Von Maximilian Steinbeis
In Zeiten des Wahlkampfes schreibt die "Süddeutsche Zeitung" mal erfrischend über ein ganz anderes Thema – über dänisches Design und den "höchstdotierten Gestalterpreis-der Welt". Im Thüringer Wald werden hingegen für Ökostrom massenhaft Bäume abgeholzt, berichtet die "FAZ". Und die "Welt" und die "Berliner Zeitung" widmen sich dem Verein für deutsche Sprache.
"Die Flasche ist ein Problem."
Wen dieser Satz ins Grübeln bringt, der sollte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aufschlagen, denn dort fängt so ein Artikel mit gleich zwei hervorhebenswerten Vorzügen an: Erstens handelt er nicht vom Kanzlerduell und zweitens bestätigt er unsere Vermutung, dass aus der Verbindung von Design und Dänemark fast immer Gutes entsteht. Es geht um den
"höchstdotierten Gestalter-Preis der Welt",
gestiftet von der dänischen Regierung und in Helsingör verliehen. Till Briegleb war für die SZ dabei. Prämiert, und das ist das Besondere dabei, wird dabei "nicht Ästhetik, sondern Problemlösung", und hier kommt die Flasche ins Spiel, wenngleich weniger als Problem denn als Lösung:
"Eine gewöhnliche Wasserflasche gefüllt mit Bleichmittel aber verbreitet jetzt in vielen Slumhütten Mumbais die Helligkeit einer 55-Watt-Birne", erfahren wir aus dem SZ-Artikel.
"Halb über, halb unter dem Wellblech befestigt, streut sie das gesammelte Sonnenlicht in die stromlosen Höhlen"
und bewahrt so Millionen Arme davor, an den Abgasen aus Kerosinlampen zu erkranken. Den Preis hat diese Innovation indessen ebenso wenig gewonnen wie das
"Küchenterrarium für Heuschrecken, um die Beißer dort für die häusliche Pfanne zu züchten", noch die Entwicklung "einer neuen superglatten Innenbeschichtung namens LiquiGlide",
mit welcher auch der hartnäckige letzte Rest aus der fast leeren Ketchupflasche – da ist sie wieder – herausflutscht.
Aber das kann unser Vergnügen an diesem Text nicht schmälern und steigert nur unser Bedauern, dass sich Andreas Möller in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG statt dänisches Design in Helsingör den deutschen Wald in Thüringen zum Gegenstand seiner Betrachtungen gewählt hat.
Warum hat er das? Weil dort, wo Goethe einst seinen Über-allen-Gipfeln-ist-Ruh-Vers dichtete, nicht nur die Großeltern des FAZ-Autors herkamen und mit einem "Auto der Marke Simson" zwischen den Fichtenstämmen herumfuhren, wie wir lesen dürfen, sondern weil dort obendrein die "Thüringer Strombrücke" enstehen soll,
"eine hundert Meter breite ´waldfreie` Schneise",
über welche der Windstrom aus Norddeutschland nach Süden gelangen soll. Waldvernichtung für Ökostrom, das hätte was werden können, aber leider verträumt der FAZ-Autor sein Thema mit Sätzen wie diesem:
"Vielleicht ist der Thüringer Fall insofern ein besonderer, als man die Verehrung der Wälder einberechnen muss, die hinter dem Wort ´Brücke` und der Ahnung von etwas Schützenswertem oder Undurchquerbarem unter dem Viadukt aufscheint."
Apropos Ahnung von etwas Schützenswertem, jetzt müssen wir den Verein für deutsche Sprache e.V. sein Fett wegbekommen lassen. Der hat sich einfallen lassen, seinen Sprachpanscher-Preis in diesem Jahr dem Duden zu verleihen, und zwar dafür, dass er sich durch die Aufnahme von allerlei Anglizismen als
"billiger Handlanger der Modefuzzis und Amitümler"
erwiesen habe. Oh, das kommt überhaupt nicht gut an.
Tilman Krause fragt in der WELT, ob ein noch so durchanglisierter Duden "wirklich ein so viel schlimmerer Sprachberserker" ist "als derjenige, der Pidgin-Deutsch a la ´Modefuzzi` und ´Amitümler` im Munde führt", und ruft fröhlich: "Her mit den kleinen Amerikanern und Engländerinnen. Anglizismen sind einfach supercool."
Der gleichen Ansicht ist Harald Jähner in der BERLINER ZEITUNG und konstatiert, der Sprachpuristenverein habe
"sich mit der diesjährigen Auszeichnung endgültig in die obskure Fundamentalistenecke katapultiert."
