Von Maximilian Steinbeis
Die "Süddeutsche" findet den neuen Berliner Flughafen großartig. Die "NZZ" stellt fest, dass wir heute von der attischen Demokratie im alten Athen wenig lernen können. Und die "FAZ" findet, dass 107 Millionen Dollar für ein Kunstwerk keine Sensation sind.
Die halbe Seite ist Bild, und das halbe Bild ist Himmel. Darunter gigantisch hingestreckte Bauten, symmetrisch arrangiert, die Fluchtlinien der Zentralperspektive reißen den Blick ins Unendliche, und die Menschen sind so klein, man sieht sie kaum. So technikfroh und zukunftsverliebt präsentiert sich das Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, dass man sich in die 50er Jahre versetzt wähnt. Unter der Überschrift
"Wege, die zum Ziel führen"
ist der neue Flughafen Berlin-Brandenburg Anlass und Gegenstand des SZ-Aufmachers, und den kurz vor der Vollendung stehenden Bau der Architekten von Gerkan, Marg und Partner – das Bild zeigt eine Computersimulation - findet Autor Gottfried Knapp einschränkungslos großartig. Eine
"räumlich besonders klare Lösung","
schwärmt der SZ-Autor,
""ohne den Architekturschrott, der so viele Weltflughäfen umgibt","
und den
""schönsten Eindruck von der Weite dieser Halle"
habe man vom obersten Stockwerk aus:
"Blickt man dort in Achsrichtung weiter, hat man unverbaute märkische Landschaft vor sich; exakt in Längsrichtung der Terrasse aber ist der Berliner Fernsehturm über dem Horizont zu erkennen."
Doch die Menschen, ach, die sind nicht so. Statt um Achsrichtungen kümmern sie sich um ganz andere Dinge und neigen dazu, den Architekten und Städteplanern ihre klaren Lösungen zu verunklaren.
Für die WELT hat Dankwart Guratzsch eine Tagung in Düsseldorf zum Thema "Planungskultur in der Bürgergesellschaft" besucht.
"Der Wille der Bürger zur Beteiligung an Gestaltungsfragen","
so schreibt er,
""nimmt zu","
und ebenso die Zahl der Beispiele gelungener Einbindung der Bürger in Wettbewerbsverfahren.
""Macht man da nicht die Bürger zur Geschmackspolizei?"
zitiert der Welt-Autor eine erschrockene Tagungsteilnehmerin, und als Antwort zitiert er den Städtebauprofessor Dieter Prinz, der das Beispiel Gummersbach anführt, wo es ein brachgefallenes Fabrikgelände zu urbanisieren galt.
"Alle 29 in die engere Wahl genommenen Arbeiten seien von den Bürgern qualifiziert bewertet worden. Prinz’ Folgerung: 'Nach dieser Erfahrung rate ich dringend, die Kompetenz der vermeintlichen ,Laien’ nicht zu unterschätzen.'"
Wer die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aufschlägt, könnte auf den ersten Blick meinen, Nahrung für solch basisdemokratische Hoffnungen zu finden. Der Althistoriker Christian Meier schreibt dort über Volksherrschaft und die attische Demokratie im antiken Athen. Dort wurden
"alle wichtigen Entscheidungen in der Volksversammlung getroffen","
und vorbereitet wurden sie im Rat der 500, dem
""auf eine Generation gerechnet (…) mindestens 7500 von 40.000 Bürgern (…) an(gehörten), etwa jeder achte, wenn nicht jeder siebte oder sechste."
Was kann man daraus für heutige Demokratien lernen? Nichts, sagt der Historiker kühl,
"außer dass die Übertragung des Begriffs 'Demokratie' in die Moderne höchst problematisch und irreführend ist."
Er führe dazu,
"Erwartungen zu wecken, die nicht zu erfüllen sind, also Enttäuschung, vielleicht sogar Bitterkeit oder Hohn."
Zu einem immerhin tauge der Begriff:
"Er kann, positiv besetzt, wie er inzwischen für nahezu alle ist, immer wieder als Legitimation und Antrieb für viele Initiativen dienen, um wenigstens hier und da Partikel einer Volksherrschaft zur Geltung zu bringen."
Mit dem Volk und seiner Herrschaft aber schon dermaßen was von überhaupt nichts zu tun hat zum Abschluss die Nachricht von der Versteigerung des Edvard-Munch-Bilds "Der Schrei", das bei Sotheby’s für 107 Millionen Dollar wegging – angeblich an einen Scheich.
"Es hatte schon etwas leicht Surreales, wie (…) die Millionen locker abgezählt wurden, als handele es sich um Smarties,"
wundert sich in der WELT Tim Ackermann, und auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU warnt, dass
""in Zeiten von Occupy (…) die Auswüchse zunehmend auf Unverständnis"
stoßen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG indessen mokiert sich über ganz etwas anderes:
"Bestimmt nicht business as usual, aber die ultimative Sensation sind die 107 Millionen Dollar dann doch nicht,"
rümpft Rose-Maria Gropp ihre Kunstmarktkennerinnennase.
