Von Konrad Franke

Die "Frankfurter Rundschau" befragt den Filmemacher Michael Haneke zu den Gefahren des heutigen Medienkonsums und den Musiker Thomas Meineke zum Konservatismus. Die "Süddeutsche" gratuliert dem Kunstwissenschaftler Hans Belting zum 70. Die FAZ erklärt, warum der kürzlich verstorbene Dramatiker Christopher Fry einst so bedeutsam war und dann vergessen wurde.
Die Ereignisse in London in den deutschen Feuilletons? Ja. Aber die ersten Reaktionen waren hilflos. Wie soll man auch etwas analysieren, bewerten, beurteilen, von dem man fast nichts Exaktes weiß? Das Nachdenken über den Schrecken braucht Fakten, Abstand, Zeit. Andererseits: die Feuilleton-Beiträge der vergangenen Woche erscheinen nach London auf einmal allesamt eher harmlos und nur begrenzt interessant.

Der österreichische Filmemacher Michael Haneke, der nach eigenem Bekunden mit seinen erfolgreichen psychologischen Fallstudien "Ohrfeigen" austeilen, nicht aber provozieren will, wurde für die FRANKFURTER RUNDSCHAU von Rüdiger Suchsland nach seinem Urteil über Menschen und Medien gefragt. Haneke antwortete:

"Ich glaube in der Tat, dass wir alle versaut sind. Durch eine Form von Realitätswiedergabe in den Medien, der wir nicht gewachsen sind. Ich halte die anderen Aufwachsbedingungn heutiger Kinder, die Fernsehen und Kino vom Babyalter an inhalieren, in der Tat für eine Gefahr. Weil die Fähigkeit zur Distanzierung fehlt. Darum polemisiere ich immer wieder über solche Fragen. Nicht, weil ich die Leute für deppert halte!"
Michael Hanekes neuer Film heißt "Caché".

Im gleichen Blatt fragte Ina Hartwig den Schriftsteller und Musiker Thomas Meinecke, ob er sich zu den Konservativen im Lande rechne. Meinecke bekannte sich als Ratzinger-Anhänger, aber nicht als Kirchgänger:

"Ich gehe nicht am Sonntag in die Kirche, aber ich finde es ganz schön, dass ich hineingehen könnte!"

Politisch sei er aber für "Progression", für das Fortschreiten. Konservativ-Sein sei seiner Meinung nach generell eine Angelegenheit der männlichen Spezies. Thomas Meinecke:

"Ich frage mich, ob Frauen überhaupt konservativ sein können."

Kein Konservativer ist der Kunstwissenschaftler Hans Belting, der in der vergangene Woche 70 Jahre alt wurde. Belting, der in Karlsruhe lehrt, beschwor 1985 das "Ende der Kunstgeschichte". Andreas Beyer gratulierte Belting in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG unter der Überschrift "Das Bild in sein Recht einsetzen". Belting sei ein Wegbereiter der Kunstwissenschaft, ihm komme, dank seiner Ernsthaftigkeit und seiner intellektuellen Neugier wie kaum einem anderen deutschen Kunstwissenschaftler "eine größere Vorbildfunktion" zu.

In der vergangenen Woche starb ein Dramatiker, dessen Stücketitel einmal geflügelte Worte waren. "Das Dunkel ist Licht genug", "Die Dame ist nicht fürs Feuer" – so hießen Stücke von Christopher Fry, der jetzt im Alter von 97 Jahren starb. Die Nachrufenden konstatierten unisono, dass Fry einmal groß gewesen sei und dann vergessen wurde. Andreas Rossmann schrieb in der FAZ über Fry, die Zeit sei "über sein Werk hinweggegangen". Und Thomas Thieringer erklärte in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, weshalb das so ist:

"Fry verblüffte das nach Ablenkung gierende Publikum mit einem poetischen Theater, mit Humor und einer beschwingten in Versen geformten Sprache."

"Warum die deutsche Gegenwartsliteratur so brav, ordentlich und monoton ist" – diese Frage zu beantworten schickte sich Helmut Böttiger in der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG an. Er analysierte einige neuere deutsche Romane und Erzählungen unter der Überschrift "Und immer wird gerade jemand anderes geküsst". Böttigers Erklärung für Bravheit, Ordentlichkeit, Monotonie:

"Schreiben kann man lernen. Die Literatur aber nicht."

Über die heftigen Bewegungen auf dem deutschen Kunstmarkt zeigten sich nicht wenige Feuilleton-Beiträger in der letzten Woche besorgt. Niklas Maak schrieb in der FRANKFURTER RUNDSCHAU, die deutsche Kunstwelt sei "aus den Fugen". Die Tatsache, dass Sammler ganze Sammlungen kauften und mit Museen ziemlich willkürlich verführen, beschädige den Ruf des deutschen Museums als Institution. Maak forderte:

"Auch in Deutschland sollten die staatlichen Museen, wie etwa in den Vereinigten Staaten üblich, deshalb nur noch wenige, qualitativ hochwertige und bedingungslose Schenkungen von privaten Sammlern annehmen… Die Desaster in der Frankfurter, Weimarer, Berliner und Bonner Museumspolitik erfordern ein grundsätzliches Umdenken…"