Von Matthias Sträßner

Die Feuilletons befassen sich mit den Themen der Woche: dem Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt, mit Steven Spielbergs neuem Film "Krieg der Welten" und mit den Live-8-Konzerten am Samstag.
Der diesjährige Ingeborg-Bachmann-Wettbewerb in Klagenfurt wurde vom Feuilleton äußerst verhalten besprochen. Elmar Krekeler in der WELT (27.6.05):

"Es wurde viel gelacht, viel geredet in Klagenfurt über den mehr oder weniger verzweifelten Versuch der >relevanten Realisten <, der Generation 40 plus, als Literaten doch noch in die Diskurse zu kommen. Von neuer Mitte war da die Rede, vom Versuch linksliberaler Literaten, wertkonservativ zu werden. In Klagenfurt konnte man schon mal sehen, wo das hinführt. Mit einer mittleren Literatur, einer Literatur, die in der wahren Mitte, in der Mittelmäßigkeit nämlich hängen bleibt, mit einer Literatur, die sich letztlich selbst genug ist, muß sich niemand wundern, daß in Sachen gesellschaftlicher Relevanz die Literaten in ihrer Gesamtheit in immer weiterem Abstand hinter Cineasten her radelt."

Am Donnerstag lief Steven Spielbergs neuer Film "Krieg der Welten" an. Noch bevor die ersten Rezensionen erschienen, erklärte Dietmar Dath in der FAZ, warum wir den Schriftsteller Herbert George Wells wieder lesen müssen:

"Sein entsetzliches Denkbild vom "Krieg der Welten", von beispiellosem Massenmord und begleitendem Massenentsetzen, hat H. G. Wells gemalt, um seinen Zeitgenossen klarzumachen, unter welcher Art von Evolutionsdruck sie standen: Wenn ihr der großen Industrie und der planetarischen Technik nicht gewachsen seid, dann sind es vielleicht andere, Invasoren vom Mars oder aus der Zukunft.

Wie man den Industrialismus, hinter den damals kein Weg zurück führte, tunlichst behalten, aber auch für die ihn verwirklichenden Zivilisationen "glücklicher" machen konnte: Das war für Wells die große evolutionäre Anpassungsfrage des Äons. Während zur selben Zeit gelehrte, aber volkstümliche Anarchisten keuchend mit den neuen Funden der Naturwissenschaften mitzuhalten versuchten, ….war der Sozialist Wells bereit, die Befunde der Darwinschen Evolutionslehre in vollem Umfang anzunehmen und den Übergang des Sozialismus von der romantischen zur biopolitisch-technokratischen Idee, "von der Utopie zur Wissenschaft" (Friedrich Engels) essayistisch und belletristisch zu begleiten."

Die Zeit widmet sich in ihrer neuesten Ausgabe noch einmal dem Projekt Bob Geldofs, der mit seinem Live-8-Konzert vom Samstag eine konzertierte Aktion gegen den Hunger in Afrika einzuleiten versuchte. Thomas Gross:

"Die Rockbühne als moralische Anstalt - seit Geldof vor 20 Jahren mit Live Aid den Trend setzte, haben Veranstaltungen zur Erziehung des Menschengeschlechts Konjunktur. ….Die rockende Wohlfahrt aber konnte sich nie …von dem Ruch befreien, eine zeitgemäße Form von Ablasshandel zu betreiben. Dem Objekt der Fürsorge, den Hungernden, ist so schwerlich gedient, aber man macht auf sich aufmerksam, und Aufmerksamkeitswerte sind das Manna des globalen Dorfes. "

Mit großem Interesse wurde auch die Vorstellung des neuen Buches von Wolfgang Kraushaar verfolgt.
Kraushaars Studie widmet sich einem Anschlag auf das Jüdische Gemeindehaus in der Berliner Fasanenstraße vom 9. November 1969. Am Jahrestag der Pogromnacht wurde damals eine Bombe deponiert, die jedoch nicht explodierte und entschärft werden konnte. Bei seiner Recherche über die terroristischen Aktionsgruppen, kommt Kraushaar zu Erkenntnissen über einen "linken Antisemitismus", den er auch schon in seinem Band "Rudi Dutschke, Andreas Baader und RAF" aufgewiesen hatte. Dieser linke Antisemitismus passt nicht so einfach in das Bild einer 68er Generation, die sich gegen die Elterngeneration auflehnt. Deswegen zeigt sich Volker Breidecker in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG! (30.6.) etwas verblüfft:

"Vielleicht muss die Kultur- und Mentalitätengeschichte der alten BRD nun ganz neu geschrieben werden: Von wegen Generationenkonflikt! Als Verdrängungspakt gegenüber den Besonderheiten des Nationalsozialismus und seiner Verbrechen hatte sich das Generationenbündnis als haltbarer und dauerhafter als jede Auflehnung erwiesen und überdauerte alle großen wie kleinen Rebellionen. Unter dem gemeinsamen Dach eines als Antizionismus und Antiamerikanismus camouflierten Antisemitismus war man sich weiterhin einig, wie noch die Solidaritätswelle der Eltern von RAF-Angehörigern gegenüber ihren Kindern zeigt. Und als Überbau reklamierte man einen Faschismusbegriff, der sich nach Gusto auf wechselnde Feindbilder übertragen ließ - also auch auf Israel und die Juden."