Von Kolja Mensing

Die "Zeit" beschäftigt sich mit Jan Philipp Reemtsma und seinen Gedanken zur RAF sowie mit der Pressefreiheit im Irak. Darüber hinaus befassen sich die Feuilletons mit der Entscheidung des Bundesgerichtshofes hinsichtlich des so genannten Caroline-Urteils und dem European Newspaper Congress in Wien.
Die Gespensterdebatte geht immer weiter. Jetzt denkt also auch Jan Philipp Reemtsma in der "Zeit" noch einmal über die RAF nach. Der Leiter des Hamburger Instituts für Sozialforschung wählt den Umweg über die Literatur – und widmet sich zunächst Dostojewskis Roman "Die Dämonen" und den darin porträtierten Anarchisten. Der russische Schriftsteller habe sich "allen Versuchen verweigert, die Existenz und die Aktivitäten von terroristischen Gruppen aus irgendwelchen politischen Absichten heraus zu erklären", meint Reemtsma – und überträgt diese Erkenntnis auf die Baader-Meinhof-Gruppe und ihre Nachfolger. Die "Wirklichkeit" der RAF sei nichts als "eine Reihe sinnloser und brutaler Gewalttaten" gewesen, geprägt von "Größenwahn" und "der schieren Lust am großen Knall". Diese "Lust am großen Knall" verbindet Terroristen mit Journalisten, zumindest wenn man den Worten des gerade verstorbenen französischen Philosophen Jean Baudrillard glaubt:

"Die Medien sind terroristisch auf ihre Weise: pausenlos sind sie tätig, um Sinn zu produzieren, den sie gleichzeitig gewaltsam wieder zerstören (…), denn allein das Szenario zählt", schrieb Baudrillard im Herbst 1977. Cord Riechelmann weist in seinem Nachruf in der "Berliner Zeitung" darauf hin.

Politische Machthaber fürchten die zerstörerische Kraft, die den Medien innewohnt. Der irakische Journalist Ismael Zayer erfährt das Tag für Tag bei seiner Arbeit. In einem Interview in der "Zeit" weist er darauf hin, dass mit "Al-Sabah" die wichtigste Zeitung seines Heimatlandes fest in amerikanischen Händen sei. Gleichzeitig müsse man als halbwegs kritischer Berichterstatter ständig fürchten, zwischen die Fronten der sunnitischen und schiitischen Milizen in Bagdad zu geraten. Kurzum: unabhängiger Journalismus ist im Irak ein hoffnungsloses und darüber hinaus lebensgefährliches Unterfangen. Im Vergleich dazu nimmt sich die kleine Diskussion über die Pressefreiheit, die derzeit in Deutschland geführt wird, natürlich vergleichsweise harmlos aus.

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat in diesen Tagen in dem so genannten Caroline-Urteil die Persönlichkeitsrechte von Prominenten gegenüber den Medien erheblich gestärkt: Fotos aus dem Privatleben von Berühmtheiten dürfen von nun an nur noch veröffentlicht werden, wenn sie "zum Sachgehalt" der Berichterstattung beitragen und "über die Befriedigung bloßer Neugier hinausgehen". Die "Welt" zitiert verschiedene Verbandsvertreter, Medienrechtler und Politiker, die allesamt davor warnen, dass "in Zukunft statt der Journalisten immer mehr die Richter entscheiden werden, was von öffentlichem Interesse ist." Auch Patrick Bahners, der Feuilletonchef der "Frankfurter Allgmeinen Zeitung", findet es bedenklich, dass Juristen nun "im Stil von Filmzensoren" Informationen bewerten sollen. Es sei wohl kaum "Sache des Staates und auch nicht der staatlichen Richter", über die politische Relevanz oder kulturelle Bedeutung von journalistischen Inhalten zu entscheiden - auch dann nicht, wenn es, wie im strittigen Fall, um Fotos aus dem vermeintlichen Privatleben von Caroline von Hannover geht:

"Wo in unserem Weltalter der ökologischen Dauerkrise und der moralischen Überempfindlichkeit alle Fragen des richtigen Verhaltens an Prominenten erörtert werden", meint Bahners, "kann man auch an den ‚Urlaub in Sankt Moritz’ oder die ,Vermietung einer Villa’ unschwer sachliche Fragen anschließen."

So wie es aussieht, dürften die redaktionellen Inhalten in den Printmedien allerdings ohnehin immer unwichtiger werden. Zu diesem Ergebnis kommt auf jeden Fall Erna Lackner, die für die "FAZ" den European Newspaper Congress in Wien besucht hat. Momentan setze man in der Branche auf "smarte Verpackungskunst" und versuche vor allem mit edel gemachten Zeitungsseiten Auflage zu machen:

"Wenn schon die tägliche Welt nicht schön ist", so das Credo der Designer, "so lässt sie sich doch schön gestalten."