Von Kolja Mensing
Das Magazin "Cicero"rechnet nach den jüngsten Verwerfungen um Jürgen Habermas mit dem Philosophen ab; mehrere Zeitungen kritisieren das. Außerdem befassen sich die Feuilletons mit den jüngst aufgetauchten Skandalfotos von Bundeswehrsoldaten in Afghanistan.
Hier die Geschichte in aller Kürze: Der Philosoph Jürgen Habermas war 1945 in der Hitlerjugend verantwortlich für Erste-Hilfe-Kurse. Zu den Teilnehmern gehörte auch der spätere Historiker Hans-Ulrich Wehler, und Habermas, damals 13 oder 14 Jahre alt, schickte ihm eine vorgefertigte Aufforderung zu pünktlichem Erscheinen zu. Zwanzig Jahre später hat Wehler seinem Freund Habermas diesen Zettel dann mit der Post zurückgeschickt, und der hat ihn in den Papierkorb geworfen.
Das alles ist schon länger bekannt, aber das Monatsmagazin CICERO hat in seiner aktuellen Ausgabe den Sachverhalt ein wenig anders dargestellt: Habermas habe den Zettel nicht einfach weggeschmissen, sondern ihn vor Zeugen verschluckt - und zwar deswegen, weil das Papier ein "leidenschaftliches Bekenntnis zum Führer" enthalten habe. Der Publizist Jürgen Busche nimmt das zum Anlass, gründlich mit Habermas abzurechnen.
So geht es nicht, da sind sich alle einig. Busche könne dem Gerücht "nicht ein einziges neues Faktum" hinzufügen, schreibt Christian Geyer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und fragt: "Soll hier im Windschatten der Affäre Grass eine Habermas-Suggestion erzeugt werden?" Im CICERO würden "fehlende Fakten durch Polemik und üble Nachrede ersetzt", meint auch Andreas Zielcke in SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, und die WELT spricht von einer aus "Dichtung und Wahrheit gewobenen Anekdote".
Nur Dirk Knipphals von der TAZ findet noch ein paar kritische Worte für Habermas selbst, wenn er den Philosophen mit der Bemerkung zitiert, mit ihm und Günter Grass solle eine "unbequeme Generation von Intellektuellen abgeräumt" werden: "Dass (Habermas) sich wieder in einem Kulturkampf gegen die konservative Publizistik wähnt, ist zu hoch gegriffen."
Und Gregor Dotzauer ist im TAGESSPIEGEL vor allem genervt: "Wer (die Angriffe gegen Habermas) ernst nimmt, verdirbt jede seriöse Debatte um persönliche Verantwortung unter totalitären Bedingungen. (Und) wer sie weglacht, verschafft CICERO immer noch die Genugtuung einer Erwähnung."
Sehr passend ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall eine Bemerkung des britischen Historikers Richard J. Evans, der in der WELT darum bittet, die "Verbreitung von Wissen über die Zeitgeschichte nicht Journalisten und Fernsehproduzenten zu überlassen."
Das andere große Thema in den Feuilletons sind die jüngst aufgetauchten Bilder von Bundeswehrsoldaten, die sich in Afghanistan während einer Patrouillenfahrt gegenseitig in obszönen Posen mit einem Schädelknochen fotografiert haben.
Was soll man anfangen mit diesem Ausbruch von Landsermentalität unter deutschen Soldaten?
Geradezu reflexartig widmet sich das bildungsbürgerliche Restbewusstseins der Aufgabe, den ersten Schrecken kulturgeschichtlich einzuordnen - und ihm damit die Spitze zu nehmen.
Eine "undurchschaubare Wand ist zwischen dem Reich der Toten und dem der Lebenden" hebt der Historiker Michael Stürmer in der WELT weihevoll an und erkennt dann bei Shakespeare, Goethe oder Dürer im Schädel ein, jawohl: Symbol für die Sterblichkeit des Menschen!
In der SZ hält Gustav Seibt eine Vorlesung im gleichen Tonfall, nur dass für ihn der Schädel in der "abendländischen Tradition" in erster Linie auf den Krieg verweist. "Vielleicht hat der Ekel (vor den Vorgängen in Afghanistan) auch damit zu tun, dass diese Bilder uns an viele andere, ältere erinnern", munkelt Seibt - einer dieser Zeitungssätze, die man besser nicht zweimal liest, weil ansonsten nicht viel von ihnen übrig bleibt.
Redlich bemüht gibt sich derweil in der FAZ der ehemalige Bundeswehrarzt und "Afghanistan-Kenner" Reinhard Erlös. Er findet, dass bei der Ausbildung deutscher Soldaten mehr Wert auf "interkulturelle Kompetenz" gelegt werden müsse.
