Von Langeweile keine Spur

Zwei Messvertonungen an einem Abend? Droht das nicht ein bisschen eintönig zu werden? Irrtum, weit gefehlt! Zum einen umspannen die hier vorgestellten Werke einen Zeitraum von über 40 Jahren an der Wende des 19. zum 20. Jahrhundert, mithin also eine Epoche voll tektonischer Umbrüche. Zum anderen sind die geistigen Fundamente, auf denen sie ruhen, so grundverschieden voneinander, dass auch das musikalische Vokabular jedesmal wie neu erfunden klingt.
Hören Sie den 1878 entstandenen Cantus Missae des Liechtensteiner Wagnerverächters Joseph Rheinberger, der sich trotz vieler freundlicher Grüße an die prominenten Vorbilder der Renaissance, namentlich an Maestro Palestrina, doch unmissverständlich als Kind eines hochromantischen Vaters entpuppt, der mit Harmonik und Farbe zu argumentieren versteht wie die Großen seiner Zeit.

Und erleben Sie Frank Martins höchst persönliche Auseinandersetzung mit dem Glaubensbekenntnis der katholischen Liturgie, das intime, geheimnisvolle Filigran einer Partitur, die, 1922 komponiert, vier Jahrzehnte unter Verschluss blieb, weil der Schweizer sie ausschließlich als "Angelegenheit zwischen Gott und mir" empfand.

Lassen Sie sich ein auf zwei Werke, die kaum mehr gemein haben als den Text. Und Sie werden merken: von Langeweile keine Spur.


Kammermusiksaal der Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 27.04.2013

Josef Gabriel Rheinberger: Missa Es-Dur (Cantus Missae)

Heinrich Kaminski: "Der Mensch lebt und besteht"

ca. 20:40 Uhr Konzertpause mit Nachrichten

Max Reger: "O Tod, wie bitter bist du" op.110,3

Frank Martin: Messe

RIAS Kammerchor
Leitung: Michael Gläser

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