den Schriftsteller Ray Bradbury, der am 5. Juni im Alter von 91 Jahren in Los Angeles verstorbenen ist. Außerdem nähern sich die Feuilletons vor dem Anpfiff der Fußball-EM voll Neugier dem Kulturland Ukraine.
Wer war Ray Bradbury? Ein "kosmischer Heimatdichter", schreibt die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG.

"Der letzte große Zukunftsautor des nun endgültig zur Vergangenheit gewordenen 20. Jahrhunderts,"

schreibt die FRANKFURTER RUNDSCHAU.

"Ein umbarmherziger, aber nie zynischer Chronist einer antiintellektuellen Zukunft, die längst begonnen hat,"

schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.

91 Jahre ist Ray Bradbury alt geworden, während derer er Fantasyklassiker wie "Fahrenheit 451" und die "Mars-Chroniken" nebst 600 Short Stories, dem Drehbuch zu "Moby Dick", Comics, Gedichte und weiß der Himmel nicht alles verfasste, und am Dienstag ist er in Los Angeles gestorben.

Die TAZ entledigt sich der Pflicht, Ray Bradbury ein passendes Etikett anzuheften, im Negativverfahren. Wer war Ray Bradbury nicht, oder jedenfalls nicht nur? "Lange wehrte er sich dagegen", schreibt TAZ-Autor Matthias Penzel,

"irgendwann hat er aufgegeben, doch das Label blieb: Science-Fiction-Schriftsteller."

Nächste Frage: Was haben das Lufthansa-Logo, George Gershwins "Summertime" und die Wiener Kaffeehauskultur gemeinsam? Die Antwort erfährt man in der NEUEN ZÜRCHER ZEITUNG und hat mit dem bevorstehenden Anpfiff zur Fußball-Europameisterschaft in Polen und in der Ukraine zu tun. Letztere, die politisch arg in Misskredit geratene Ukraine, genießt wohl aus diesem Grunde an diesem Feuilletontag ein seltenes Maß an Aufmerksamkeit, und in der NZZ erklärt die Schriftstellerin Oksana Sabuschko, warum das schon längst mal fällig war: Ein "'ukrainischer Blütenflaum'" hafte der "europäischen Kulturatmosphäre" an,

"nur dass er nie mit der Ukraine in Verbindung gebracht wird."

Der Lufthansa-Kranich? Von einem Ukrainer designt. Summertime? ein ukrainisches Wiegenlied. Kaffee? Ein Ukrainer war es, der

"nach der Türkenschlacht 1683 ( ... ), vielleicht als Einziger in Wien damals wusste, dass die Säcke mit den schwarzen Körnern, die man im türkischen Lager gefunden hatte, keinesfalls Kamelfutter seien."

Und heute? "Ich liebe mein Land" ( ... ), schreibt Oksana Sabuschko,

"und werde nicht müde, mich über seine ungebrochene Vitalität zu wundern. ( ... ) Woher sind diese wunderbaren jungen Dichter gekommen, die Säle mit mehr als 500 Menschen füllen ( ... ), und überhaupt all das glühende, lebendige, selbstbewusste Leben, das zunehmend außerhalb der Fernsehkameras pulsiert und unbeeindruckt die totale Dysfunktionalität des ukrainischen Staates mit all seinen Simulacra ignoriert?"

Damit rennt die ukrainische Schriftstellerin insofern offene Türen ein, als sich die Feuilletons des Tages auch so voll Neugier dem Kulturland Ukraine nähern: Der Band "'Totalnyi Futbol'", eine Essaysammlung polnischer und ukrainischer Autoren, begeistert die Rezensenten.

"Im Normalfall", schreibt in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG Christoph Schröder, gebe es

"nichts Langweiligeres als Intellektuelle, die über Fußball schreiben, in diesem Fall allerdings verhält es sich anders."

In der FRANKFURTER RUNDSCHAU porträtiert Ulrich Krökel den Herausgeber, den ukrainischen Dichter Serhij Zhadan als "natürlichen Sympathieträger" und "'Arthur Rimbaud der Ukraine'".

Und in der WELT schwärmt Jan Küveler:

"Wenn die EM nur halb so toll wird wie dieses Buch, werden wir uns noch lange an sie erinnern."

Wobei, was die Begeisterung für die Ukraine betrifft, skeptisch stimmen könnte, dass mit SZ-Kritiker Schröder und Marc Reichwein in der WELT gleich zwei Autoren rätseln, wie sie den Namen der Stadt, in der das Eröffnungsspiel stattfindet, schreiben sollen: Lwiw mit W? Lviv mit V? Lwow, wie zu Sowjetzeiten? Lemberg, wie früher bei den Habsburgern? Wie auch immer, wir schließen mit einer Beobachtung, die WELT-Kolumnist Reichwein aus der galizischen Metropole mitgebracht hat, vom Swobody-Prospekt, wo jetzt die UEFA-Fanmeile prangt,

"an einem ganz normalen Sonntagnachmittag ( ... ). Auf dem Platz vor der Oper fahren Ukrainer ihre Kinder aus. Aber wie! Setzen sie in Bobby-Cars. Die Kleinen glauben, sie steuern. Aber in Wahrheit halten die Eltern eine Fernsteuerung in der Hand. Was für ein Sinnbild für ein junges Land, das gerne selbstbestimmter Gas geben würde, aber in seinem Kurs von alten Mächten gelenkt wird."