Zuletzt bleibt uns noch Zeit für ein Wort aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG oder besser gesagt aus dem Mund des Jazz-Saxophonisten Peter Brötzmann, 72 Jahre alt und von der SZ anlässlich seines neuen Albums mit einem ausführlichen Interview gewürdigt, und dieses Wort scheint wie gemacht dazu, mit Nachdruck in den anglizismenfreien Thüringer Wald gerufen zu werden:
"Es geht doch nicht an, dass ich alter Opa immer noch Avantgarde bin!"
Wen dieser Satz ins Grübeln bringt, der sollte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG aufschlagen, denn dort fängt so ein Artikel mit gleich zwei hervorhebenswerten Vorzügen an: Erstens handelt er nicht vom Kanzlerduell und zweitens bestätigt er unsere Vermutung, dass aus der Verbindung von Design und Dänemark fast immer Gutes entsteht. Es geht um den
"höchstdotierten Gestalter-Preis der Welt",
gestiftet von der dänischen Regierung und in Helsingör verliehen. Till Briegleb war für die SZ dabei. Prämiert, und das ist das Besondere dabei, wird dabei "nicht Ästhetik, sondern Problemlösung", und hier kommt die Flasche ins Spiel, wenngleich weniger als Problem denn als Lösung:
"Eine gewöhnliche Wasserflasche gefüllt mit Bleichmittel aber verbreitet jetzt in vielen Slumhütten Mumbais die Helligkeit einer 55-Watt-Birne", erfahren wir aus dem SZ-Artikel.
"Halb über, halb unter dem Wellblech befestigt, streut sie das gesammelte Sonnenlicht in die stromlosen Höhlen"
und bewahrt so Millionen Arme davor, an den Abgasen aus Kerosinlampen zu erkranken. Den Preis hat diese Innovation indessen ebenso wenig gewonnen wie das
"Küchenterrarium für Heuschrecken, um die Beißer dort für die häusliche Pfanne zu züchten", noch die Entwicklung "einer neuen superglatten Innenbeschichtung namens LiquiGlide",
mit welcher auch der hartnäckige letzte Rest aus der fast leeren Ketchupflasche – da ist sie wieder – herausflutscht.
Aber das kann unser Vergnügen an diesem Text nicht schmälern und steigert nur unser Bedauern, dass sich Andreas Möller in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG statt dänisches Design in Helsingör den deutschen Wald in Thüringen zum Gegenstand seiner Betrachtungen gewählt hat.
Warum hat er das? Weil dort, wo Goethe einst seinen Über-allen-Gipfeln-ist-Ruh-Vers dichtete, nicht nur die Großeltern des FAZ-Autors herkamen und mit einem "Auto der Marke Simson" zwischen den Fichtenstämmen herumfuhren, wie wir lesen dürfen, sondern weil dort obendrein die "Thüringer Strombrücke" enstehen soll,
"eine hundert Meter breite ´waldfreie` Schneise",
über welche der Windstrom aus Norddeutschland nach Süden gelangen soll. Waldvernichtung für Ökostrom, das hätte was werden können, aber leider verträumt der FAZ-Autor sein Thema mit Sätzen wie diesem:
"Vielleicht ist der Thüringer Fall insofern ein besonderer, als man die Verehrung der Wälder einberechnen muss, die hinter dem Wort ´Brücke` und der Ahnung von etwas Schützenswertem oder Undurchquerbarem unter dem Viadukt aufscheint."
Apropos Ahnung von etwas Schützenswertem, jetzt müssen wir den Verein für deutsche Sprache e.V. sein Fett wegbekommen lassen. Der hat sich einfallen lassen, seinen Sprachpanscher-Preis in diesem Jahr dem Duden zu verleihen, und zwar dafür, dass er sich durch die Aufnahme von allerlei Anglizismen als
"billiger Handlanger der Modefuzzis und Amitümler"
erwiesen habe. Oh, das kommt überhaupt nicht gut an.
Tilman Krause fragt in der WELT, ob ein noch so durchanglisierter Duden "wirklich ein so viel schlimmerer Sprachberserker" ist "als derjenige, der Pidgin-Deutsch a la ´Modefuzzi` und ´Amitümler` im Munde führt", und ruft fröhlich: "Her mit den kleinen Amerikanern und Engländerinnen. Anglizismen sind einfach supercool."
Der gleichen Ansicht ist Harald Jähner in der BERLINER ZEITUNG und konstatiert, der Sprachpuristenverein habe
"sich mit der diesjährigen Auszeichnung endgültig in die obskure Fundamentalistenecke katapultiert."
Zuletzt bleibt uns noch Zeit für ein Wort aus der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG oder besser gesagt aus dem Mund des Jazz-Saxophonisten Peter Brötzmann, 72 Jahre alt und von der SZ anlässlich seines neuen Albums mit einem ausführlichen Interview gewürdigt, und dieses Wort scheint wie gemacht dazu, mit Nachdruck in den anglizismenfreien Thüringer Wald gerufen zu werden:
"Es geht doch nicht an, dass ich alter Opa immer noch Avantgarde bin!"