Von Kolja Mensing

Die "Süddeutsche Zeitung" spürt einen weiteren Fall rechtsextremistischen Gedankenguts bei einer Person des öffentlichen Lebens auf, dem Schriftsteller Christian Kracht. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" hat keine Lust mehr, sich die Reden des George W. Bush anzuhören.
"Was macht eigentlich eine Diva aus?", fragt DIE ZEIT und sucht gleich in mehreren Texten nach einer Antwort. Es geht um Maria Callas und Maria Malibran, die Primadonna aus dem 19. Jahrhundert, und auch der gerade erst verstorbene Luciano Pavarotti darf in dieser Runde nicht fehlen: Der "Megastar des industrialisierten Kulturbetriebs" war bekanntlich nicht frei von divenhaften Zügen.

Eva Herman dagegen ist keine Diva, sondern, wie Susanne Mayer in der ZEIT schreibt, eine "Extremblondine", die "an trüben Tagen die dunkle Sonnenbrille kontrastreich ins helle Haar schiebt".

Die Fernsehmoderatorin und Schriftstellerin hatte vor kurzem erklärt, im "Dritten Reich" sei "vieles sehr schlecht gewesen", aber "einiges auch gut. Zum Beispiel die Wertschätzung der Mutter".

Dass "Eva-Darling" deshalb jetzt aus der Medienwelt verbannt wird, findet die Autorin verlogen. Schließlich seien Hermans Überlegungen seit längerem bekannt gewesen und unter anderem von der Zeitschrift CICERO publikumswirksam in Szene gesetzt worden:

"Wie das deutsche Wesen an der Mutter genesen soll, die Beschwörung von heldischen Männern [und] ihnen dienenden Weibern, hätte man schon vorletzte Woche anstößig finden können."

Kommt nach dem Fall "Herman" der Fall "Kracht"?

Glaubt man der SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, so ist der Schriftsteller Christian Kracht der Neuen Rechten gefährlich nahe gerückt. Diese Behauptung birgt einige Sprengkraft – vor allem, wenn man bedenkt, dass Kracht und andere Vertreter der Popliteratur vor einigen Jahren im Feuilleton der SÜDDEUTSCHEN geradezu begeistert gefeiert worden waren.

Einfach ist die Sache allerdings nicht. Markus Tillmann muss weit ausholen, um seine These von einer "stillen Allianz" zwischen Pop und "totalitärem Denken" zu belegen.

Fakt ist, dass Christian Kracht einer Zeitschrift namens "Zwielicht" ein Interview gegeben hat. "Zwielicht" - erfahren wir - ist ein Fan-Magazin, das sich innerhalb der sogenannten Darkwave-Szene offenbar mit der Verbreitung von "neonazistischen Denkweisen" hervortut.

Hinter dem Magazin steht der Konzertveranstalter und Labelbetreiber Stephan Pockrandt, der - so die SZ - dem "rechten Rand der Gothic- und Gruftieszene" zuzurechnen" sei. Und jetzt versuche Pockrandt eben, auch Christian Kracht in seine Mission einzubinden: darum das Interview – und jede Menge Lob im Editorial.

Kracht dürfe sich darüber nicht wundern, meint Markus Tillmann. Schließlich lasse er in seinen Romanen unter anderem Protagonisten auftreten, die sich bereitwillig totalitären Strukturen unterwerfen und verletze bewusst politische und gesellschaftliche Tabus:

"Diese stetige Grenzverschiebung hat zur Folge, dass ihm Aufmerksamkeit von einer kleinen Gruppe von Menschen zukommt, die in ihrer Freizeit gerne gestärkte und gebügelte HJ-Uniformen trägt und vom Lagerfeuerabend mit gleichgesinnten Kameraden träumt."

Christian Kracht, so die SÜDDEUTSCHE, habe zu diesen Vorwürfen bisher nur "ausweichend" Stellung genommen. Wir werden demnächst sicher mehr darüber lesen.

Die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG hat erfreulicherweise keine weiteren Fälle von prominenter Nazi-Nähe zu vermelden. Dafür findet sich auf der ersten Seite des Feuilletons ein bestechend einfach gehaltener Kommentar zum Irak-Krieg.

"Ich möchte lieber nicht": Christian Geyer nimmt die berühmte Formel aus Melvilles Erzählung von "Bartleby, der Schreiber" auf – und antwortet damit auf die letzte Rede von George W. Bush an die amerikanische Nation: "Ich möchte lieber nicht zuhören", schreibt Geyer:

"Ich möchte lieber nicht von einem politischen Euphoriker bespielt werden, der mit all seinen Vorspiegelungen nur das therapeutische Ziel verfolgt, sich redend und gestikulierend vor seinem nächsten depressiven Absturz schützen zu wollen. Ich möchte mir das lieber nicht antun (…) zuhören zu müssen, (…) wenn mangels Erfolgen einfach die Ziele umdefiniert und Niederlagen als Siege verkauft werden."