Von Maximilian Steinbeis

Die Deneuve wird 70 und erhält als Feuilleton-Texte getarnte Liebesbriefe. Weniger schön ist der Hotzenplotz - in Böhmen gibt es ein ehemals gleichnamiges Städtchen, das die "Süddeutsche" mit einer sentimalischen Reise beschreibt.
"In Catherine Deneuves Gesicht regt sich praktisch gar nichts. Sie schaut ihr Gegenüber nur ruhig an. Dann lässt sie die Augen, fast echsenhaft, einmal ganz schnell herumhuschen – unterbrochen durch einen devoten Lidschlag. Scheu und kühl wirkt das, aber nur kurz, denn dann spürt man die Wucht des Moments in der Magengrube." So schreibt uns Tobias Kniebe in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG in die Pubertät zurück, als wir im Dunkel des Kinosaals zum ersten Mal die Schönheit angeschaut mit Augen. 70 wird Catherine Deneuve an diesem Dienstag, und wie gerne würden wir in Verehrung verweilen, zumal auch die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG mit einem als Geburtstagsartikel verkleideten Liebesbrief nebst großformatigem Bild aufwartet: "Ihre kühle Ausstrahlung verdankt sie der Perfektion ihrer Züge," schwärmt Patrick Straumann, "ihre Eleganz hält auf Distanz, ihre Verführungskraft wirkt gefährlich."

Aber nein, wir reißen uns los von der Schönen, denn die SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG stellt uns eine Frage, deren Beantwortung keinen Aufschub duldet: "Wo liegt Hotzenplotz?" Hotzenplotz, das ist natürlich Otfried Preußlers sprichwörtlicher Kaffemühlendieb und Seppelentführer, und siehe da, tatsächlich gibt es in Mähren, 300 Kilometer weit von Preußlers Heimatstadt Reichenberg, ein Städtchen namens Hotzenplotz. SZ-Autor Hans-Peter Kunisch ist hingefahren, ab Berlin "elf Stunden und dreimal umsteigen: Osoblaha," und wir fahren mit: "Das Züglein, zwei Wagen stark, fährt geschätzte zwanzig Stundenkilometer, zuckelt über weit geschwungene Hügel, zwischen leuchtend gelben Rapsfeldern in Richtung Räuberhöhle. Eine sentimentalische Reise." Gar so empfindsam ist des SZ-Autors Reiseerzählung dann aber doch nicht beschaffen, wie sich allmählich herausstellt. In Hotzenplotz gibt es einen jüdischen Friedhof, 3300 Juden lebten hier einst. "Hotzenplotz, das Judenstädtchen? Wäre es überraschend, wenn man in Preußlers Jugend dieses außergewöhnliche Merkmal mit dem Ort verbunden hätte?" Ganz sachte führt uns der Autor zu gewissen Stellen in Preußlers Roman Krabat, die plötzlich ganz antisemitisch zu schillern anfangen, zu Texten aus der Feder von Preußlers Vater, in denen vom "Pinkeljuden" die Rede ist, "rothaarig, sommersprossig und mit abgelegten Kleidern handelnd," und schließlich zu den Lücken in Preußlers eigenem Werk, in dessen Erinnerungen viel Zorn über die Vertreibung der Sudetendeutschen, aber "außer Hitler & Goebbels (…) keine Nazis und erst recht keinen Juden" gab. "Ein schönes, friedliches Land entsteht, unter einem verklärten Heiligenbildchen des Vaters. Friede, Freude, Kaffeemühle."

Eine schöne, friedliche Verlagsgeschichte mitsamt verklärtem Heiligenbildchen des Vaters mag sich auch der Münchner Verleger Hans-Dieter Beck versprochen haben, als er bei dem Rechtshistoriker Uwe Wesel zum 250. Jahrestags des C.H.Beck-Verlags eine solche in Auftrag gab. Beim Buchmessen-Empfang vorletzte Woche kam es darüber zum Eklat, und Rudolph Walter schreibt darüber in der TAZ mit spürbarem Genuss. Becks Bruder und Mit-Verleger Wolfgang Beck hat nämlich ebenfalls eine Verlagsgeschichte schreiben lassen, von Stefan Rebenich, und dort kommt Vater Heinrich Beck als Nazi-Schrifttumsverleger und Arisierungsprofiteur ganz schlecht weg. "Wesel watschte in Frankfurt von daher den Kollegen Rebenich ab, dieser sei als 1961 Geborener zu jung, um mit ihm und anderen älteren Menschen wie Hans Dieter Beck über die Vorgänge im Nationalsozialismus zu reden. Ein Fall von Demenz, Altersstarrsinn, oder verbirgt sich dahinter ein ernst zu nehmender Methodenstreit?" Der TAZ-Autor lässt diese Frage unbeantwortet, aber wohl nicht, weil er nicht wüsste, wie die Antwort lautet.

Jetzt könnten wir hier noch berichten, wie der Staat Österreich in den Besitz von Gustav Klimts Beethoven-Fries kam, nachzulesen ebenfalls in der TAZ, aber das kann man sich wohl nach dem bisherigen Verlauf dieser Presseschau nach selber denken. So belassen wir es fürs Erste mit einem wiederum der TAZ entnommenen Zitat aus Deniz Yücels Kolumne, das keiner weiteren Erläuterung bedarf: "Die Propaganda, dass Aquakulturen ökologisch besser seien, ist Propaganda. Der Fisch ist da nämlich anderer Meinung. Der Fisch hat recht."