Von Kolja Mensing

Die Feuilletons berichten um den Bilderstreit über das Fenster, das Gerhard Richter für den Kölner Dom entworfen hat, und vor dem Hintergrund der Brände in Griechenland betrachten mehrere Blätter das Verhältnis der Griechen zur Natur.
Die Feuilletons berichten um den Bilderstreit über das Fenster, das Gerhard Richter für den Kölner Dom entworfen hat, und vor dem Hintergrund der Brände in Griechenland betrachten mehrere Blätter das Verhältnis der Griechen zur Natur.

Alles fing so schön an. Strahlend leuchtete das Fenster, das Gerhard Richter für den Kölner Dom entworfen hatte, und die Kunstkritiker zeigten sich von der bunten, in unzählige Quadrate unterteilten Glasfläche angemessen beeindruckt,

Dann gab es Streit. Das abstrakte Kunstwerk passe eher in eine Moschee, erklärte Erzbischof Kardinal Meisner gegenüber dem Kölner EXPRESS und spielte damit auf das Bilderverbot im Islam an.

Der TAGESSPIEGEL ärgerte sich über diese Ohrfeige für die muslimische Kunst - und über die Ahnungslosigkeit des Kirchenmannes gegenüber der christlichen Kunst:

"Auch hier gibt es das Ornament sei je."

Der Kölner Bilderstreit sollte die Feuilletons die ganze Woche über in Atem halten.

Genau wie der TAGESSPIEGEL gab die TAZ Kardinal Meisner Nachhilfe in Kunst- und Kirchengeschichte: Figürliche Darstellungen auf Kirchenfenstern seien in den Kathedralen des Mittelalters nie vorgesehen gewesen. Meisner bediene "altbackene Vorurteile", schimpfte die FRANKFURTER ALLGEMEINE ZEITUNG, und in der WELT klagte der Historiker Michael Stürmer über die "ästhetische Ratlosigkeit" des Erzbischofs und der Kirche überhaupt.

Und zuletzt wurde die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG noch persönlich und kam auf die Tradition der "figürlichen Malerei" in der DDR zu sprechen, in dem Land also, in dem Joachim Meisner aufgewachsen ist. Für die SZ stellte sich die Frage:

"Ist der Einwand gegen Richters abstrakte Farblichtkunst ein Reflex von Meisners ostdeutscher Sozialisation?"

Sie wurde also durchaus leidenschaftlich geführt, die Debatte um den Kölner Kardinal und die Kirchenkunst.

Ansonsten blieben die großen Gefühle in dieser Woche außen vor - und das, obwohl die Wiege der europäischen Kultur in Flammen stand: Die Brandkatastrophe in Griechenland hatte das Heiligtum von Olympia erreicht.

"Marmor kann (zwar) nicht brennen, aber verbrennen"," er verwandelt sich ""schlicht und einfach in Kalk","

fasste der Archäologe Ulrich Sinn die bedrohliche Situation in der SZ zusammen und ergänzte, dass dieses Verfahren in der Antike durchaus mit Absicht eingesetzt worden sei: um neues Baumaterial zu gewinnen.

Man musste wohl der BERLINER ZEITUNG zustimmen, die angesichts der bedrohlichen Feuersbrunst lakonisch anmerkte:

""Im besten Fall ist eine archäologische Stätte in Griechenland nicht ausgegraben worden, sondern liegt (noch) unter (dem) Boden."

Doch was ist die Ursache der Katastrophe?

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG zeichnete ein düsteres Bild vom Zustand der griechischen Gesellschaft und der politischen Klasse des Landes: Auf kommunaler Ebene herrschten "Klientelwirtschaft und Korruption", und es komme nicht selten vor, dass Brandstifter "im Auftrag großer Baukonsortien" ganze Wälder in Brand setzten, um Platz für Villengebiete zu schaffen.

Bisher sei es der Regierung in Athen allerdings nicht einmal gelungen, ein landesweites Kataster einzurichten, um wenigstens die schlimmsten Auswüchse der boomenden Baubranche aufzuhalten:

"Der Feuerteufel"," so die SZ, ""steckt im System, und der dickste Rauch kann dies nicht mehr vernebeln."

Die Griechen hätten halt noch nie ein besonders inniges Verhältnis zur Natur gehabt - und schon gar nicht zum Wald, meinte die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Bereits in der Antike sei die Rodung der Wälder als Triumph der Zivilisation gefeiert worden. Der attische Baumbestand zum Beispiel sei während des Peleponnesischen Krieges innerhalb kürzester Zeit komplett für den Flottenbau verbraucht worden.

"Der Wald bleibt den mediterranen Kulturen immer fremdes Gelände","

ergänzte die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG diese kulturgeschichtlichen Betrachtungen im hohen Ton - und merkte mit ebenso hoch erhobenem Zeigefinger an:

""Wenn (Griechenland) nicht entschlossen anfängt, seinen Wald zu hegen, ihn als Wald, wie wir ihn kennen, allererst zu begreifen, wird es ihn ganz einbüßen ... und im Zuge des Klimawandels und dann unausweichlicher weiterer Katastrophen verkarsten und erkahlen."

Auch Angela Merkels Besuch in China war Thema in den Feuilletons.

Die Kanzlerin hatte gegenüber ihren Gastgebern Themen wie "Menschenrechte", "Produktpiraterie" und "Computerspionage" angesprochen.

Besonders mutig fand die FRANKFURTER RUNDSCHAU das nicht: Die chinesischen Politiker reagierten mittlerweile schließlich recht "geschmeidig" auf die moralischen Appelle des Westens - und ignorierten sie einfach. Aufträge an deutsche Firmen würden trotzdem vergeben. Die Bundeskanzlerin habe mit ihren ach-so-offenen Worten also "unser aller Gewissen beruhigen können" - und gleichzeitig niemandem das Geschäft verdorben.

Die Wirtschaft habe auch die kulturellen Aspekte von Angela Merkels Chinabesuch überschattet, kritisierte die FRANKFURTER ALLGEMEINE.

Deutschland preise sich in China als "Land der Ideen" an, als "innovative und zukunftsorientierte" Nation - und pflege damit den gleichen Kulturbegriff wie die deutsche "Automobil- oder die Möbelindustrie", merkte die FAZ spöttisch an: Kunst, Musik und Literatur würden zu schmückendem Beiwerk anderer, vermeintlich wichtigerer Interessen.

Kein Wunder also, dass Angela Merkel noch vor der Eröffnung der Pekinger Buchmesse China zügig wieder verlassen hat.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG hatte sich auf der Messe umgesehen und wunderte sich darüber, dass neben einer Übersetzung von Döblins "Berlin Alexanderplatz" und den Memoiren von Gerhard Schröder von deutschen Verlagen vor allem Lizenzen für Kinderbücher nach China verkauft werden: möglicherweise der einfachste Weg auf den "nach wie vor streng regulierten Buchmarkt".

Wie streng die Spielregeln auf diesem Markt sind, erfährt man in der neuen Ausgabe des SPIEGELS. Der chinesische Schriftsteller Yan Lianke berichtet im Interview von der Zensur in seinem Heimatland. Sein neuer Roman "Dem Volke dienen" ist zwar gerade in deutscher Übersetzung erschienen, das chinesische Original ist allerdings verboten.

Nein, sagt Yan Lianke, er werde das Buch in Deutschland sicher nicht persönlich vorstellen: Das könne unangenehme Folgen haben.