"Dass hinter verschlossenen Türen längst wesentlich höhere Preise bezahlt werden, ist sicher. (…) Zuletzt soll der Scheich von Qatar mehr als 250 Millionen Dollar für eine der fünf Versionen von Cézannes 'Kartenspielern' ausgegeben haben."
"Wege, die zum Ziel führen"
ist der neue Flughafen Berlin-Brandenburg Anlass und Gegenstand des SZ-Aufmachers, und den kurz vor der Vollendung stehenden Bau der Architekten von Gerkan, Marg und Partner – das Bild zeigt eine Computersimulation - findet Autor Gottfried Knapp einschränkungslos großartig. Eine
"räumlich besonders klare Lösung","
schwärmt der SZ-Autor,
""ohne den Architekturschrott, der so viele Weltflughäfen umgibt","
und den
""schönsten Eindruck von der Weite dieser Halle"
habe man vom obersten Stockwerk aus:
"Blickt man dort in Achsrichtung weiter, hat man unverbaute märkische Landschaft vor sich; exakt in Längsrichtung der Terrasse aber ist der Berliner Fernsehturm über dem Horizont zu erkennen."
Doch die Menschen, ach, die sind nicht so. Statt um Achsrichtungen kümmern sie sich um ganz andere Dinge und neigen dazu, den Architekten und Städteplanern ihre klaren Lösungen zu verunklaren.
Für die WELT hat Dankwart Guratzsch eine Tagung in Düsseldorf zum Thema "Planungskultur in der Bürgergesellschaft" besucht.
"Der Wille der Bürger zur Beteiligung an Gestaltungsfragen","
so schreibt er,
""nimmt zu","
und ebenso die Zahl der Beispiele gelungener Einbindung der Bürger in Wettbewerbsverfahren.
""Macht man da nicht die Bürger zur Geschmackspolizei?"
zitiert der Welt-Autor eine erschrockene Tagungsteilnehmerin, und als Antwort zitiert er den Städtebauprofessor Dieter Prinz, der das Beispiel Gummersbach anführt, wo es ein brachgefallenes Fabrikgelände zu urbanisieren galt.
"Alle 29 in die engere Wahl genommenen Arbeiten seien von den Bürgern qualifiziert bewertet worden. Prinz’ Folgerung: 'Nach dieser Erfahrung rate ich dringend, die Kompetenz der vermeintlichen ,Laien’ nicht zu unterschätzen.'"
Wer die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aufschlägt, könnte auf den ersten Blick meinen, Nahrung für solch basisdemokratische Hoffnungen zu finden. Der Althistoriker Christian Meier schreibt dort über Volksherrschaft und die attische Demokratie im antiken Athen. Dort wurden
"alle wichtigen Entscheidungen in der Volksversammlung getroffen","
und vorbereitet wurden sie im Rat der 500, dem
""auf eine Generation gerechnet (…) mindestens 7500 von 40.000 Bürgern (…) an(gehörten), etwa jeder achte, wenn nicht jeder siebte oder sechste."
Was kann man daraus für heutige Demokratien lernen? Nichts, sagt der Historiker kühl,
"außer dass die Übertragung des Begriffs 'Demokratie' in die Moderne höchst problematisch und irreführend ist."
Er führe dazu,
"Erwartungen zu wecken, die nicht zu erfüllen sind, also Enttäuschung, vielleicht sogar Bitterkeit oder Hohn."
Zu einem immerhin tauge der Begriff:
"Er kann, positiv besetzt, wie er inzwischen für nahezu alle ist, immer wieder als Legitimation und Antrieb für viele Initiativen dienen, um wenigstens hier und da Partikel einer Volksherrschaft zur Geltung zu bringen."
Mit dem Volk und seiner Herrschaft aber schon dermaßen was von überhaupt nichts zu tun hat zum Abschluss die Nachricht von der Versteigerung des Edvard-Munch-Bilds "Der Schrei", das bei Sotheby’s für 107 Millionen Dollar wegging – angeblich an einen Scheich.
"Es hatte schon etwas leicht Surreales, wie (…) die Millionen locker abgezählt wurden, als handele es sich um Smarties,"
wundert sich in der WELT Tim Ackermann, und auch die FRANKFURTER RUNDSCHAU warnt, dass
""in Zeiten von Occupy (…) die Auswüchse zunehmend auf Unverständnis"
stoßen. Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG indessen mokiert sich über ganz etwas anderes:
"Bestimmt nicht business as usual, aber die ultimative Sensation sind die 107 Millionen Dollar dann doch nicht,"
rümpft Rose-Maria Gropp ihre Kunstmarktkennerinnennase.
"Dass hinter verschlossenen Türen längst wesentlich höhere Preise bezahlt werden, ist sicher. (…) Zuletzt soll der Scheich von Qatar mehr als 250 Millionen Dollar für eine der fünf Versionen von Cézannes 'Kartenspielern' ausgegeben haben."