Das ist sicher ein guter Gedanke. Doch wenn ein Soldat sich während eines Auslandseinsatzes mit entblößtem Unterleib und den sterblichen Überresten eines Toten ablichten lässt, liegt darin doch wohl kaum ein kulturelles Missverständnis.
Man muss kein Moslem sein, um diese Bilder nicht zu mögen.
Das alles ist schon länger bekannt, aber das Monatsmagazin CICERO hat in seiner aktuellen Ausgabe den Sachverhalt ein wenig anders dargestellt: Habermas habe den Zettel nicht einfach weggeschmissen, sondern ihn vor Zeugen verschluckt - und zwar deswegen, weil das Papier ein "leidenschaftliches Bekenntnis zum Führer" enthalten habe. Der Publizist Jürgen Busche nimmt das zum Anlass, gründlich mit Habermas abzurechnen.
So geht es nicht, da sind sich alle einig. Busche könne dem Gerücht "nicht ein einziges neues Faktum" hinzufügen, schreibt Christian Geyer in der FRANKFURTER ALLGEMEINEN ZEITUNG und fragt: "Soll hier im Windschatten der Affäre Grass eine Habermas-Suggestion erzeugt werden?" Im CICERO würden "fehlende Fakten durch Polemik und üble Nachrede ersetzt", meint auch Andreas Zielcke in SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG, und die WELT spricht von einer aus "Dichtung und Wahrheit gewobenen Anekdote".
Nur Dirk Knipphals von der TAZ findet noch ein paar kritische Worte für Habermas selbst, wenn er den Philosophen mit der Bemerkung zitiert, mit ihm und Günter Grass solle eine "unbequeme Generation von Intellektuellen abgeräumt" werden: "Dass (Habermas) sich wieder in einem Kulturkampf gegen die konservative Publizistik wähnt, ist zu hoch gegriffen."
Und Gregor Dotzauer ist im TAGESSPIEGEL vor allem genervt: "Wer (die Angriffe gegen Habermas) ernst nimmt, verdirbt jede seriöse Debatte um persönliche Verantwortung unter totalitären Bedingungen. (Und) wer sie weglacht, verschafft CICERO immer noch die Genugtuung einer Erwähnung."
Sehr passend ist in diesem Zusammenhang auf jeden Fall eine Bemerkung des britischen Historikers Richard J. Evans, der in der WELT darum bittet, die "Verbreitung von Wissen über die Zeitgeschichte nicht Journalisten und Fernsehproduzenten zu überlassen."
Das andere große Thema in den Feuilletons sind die jüngst aufgetauchten Bilder von Bundeswehrsoldaten, die sich in Afghanistan während einer Patrouillenfahrt gegenseitig in obszönen Posen mit einem Schädelknochen fotografiert haben.
Was soll man anfangen mit diesem Ausbruch von Landsermentalität unter deutschen Soldaten?
Geradezu reflexartig widmet sich das bildungsbürgerliche Restbewusstseins der Aufgabe, den ersten Schrecken kulturgeschichtlich einzuordnen - und ihm damit die Spitze zu nehmen.
Eine "undurchschaubare Wand ist zwischen dem Reich der Toten und dem der Lebenden" hebt der Historiker Michael Stürmer in der WELT weihevoll an und erkennt dann bei Shakespeare, Goethe oder Dürer im Schädel ein, jawohl: Symbol für die Sterblichkeit des Menschen!
In der SZ hält Gustav Seibt eine Vorlesung im gleichen Tonfall, nur dass für ihn der Schädel in der "abendländischen Tradition" in erster Linie auf den Krieg verweist. "Vielleicht hat der Ekel (vor den Vorgängen in Afghanistan) auch damit zu tun, dass diese Bilder uns an viele andere, ältere erinnern", munkelt Seibt - einer dieser Zeitungssätze, die man besser nicht zweimal liest, weil ansonsten nicht viel von ihnen übrig bleibt.
Redlich bemüht gibt sich derweil in der FAZ der ehemalige Bundeswehrarzt und "Afghanistan-Kenner" Reinhard Erlös. Er findet, dass bei der Ausbildung deutscher Soldaten mehr Wert auf "interkulturelle Kompetenz" gelegt werden müsse.
Das ist sicher ein guter Gedanke. Doch wenn ein Soldat sich während eines Auslandseinsatzes mit entblößtem Unterleib und den sterblichen Überresten eines Toten ablichten lässt, liegt darin doch wohl kaum ein kulturelles Missverständnis.
Man muss kein Moslem sein, um diese Bilder nicht zu mögen.